Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Stärkung der Stellung des Hauptverwaltungsbeamten war aufgrund der starken Legitimität des Bürgermeisters durch die Direktwahl notwendig. Die SPD hat damals jedoch strikt das totale Trennungsgebot zwischen Haupt- und Ehrenamt in der kommunalen Selbstverwaltung durchgesetzt, weil die Ehrenamtler sich auf politische Grundsatzentscheidungen und die Steuerungs- und Controllingfunktion beschränken sollten.

(Zuruf der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

- Frau Kähler, erinnern Sie sich doch einmal! Der Verwaltungsvollzug sollte allein Sache des Hauptamtes werden. Ich will Ihnen gern sagen, dass Sie dieser Steuerungs- und Controllingfunktion eben nicht die hinreichende Kompetenz mitgegeben haben.

Weil der Verlust an der Mitgestaltung bei der Umsetzung der politischen Grundsatzentscheidungen im Verwaltungsvollzug durch die Kommunalpolitiker im bisherigen Magistrat und im Kreisausschuss nicht so auffallen sollte, wurde ein Hauptausschuss als ein neues Gremium konstruiert, das - so wurde dem Ehrenamt suggeriert - sozusagen der Aufsichtsrat des Unternehmens Kommune sein sollte. Dagegen sollte der Hauptverwaltungsbeamte als Vorstandsvorsitzender fungieren. Diese unternehmerische Zielprojektion ist nicht aufgegangen. Sie konnte auch nicht aufgehen, weil die kommunale Selbstverwaltung eben nicht mit dem Management eines Unternehmens vergleichbar ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Im Übrigen ist auch die Interpretation des Gesetzes falsch. Denn wenn Sie einmal schauen, wer den Vorstandsvorsitzenden bestellt, dann frage ich Sie: Ist dann nicht der Aufsichtsrat der Entscheidende, eben der Hauptausschuss, und nicht etwa die Mitgliederversammlung oder Hauptversammlung einer AG?

Die Frustration bei den Ehrenamtlern war und ist groß; sie ist sogar so gravierend, dass wir alle Sorge haben müssen, dass sich bei den nächsten Kommunalwahlen nicht mehr genug Frauen und Männer zur Verfügung

stellen werden, die diese zeitaufwendigen Aufgaben dann auch übernehmen wollen.

Wir müssen deswegen gemeinsam nach einer Lösung suchen, um Kommunalpolitik wieder attraktiv zu machen. Dazu gehören natürlich auch andere Rahmenbedingungen und nicht nur die Änderung des kommunalen Verfassungsrechts. Wir benötigen eine aufgabengerechte und gesicherte Finanzausstattung der Kommunen, wir brauchen weniger gesetzliche Vorgaben des Landes, wir wollen mehr Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunen und wir zielen auf eine größere Vielfalt in der kommunalen Aufgabenerfüllung ab. In diesen Gesamtzusammenhang gehört dann aber auch die kommunale Verfassungsänderung.

Wir alle gemeinsam müssen diesen Spannungsbogen gestalten; denn zwischen der Tatsache, dass niemand ernsthaft die Direktwahl grundsätzlich abschaffen will, und der Forderung, dass die Gestaltungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der Ehrenamtler größer werden müssen, klafft doch die entscheidende Lücke. Die CDU will mit ihrem Vorschlag, den Hauptausschuss auf allen Ebenen zu einem verwaltungsleitenden Organ zu machen, diesem Regelungsbedarf gerecht werden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeord- neten Holger Astrup [SPD])

- Es bedarf nach unserer Auffassung, Herr Astrup, einer Institution, die im Sinne des Grundsatzes der Einheit der Verwaltung die Zusammenarbeit und Koordinierung von Ehrenamt und Hauptamt sicherstellt.

(Holger Astrup [SPD]: Also Kreisausschuss wie früher!)

Das Prinzip repräsentativer Willensbildung im Kreistag oder in der Stadtvertretung ist doch nicht allein dadurch geprägt, dass in diesen Gremien der politische Wille auf der Grundlage von Argumenten und Gegenargumenten entwickelt wird. In gleicher Weise gehört nach meiner Auffassung zu dieser Form der demokratischen Willensbildung, dass das verwaltungsleitende Organ hieran durch die personelle Verbindung von Ehrenamt und Hauptamt beteiligt ist.

(Beifall bei der CDU)

Nur ein derartiges, auf Konsens angelegtes Gremium kann sowohl die notwendige Scharnierfunktion zwischen Kommunalvertretungen als kommunalem Entscheidungsorgan einerseits und der Verwaltungsleitung andererseits wahrnehmen als auch die ehrenamtliche Kommunalpolitik und die hauptamtliche Kreisverwaltung in idealer Weise als Bindeglied zusammenführen.

(Martin Kayenburg)

Ich weiß, auch durch die Diskussionen im Vorfeld dieser Debatte, dass dieser Vorschlag nicht unumstritten ist, auch nicht in meiner eigenen Partei.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hört! Hört!)

Wir meinen aber, dass dieser Vorschlag eine Lösung des Problems sein könnte.

Wir haben uns trotz des Bemühens, die repräsentative Demokratie zu stärken, zusätzlich dafür entschieden, die Quoren, die für die unterschiedlichen Formen der Bürgerbeteiligung vorgesehen sind, herabzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn nur wenn wir es schaffen, auf der einen Seite Bürger für die ehrenamtliche Tätigkeit in den Gremien der kommunalen Selbstverwaltung zu begeistern und auf der anderen Seite allen Bürgerinnen und Bürgern mehr Mitgestaltung und Mitverantwortung in der Kommune zu übertragen, werden wir die wichtige Aufgabe der kommunalen Gestaltung der Zukunft auch gewinnen.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist auch bewusst, dass es an vielen anderen Stellen kontroverse Diskussionen geben wird, so zum Beispiel bei dem Vorschlag zur Beweislastumkehr bei der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Diese sollen nämlich nur noch dann tätig werden können, wenn sie nachweisen, dass sie Aufgaben besser, kostengünstiger, wirtschaftlicher wahrnehmen, als Private es tun.

(Beifall bei der CDU)

Uns ist schließlich bewusst, dass es Diskussionen geben wird, wenn wir zu mehr kommunaler Eigenverantwortung aufrufen bei gleichzeitiger und grundsätzlicher Anerkennung der Aufgabe der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im kommunalen Bereich, nämlich dann, wenn wir die Kommunen die freie und selbstverantwortete Entscheidung darüber treffen lassen wollen, ob sie die Gleichstellungsaufgaben haupt- oder ehrenamtlich durchführen wollen.

Wir sehen darüber hinaus Handlungsbedarf in der Amtsordnung selbst. Dort hat sich nach unserer Auffassung vor allem das in der letzten Novelle eingeführte gebundene Vorschlagsrecht für die Position des Amtsvorstehers und seiner Stellvertreter nicht bewährt.

(Beifall bei der CDU)

Zu Beginn der Wahlperiode führte dies jedenfalls dazu, dass zumindest in mehreren Ämtern die Position des Amtsvorstehers über längere Zeit hinweg nicht

besetzt werden konnte. Unser Vorschlag für ein normales Mehrheitswahlrecht löst auch dieses Problem.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen jedenfalls über unsere Vorschläge insgesamt öffentlich diskutieren. Ich wünsche mir, dass wir bei der Beratung über den Gesetzentwurf den Streit um der Sache willen, aber nicht nur um des Kompromisses willen führen. Es geht nicht um eine rote oder schwarze Kommunalverfassung, sondern um eine sachgerechte Lösung im Interesse unserer kommunalpolitisch engagierten Bürgerinnen und Bürger und letztlich im Interesse unserer Demokratie. Ich glaube, dafür lohnt es sich zu streiten. Ich wünsche mir jedenfalls, dass am Ende der Debatte eine Kommunalverfassung steht, mit der Hauptamtliche und Ehrenamtliche gleichermaßen zufrieden sein können. Wenn uns das gelingt, haben wir gemeinsam gute Arbeit geleistet.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU)

Bevor ich als Nächstem Herrn Abgeordneten Puls das Wort erteile, möchte ich in der Loge die Präsidentin des Kreises Plön, Frau Helga Hohnheit, begrüßen.

(Beifall)

Herr Abgeordneter Puls, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Echo auf den CDU-Gesetzentwurf ist ungeteilt. Die „Bergedorfer Zeitung“, eine Zeitung aus dem Stormarner Bereich, aus dem ich stamme,

(Thorsten Geißler [CDU]: Sie fahren ja schweres Geschütz auf! - Heiterkeit bei der CDU)

schreibt unter der Schlagzeile „CDU will Kommunalverfassung ändern: Pläne stoßen auf Widerstand, Kopfschütteln in eigenen Reihen“

(Martin Kayenburg [CDU]: Besser den Kopf schütteln als mit dem Kopf wackeln!)

und zitiert dann zum Beispiel Herrn Joachim Wagner, den CDU-Fraktionschef im Kreis, wie folgt:

„Er halte sehr wenig von dem Gesetzentwurf. Beim Kreisausschuss könne zwar einiges verändert werden, aber daraus wieder eine Art Magistrat zu machen, lehnt Wagner ab. ‘Wir sind mit der derzeitigen Regelung vom Grundsatz her zufrieden.’“

(Klaus-Peter Puls)

Glindes Bürgermeister Hans-Peter Busch (CDU) fürchtet, dass er zum besseren Hausmeister degradiert werden soll. „Es wäre ein großer Schritt zurück“ - so sagt er -, „wieder eine Art Magistrat einzuführen.“ Es gebe dieselben Reibungspunkte, die zur Reform der Kommunalverfassung 1998 führten. Außerdem würde dies die von zahlreichen Kommunen praktizierte Verwaltungsreform torpedieren. Den Bürgermeistern würde die Kompetenz für die Verwaltungsleitung fehlen und wieder genommen werden.“

(Martin Kayenburg [CDU]: Es ist also auch Ihre Auffassung!)

Um nicht nur aus dem eigenen Kommunalbereich zu zitieren, nehme ich als Beispiel die „Husumer Nachrichten“ vom 13. Januar 2001, die unter der Überschrift „Rad nicht zurückdrehen!“ schreibt:

„’Unverschämt’, kommentiert knapp Husums Bürgermeisterin Ursula Belker (CDU) den Vorstoß ihrer Parteigenossen auf Landesebene,“

(Zurufe von der CDU)

„der seitens der hauptamtlichen Bürgermeister nicht getragen werde.“