Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorweg: Unabhängig von der Frage der Besteuerung von Trinkgeldern - an dieser Stelle widerspreche ich Herrn Arp sehr deutlich - werden in unserem Staat guter Service und Freundlichkeit belohnt. Wir haben nämlich eine freie Marktwirtschaft und ich selbst nehme Serviceangebote nur dann wieder wahr oder gehe nur dann wieder in ein Restaurant, wenn ich mit dieser Leistung zufrieden bin.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut! - Mar- tin Kayenburg [CDU]: Dann loben Sie den Inhaber, aber nicht die Servicekraft!)

Aber nun zu Ihrem Antrag! Bei der Frage der Höhe der Steuerfreistellung von Trinkgeldern schlagen zwei Herzen in meiner Brust. So haben wir es auch in der Fraktion diskutiert.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Doppelherz!)

Zum einen kann ich all diejenigen verstehen, die ihr meist eher geringes Gehalt durch Trinkgelder aufbessern und dieses durch persönlichen Einsatz erworbene zusätzliche Einkommen nicht auch noch versteuern wollen. Kommt doch noch hinzu, dass gerade Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinem und mittlerem Einkommen - das ist ja hier erwähnt worden schon jetzt einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung unseres Sozialstaates leisten; denn sie sind es, die keine Möglichkeit haben, sich durch große Kapitalanlagen zum Beispiel jeglicher Steuerzahlung zu entziehen wie manch ein Vermögender.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Durch Kapital- anlagen kann man sich nicht der Steuer ent- ziehen!)

Zum anderen bin ich aber auch Anhängerin eines Einkommensteuerkonzeptes, das die Besteuerung des Einkommens rein nach Leistungsfähigkeit vorsieht und

(Monika Heinold)

nicht nach der Art des Einkommens differenziert. Das ist ja Ihr Ansatz.

Wenn freiwillig geleistete Zahlungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - zum Beispiel Trinkgelder von der Steuerpflicht ausgenommen werden, stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz dar, die Besteuerung an dieser steuerlichen Leistungsfähigkeit und damit an der Höhe des Einkommens als Indikator auszurichten. Dennoch haben wir als Grüne den jetzigen Steuerfreibetrag von 2.400 DM pro Jahr für freiwillig zugeflossene Trinkgelder immer mit vertreten, ist er doch gerade bei Geringverdienern und Aushilfen im Gaststättengewerbe auch als verwaltungsvereinfachende Maßnahme gedacht und sinnvoll.

Mit diesem Freibetrag genießen aber Trinkgelder schon jetzt eine steuerliche Sonderbehandlung gegenüber anderen Einkünften. Herr Arp, wenn Sie das so darstellen, als würde dort eine Doppelbesteuerung stattfinden, dann ist das völlig absurd. Genau das Gegenteil ist richtig: Es ist Teil des Einkommens, sozusagen während des Berufs erworbenes Einkommen, das ja freigestellt wird. Das ist sozusagen eine Bevorteilung.

Wenn wir aber solch einen Freibetrag haben - und wir haben einen - und diesen auch akzeptieren, dann muss von Zeit zu Zeit natürlich überprüft werden, ob die Höhe dieses Freibetrages noch angemessen ist. Deshalb gibt es ja hier auch sehr unterschiedliche Zahlen. Der SSW - er hat es hochgerechnet - kommt auf 3.000 DM, die CDU ist da etwas großzügiger, weil sie das alles nicht bezahlen muss, und liegt bei 4.200 DM.

Wir sollten dies also im Fachausschuss diskutieren, allerdings ohne aus den Augen zu verlieren, dass wir durch eine erhöhte Steuerfreistellung oder gar eine Abschaffung - wie die F.D.P. das möchte - wiederum Steuermindereinnahmen haben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir wollen nur mehr Steuerehrlichkeit! - Zuruf von der CDU: Und weniger Bürokratie!)

Wir können und wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern nicht alles versprechen. Ich habe das immer wieder gesagt, und zwar auch bei den Diskussionen im Rahmen des Haushalts bei der Frage der kommunalen Finanzen. Wir können nicht niedrige Steuersätze, hohe Steuerfreistellungen vertreten und dann hohe Leistungen des Staates - Bildung, Polizei, Justiz; dazu fällt uns ja immer viel ein - fordern. Ich sage Ihnen: Jede Straße, auch die zum Dorfkrug, muss erst einmal gebaut und mit Steuermitteln bezahlt werden,

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie bauen also Straßen mit Trinkgeldern!)

bevor dort Gäste mit Trinkgeld in der Tasche überhaupt ankommen können.

(Beifall der Abgeordneten Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

(Zurufe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für meine Fraktion auch gern ganz kurz etwas zu diesem Antrag sagen.

(Beifall)

Auch ich habe gestern die Zeitung gelesen, heute wieder; heute war der gleiche Artikel noch einmal in einer weiteren Zeitung. Ich meine den Artikel über den Kollegen Arp.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Sie sind neidisch, was?)

Dieser Tageszeitungsartikel stand so ein bisschen unter dem Motto: „Guter Service wird bestraft.“

(Hans-Jörn Arp [CDU]: So ist es!)

Das fand ich sehr populistisch. Sie sind nämlich darauf eingegangen, was auch richtig ist, dass der Staat und die Gesellschaft bessere Rahmenbedingungen zu schaffen haben, um hoch motivierte Servicekräfte zu bekommen. Da kann ich es mir aber auch nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass es nach meiner Ansicht auch an den Arbeitgebern liegt, hoch motivierte Mitarbeiter zu haben.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Wolfgang Fuß [SPD])

Das kann man sehr gut erreichen, erstens durch ein gutes Betriebsklima und zweitens insbesondere auch durch eine gute Bezahlung.

Wir wissen alle, dass gerade dies ein großes Problem in den Berufen ist, in denen Trinkgelder traditionell ein Teil der Entlohnung sind. Im Grunde könnte das Problem der Besteuerung von Trinkgeldern möglicherweise auch durch bessere und angemessene Bezahlung des Servicepersonals in der Gastronomie, wo insbesondere auch am Wochenende und abends gearbeitet werden muss, gelöst werden. Würde man die Bezahlung verbessern, wäre möglicherweise auch diese Trinkgelddiskussion nicht unbedingt nötig.

(Silke Hinrichsen)

Die Realität ist leider anders. Daher sind Trinkgelder für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einigen Branchen ein sehr notwendiger Zusatzverdienst. Aus diesem Grunde gibt es vom Gesetzgeber auch einen steuerlichen Freibetrag für diese Trinkgelder. Dieser Betrag beläuft sich heute auf 2.400 DM. Der SSW stimmt voll und ganz mit der Kritik vieler Beschäftigten aus dem Gastronomiebereich überein, dass der bürokratische Aufwand bei der Registrierung der Trinkgelder viel zu aufwendig ist. Allerdings hängt dies im Einzelfall oft auch vom zuständigen Finanzamt ab.

Wir unterstreichen daher, dass eine ungefähre Schätzung der Trinkgelder absolut ausreichend sein muss, soweit in diesem Rahmen eine Besteuerung stattfindet, damit der Aufwand für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für das Finanzamt auf ein Minimum reduziert wird.

Von der Steuersystematik her sind Trinkgelder allerdings weiterhin als Entgelte zu betrachten. Der Gesetzgeber sieht einen Freibetrag vor und dieser soll angemessen sein. Ziel der Bundesratsinitiative aus Bayern ist die Erhöhung des Trinkgeldfreibetrages auf 4.200 DM, insgesamt also 75 %. Ich denke, wenn die Gehälter im Zeitraum von 1990 bis 2000 im Gastronomiebereich auch um 75 % gestiegen wären, wäre diese Diskussion vielleicht nicht unbedingt nötig.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Die bayerische Staatsregierung hat diesen Erhöhungsbetrag wie folgt begründet: Wegen der Preisentwicklung ist eine Erhöhung gerechtfertigt. Das ist der Satz, der dazu darin steht. Genau das ist aber auch die Auffassung des SSW.

Wir unterstützen deshalb diese Erhöhung.

Laut Statistischem Landesamt sind die Preise in diesem Zeitraum um zirka 18 % gestiegen, die Löhne um 28 % und die Gehälter um zirka 30 %. Wir meinen deshalb, dass eine Erhöhung des Freibetrages um 25 % auf 3.000 DM angemessen wäre. Aus diesem Grunde haben wir den Änderungsantrag so vorgelegt, weil dies auch eher mit der Begründung durch die bayerische Staatsregierung zu diesem Erhöhungseintrag übereinstimmt.

(Beifall beim SSW)

Aus diesem Grunde wäre auch der Einnahmeverlust aufseiten des Bundes geringer. Die von der CDU vorgeschlagene Erhöhung ist nicht angemessen. Eine wirkliche Einkommensverbesserung der Mitarbeiterinnen und der Mitarbeiter in den Branchen, in denen Trinkgelder üblich sind, bekommen wir aber leider

nicht durch die Abschaffung des Trinkgeldsteuerfreibetrages, sondern durch eine angemessene Bezahlung dieser Serviceleistungen.

Wir freuen uns auf die Ausschussberatungen.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag und die dazu vorliegenden beiden Änderungsanträge federführend an den Finanzausschuss zu überweisen; Mitberatung wird nicht gewünscht. - Wer so verfahren will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!

Ich unterbreche jetzt die Sitzung. Um 15:00 Uhr setzen wir die Beratungen fort, indem wir zunächst den Tagesordnungspunkt 21, Universitätsklinika, behandeln und dann Tagesordnungspunkt 22, Arbeitsmarktbericht, aufrufen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 12:50 bis 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Bericht der Landesregierung an den Landtag gemäß § 126 HSG n. F. - Universitätsklinika