Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

Ich bin beim Schlusswort. - Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen in Schleswig-Holstein schaffen, um auch hier eine Vorbildfunktion auszuüben.

Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen ,und beantrage die Überweisung an den Ausschuss. Herr Garg, über den Weg zur Zustimmung müssen wir noch einmal reden.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Dem Abgeordneten Arp folgt auf dem Fuß der Abgeordnete selbigen Namens. Herr Abgeordneter Fuß hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie weit verbreitet im Moment die Neigung ist, diesem Thema humoristische Bestandteile abzugewinnen. Offensichtlich besteht eine gewissen Bereitschaft. Ich meine, man muss würdigen, was der Kollege Arp gesagt hat.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Er hat in der Presse intensiv und vorbereitend seine Position dargestellt. Kollege Arp, ich bin zuversichtlich, dass die Porzellanbestände der Landtagskantine unter Ihrer Präsentation nicht allzu sehr gelitten haben, zumal diese auch eher statischer als bewegungsmäßiger Natur war. Kollege Arp, Ihr Einsatz wäre allerdings glaubwürdiger gewesen, wenn Sie anstelle der Trinkgeldfrage die Frage der generellen Bezahlung der Beschäftigten in diesen Branchen angesprochen hätten.

(Beifall bei SPD und SSW - Zurufe von der CDU)

- Sie haben dort Einflussmöglichkeiten! Es trifft die Sache wenig, auf der einen Seite Servicebereitschaft zu diskutieren und die auch mit materiellen Gesichtspunkten in Zusammenhang zu bringen,

(Glocke des Präsidenten)

wenn Sie auf der anderen Seite die wichtigsten materiellen Gesichtspunkte - nämlich die Entlohnung der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außen vor lassen. Die spannende Frage ist, ob eine Weiterentwicklung der Steuerfreiheit von Trinkgeldern - egal in welcher Größenordnung - der Bezahlungsstruktur der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nützt oder schadet.

(Beifall des Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] - Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

- Kollegin Strauß, bevor Sie sich äußern, bitte ich Sie herzlich, darüber nachzudenken, wie gerecht wir mit Beschäftigten anderer Branchen umgehen. Kollege Garg, wenn Sie Leistungsbereitschaft ansprechen, dann müssen Sie die Kollegin an der Kasse bei Aldi einmal fragen, was sie - aufgrund ihres niedrigen Tarifs - davon hält, wenn ihre Leistungsentlohnungsbe

(Wolfgang Fuß)

standteile der Steuer- und Sozialversicherungspflicht unterliegen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Diese Beispiele könnte man fortsetzen. Kollege Garg, dass Sie die Trinkgelder insgesamt abschaffen, wissen wir. Es ist die Frage, inwieweit Sie dies auch auf die freien Berufe ausdehnen wollen. Wir können im Ausschuss gelegentlich darüber nachdenken, welche Folgen das unter Umständen auch für Rechtsanwälte hätte.

Zur Betrachtungsweise gehört - im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - auch, welche Grundvoraussetzungen der Altersversorgung wir ihnen unter Umständen entziehen. Darüber darf man gelegentlich nachdenken. Die Bundesregierung - die rotgrüne Koalition - hat eine Steuerreform auf den Weg gebracht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Die völlig dane- ben ist!)

- Herr Kayenburg, wir wissen, dass Sie nachhaltig dagegen sind. Im Rahmen der Steuerreform sind dem hier angesprochenen Personenkreis zwei Urteile zugute gekommen: Die zu versteuernden Löhne und Gehälter setzen erst bei einem höheren Jahressteuerbeitrag ein.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig! - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Kollege Kayenburg, das passt Ihnen nicht, das ist in Ordnung. Weiterhin kommt den hier angesprochenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über die Jahre eine insgesamt 25-prozentige Senkung der Prozentsätze zugute.

In der Hoffnung, bei allen Argumenten, der Lage, die wir aufgrund der unterschiedlichen Anträge haben, und auch in der Hoffnung, dass wir das Thema endgültig beerdigen können, werden wir uns Ihrem Wunsch auf Ausschussüberweisung nicht widersetzen.

(Beifall bei SPD und SSW - Martin Kayen- burg [CDU]: Hoffentlich sind Sie dann für die Arbeitnehmer und nicht dagegen!)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fuß, ich bin etwas überrascht, dass

ausgerechnet Sie hier einen Beitrag liefern, der offensichtlich vollkommen die Tarifautonomie vergisst.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Vielleicht haben Sie aber vergessen, dass Sie jetzt im Schleswig-Holsteinischen Landtag sitzen und nicht in einer Tarifverhandlung.

Herr Kollege Arp, ich war begeistert, als ich gestern in der „Landeszeitung“ las:

„CDU: Die Trinkgeldsteuer muss weg! Das Ziel muss die Abschaffung der Trinkgeldsteuer sein.“

Nur Mut! Gehen Sie einen großen Schritt voran, machen Sie keine taktischen kleinen Schritte! Stimmen Sie unserem Antrag zu, dann haben Sie Ihr Ziel im Prinzip schon erreicht!

(Beifall bei der F.D.P.)

Trinkgeld ist eine persönliche Geste der Aufmerksamkeit und des Dankes für die persönliche Leistung eines Menschen; es ist sozusagen ein kleines Geschenk. Ich bin der Auffassung, dass der Staat auf kleine Geschenke keine Steuern erheben sollte.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Trinkgeld ist kein Arbeitseinkommen. Wenn ich eine Dienstleistung in Anspruch nehme, muss ich den Preis dafür zahlen; sei es für die Bedienung im Restaurant, für das Haareschneiden beim Friseur oder für die Reparatur meiner Heizung. Es wird ein Vertrag über Umfang und Preis der Dienstleistung geschlossen. Zur Zahlung des Preises bin ich verpflichtet, wenn die Dienstleistung im vereinbarten Umfang ordentlich erbracht wurde. Einen Anspruch auf Zahlung von Trinkgeld gibt es - soweit ich informiert bin - heute noch nicht.

Auch als Rechtsanwältin habe ich jedenfalls in meiner langjährigen Tätigkeit noch kein Trinkgeld angenommen. Es ist mir auch noch nie angeboten worden. Wir geben das Trinkgeld als Dank dafür, dass wir über das zu erwartende Maß hinaus gut und freundlich bedient wurden. Bei den meisten Menschen, die ich kenne, hängt die Höhe des Trinkgeldes auch davon ab, wie freundlich oder wie gut sie bedient wurden. Durch die Besteuerung des Trinkgeldes bekommt die oder der Beschenkte aber letztlich weniger Trinkgeld, als ich geben will, weil ein Teil an das Finanzamt abgeliefert werden muss. Wenn ich mich entscheide, meinem Kellner im Restaurant 5 oder 10 DM Trinkgeld zu zahlen, weil ich mich gut behandelt fühlte, dann möchte ich diesem bestimmten Menschen 5 oder

(Christel Aschmoneit-Lücke)

10 DM schenken und nicht den Nettobetrag, der nach Steuerabzug übrig bleibt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wenn ich mich bei meiner Friseurin über den vereinbarten Preis des Haare-Schneidens hinaus erkenntlich zeigen möchte, weil ich mich so gut entspannt habe, dann möchte ich mich für diese Stunde nicht beim Finanzminister erkenntlich zeigen. Der hat zu meinem Wohlgefühl nämlich überhaupt nichts beigetragen. Im Gegenteil.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wenn ich mich bei meinem Heizungsinstallateur nicht nur mit warmen Worten bedanken, sondern ihm etwas schenken möchte, weil er mich so prompt und kompetent von des Winters Kälte - die leider nicht mehr da ist - erlöst hat, dann möchte ich meinen Dank nicht auf das Finanzamt ausdehnen. Trinkgeld ist kein Einkommen, sondern ein Geschenk, das ich einem bestimmten Menschen als zusätzliche Belohnung für gute Dienste mache. Wer von uns käme auf die Idee, kleine persönliche Geschenke - und um solche handelt es sich hier zusätzlich besteuern zu wollen? Auf diese Idee ist selbst der Finanzminister bisher nicht gekommen.

Der Begriff „Servicewüste“ Deutschland ist inzwischen ein geflügeltes Wort. Wir sollten hierauf nicht stolz sein, aber wir sollten uns darüber nicht wundern. Wo Zuvorkommen und Freundlichkeit besteuert werden, werden Zuvorkommen und Freundlichkeit verdrängt. Es sprechen übrigens auch verwaltungs- und steuertechnische Gründe gegen die Besteuerung des Trinkgeldes und damit, lieber Herr Kollege Arp, auch gegen Ihren gut gemeinten Antrag. Erstens ist das Erhebungsverfahren so kompliziert und ungenau, dass die rot-grüne Bundesregierung 1999 nicht in der Lage war, eine Kleine Anfrage der F.D.P. nach Steueraufkommen und Verwaltungsaufwand zu beantworten. Die Werte waren einfach nicht zu beziffern. Wenn selbst Bundessparminister Hans Eichel die Einnahmen und Kosten dieser Steuer nicht kennt, kann ihm die Abschaffung auch kaum wehtun.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Kollege Neugebauer, die Abschaffung tut aber den Trinkgeldempfängern gut, denn sie stehen mehrheitlich auf den untersten Stufen der Einkommensleiter.

Zweitens ist beim Trinkgeld die Gleichheit der Besteuerung nicht zu gewährleisten. Es gibt für die Finanzverwaltung oftmals keine Kontrollmöglichkeit Herr Kollege Arp, Sie haben es angesprochen -, es wird auch sehr unterschiedlich besteuert.

Letztlich darf man nicht vergessen, dass dieses Verfahren, das wir zurzeit haben,

(Glocke des Präsidenten)

auch das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht unerheblich belastet. Einen Hauch von Denunziation fühlen beide. Ich glaube, das ist nicht tragbar. Lassen Sie uns also einen mutigen Schritt gehen: Schaffen wir es ab!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)