Frau Präsidentin! Meine sehr verehren Damen und Herren! Am 8. Juni vergangenen Jahres haben Sie auf der Grundlage des Antrags der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Landesregierung aufgefordert, einen schriftlichen Bericht über Videoüberwachung öffentlicher und privater Stellen in Schleswig-Holstein vorzulegen.
Der Bitte bin ich selbstverständlich gern nachgekommen, auch wenn es nicht möglich war, eine lückenlose Erfassung aller öffentlichen und privaten Videoüberwachungsmaßnahmen in unserem Land aufzulisten. Das liegt daran, dass es keine Anzeigepflicht für öf
fentliche und nicht öffentliche Stellen gegenüber einer Kontrollinstanz gibt. Ich kann also nur auf die Ihnen allen bekannten Beispiele in Kaufhäusern, Banken, Sparkassen, Parkhäusern, Tankstellen, Behörden sowie im Landtagsgebäude und darum herum hinweisen.
Konkreter kann ich für den Polizeibereich werden. Die polizeiliche Kameraanlage zur Beobachtung der Flensburger Hafenspitze wurde zwischenzeitlich abgebaut. Das Erfordernis polizeilicher videografischer Beobachtung war nicht mehr gegeben. 23 polizeiliche Einsätze in den Sommermonaten des vergangenen Jahres rechtfertigten den weiteren Einsatz der Technik nicht.
Die offene Videoüberwachung an Kriminalitäts- und Gefahrenschwerpunkten in öffentlichen Räumen ist sicherlich ein geeignetes Mittel, die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu unterstützen. Videoüberwachung darf aber nur anlassbezogen und punktuell erfolgen. Einen flächendeckenden Einsatz von Videotechnik lehnt die Landesregierung ab.
Die landesrechtlichen Vorschriften zur erkennbaren Videoüberwachung öffentlichen Raumes im Landesverwaltungsgesetz und im Landesdatenschutzgesetz sind hierfür ausreichend. Für Regelungen, die eine weiter gehende Überwachung erlauben, besteht aus unserer Sicht keine Veranlassung.
Außerhalb der Normgebungskompetenz des Landes reichen die materiellen Voraussetzungen für den Videografieeinsatz in öffentlichen Räumen durch private und öffentliche Stellen, die nicht der Aufsicht des Landes unterliegen, derzeit nicht aus.
Die Landesregierung begrüßt, dass die Regelungslücke bei der anstehenden Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes geschlossen werden soll. Die Landesregierung wird sich in der zweiten Stufe der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes für eine stärkere Berücksichtigung der Änderungsvorschläge der Datenschutzbeauftragten einsetzen, die auf eine begründbare Gefährdungsgrundlage für bestimmte öffentliche und private Rechte abstellen. Auch stehen wir weiteren Vorschlägen zur Stärkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Zusammenhang mit videografischer Beobachtung offen gegenüber. Ich denke da beispielsweise an Überlegungen, die Verletzung des persönlichen Lebensbereiches durch ungerechtfertigte Videoaufzeichnung unter den Schutz des allgemeinen Kernstrafrechts zu stellen. Hierzu bedarf es allerdings noch vertiefender Erörterungen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns auf Antrag der CDU-Fraktion schon im Juni letzten Jahres mit dem Thema Videoüberwachung auseinander gesetzt. Herr Minister, nun liegt Ihr Bericht vor. Er umfasst gerade einmal sieben Seiten, das finde ich allein angesichts der Bedeutung des Themas schon erschreckend. Aber noch erschrekkender ist der Inhalt.
Es reicht nicht, dass wir im Landtag feststellen, die Rechtsgrundlagen reichten aus, sondern da bedarf es schon einer fundierten juristischen Analyse - die, Herr Minister, hat es nicht gegeben.
Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Rechtsgrundlage im Landesverwaltungsgesetz nicht ausreicht. Es gibt auch keine Analyse der kriminalpolitischen Notwendigkeit, keine Analyse zu den Gefahren der Videoüberwachung, keine Analyse der Erfolge der bisherigen Überwachungsmaßnahmen hier im Land. Herr Minister, das ist notwendig und darauf werden wir bestehen. Hier werden wir hartnäckig bleiben.
Ich verweise Sie darauf, was in anderen Bundesländern geschehen ist. Auch sozialdemokratisch legitimierte Bundesländer haben gehandelt. Ich verweise Sie auf das Land Brandenburg. Ich verweise Sie auf die gesetzgeberischen Maßnahmen, die in BadenWürttemberg getroffen worden sind.
Hier ist man vorangegangen. Es wurde eine klare Rechtsgrundlage geschaffen. Man hat sich unter anderem um die Frage gekümmert, wie lange Aufnahmen gespeichert werden dürfen. In Baden-Württemberg sind das 48 Stunden. All dies fehlt nach wie vor in Schleswig-Holstein.
Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass man sich in Brandenburg einmal - wir alle wissen ja um die gespannte Haushaltslage hier im Land - Gedanken darüber gemacht hat, wie die Kostensituation bei der Überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten aus
sieht. Dabei ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass man für die Überwachung eines akuten Kriminalitätsbrennpunktes etwa 20 Polizeibeamte benötigt. Für diese Aufgabe ergeben sich nach den Brandenburger Berechnungen allein Personalkosten von monatlich 80.000 DM. Die Erstbeschaffung einer Videoüberwachungsanlage ist mit zirka 100.000 DM zu veranschlagen, dazu kommen Wartungskosten in Höhe von zirka 40.000 DM. Sie wissen, dass wir ständig eine personelle Verstärkung der Polizei fordern, die Sie aus finanziellen Gründen ablehnen. Deshalb müssen wir auch aus finanziellen Gründen über einen effektiven, aber gesteuerten Einsatz von Videoüberwachung nachdenken. Herr Minister, ich erwarte, dass wir im Innenausschuss - dort werden wir initiativ werden über diese Frage noch einmal miteinander reden werden.
Ich bitte dringend darum, dass wir zu dieser Frage keine Schimären aufbauen. Niemand will eine flächendeckende Überwachung Schleswig-Holsteins mit Videoanlagen. Das will niemand.
Das haben wir nie gefordert. Herr Kollege Kubicki, auch wenn gerade die Freien Demokraten durch den Einsatz ihres zukünftigen Bundesvorsitzenden gegenüber Videotechnik im „Big-Brother-Haus“ eine neue Offenheit gezeigt haben, die mir allerdings zu weit ging: Niemand will eine flächendeckende Überwachung. Wir müssen aber erkennen, dass die Videotechnik und die Videoüberwachung notwendig ist, wenn wir an Kriminalitätsschwerpunkten wirklich handeln wollen. Deshalb fordere ich die Landesregierung auf: Kein schlichtes „Weiter so!“, sondern steigen Sie mit uns in eine konstruktive Debatte über einen effektiven und verantwortbaren Einsatz der Videotechnik ein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Bericht zur Videoüberwachung öffentlicher und privater Stellen in Schleswig-Holstein hat die Landesregierung den Landtagsbeschluss vom Juni des letzten Jahres abgearbeitet. Herr Wadephul, mit dem Beschluss des Antrages von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war auch die Ablehnung des CDU-Antrages verbunden, der inhaltlich doch schon etwas ande
res war. Denn in ihm wurde - wenn auch auf Umwegen formuliert - eine Ausweitung der Videoüberwachung im Lande gefordert.
Die grundlegende Diskussion über Sinn und Unsinn von Videoüberwachung im öffentlichen Raum brauchen wir nicht zu wiederholen. Die haben wir schon geführt. Wichtig bleibt es aber, zwischen der Bewachung von Gebäuden - beispielsweise dem Landtag -, der Überwachung öffentlich zugänglicher Räume wie Kaufhäusern, Tankstellen oder Geldautomaten und der Beobachtung öffentlicher Plätze und Straßen zu unterscheiden. Letzten Endes ist Konfliktthema nur der letzte Bereich. Trotz vieler neuer Beiträge zu diesem Thema sind Nutzen, Abschreckungspotenzial und auch kontraproduktive Wirkung weiterhin umstritten und werden es wohl auch bleiben. Videoüberwachung ist daher weder zwangsläufig gut noch schlecht. Vorund Nachteile sind in jedem konkreten Fall abzuwägen.
Da mit der Überwachung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeschränkt wird, bedarf es natürlich einer gesetzlichen Regelung. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon mit dem Volkszählungsurteil festgestellt. Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer wo was und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Im Landesverwaltungsgesetz und im Landesdatenschutzgesetz sind diese Regelungen ergänzt durch das Informationsfreiheitsgesetz teilweise schon enthalten.
Damit wären wir beim Punkt Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, das war der zweite Punkt unseres Antrages vom Juni letzten Jahres. Positiv ist zunächst einmal zu werten - der Innenminister hat das angekündigt -, dass der Bund eine Regelung der Videoüberwachung vornehmen will. Leider ist die angestrebte Reform des Bundesdatenschutzgesetzes prinzipiell etwas halbherzig. Die Übernahme von EU-Regelungen steht im Vordergrund. Die grundsätzliche Überarbeitung des Gesetzes ist aber immerhin angekündigt worden. Vielleicht wird es ja in dieser Wahlperiode noch etwas.
Die Regelung zur Videoüberwachung im neuen § 6 b des Entwurfs kommt unserer Position entgegen. Nachgebessert beziehungsweise klargestellt werden müssen allerdings folgende Punkte: Erstens die Meldung der Durchführung der Maßnahme an eine Datenschutzkontrollinstanz und zweitens die Benachrichtigung der Person, deren Daten dann tatsächlich ihr zugeordnet und verarbeitet, das heißt aufgezeichnet und gespeichert werden. Ich denke, nur so kann das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt bleiben. Ebenso muss den Prinzipien der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit Rechnung getragen werden. Das
gilt auch für eine mögliche Meldepflicht. Es bleibt nur zu hoffen, dass beim nächsten Anlauf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes diesen Maßgaben mehr Beachtung zuteil wird. Denn weniger die Frage „Big Brother“ und so weiter, sondern vielmehr die zunehmende Nutzung von E-Mail, Internet und ECommerce führen dazu, dass die Bedeutung des Datenschutzes zunimmt.
In der Ziffer drei unseres Antrages vom Juni letzten Jahres haben wir nach der Praktizierung der Videoüberwachung in Schleswig-Holstein gefragt. An dieser Stelle - da gebe ich Herrn Wadephul Recht - ist der Bericht wirklich sehr, sehr mager. Aber das ist ein Hinweis darauf, dass es in Schleswig-Holstein keine so erheblichen Gefahrenlagen auf Straßen und Plätzen gibt, dass ein Videoeinsatz gerechtfertigt wäre. Eine Dramatisierung des Themas entbehrt somit jeder Grundlage.
In diesem Zusammenhang ist - es ist schon darauf hingewiesen worden - vieles geregelt, aber es gibt keine Anzeigepflicht von Videoüberwachungsmaßnahmen gegenüber einer Kontrollinstanz. An diesem Punkt war der CDU-Antrag vom Juni vergangenen Jahres eigentlich gar nicht so schlecht,
weil er für überwachende öffentliche Stellen ein Antragsverfahren vorsah. Im Änderungsvorschlag der CDU zum Landesverwaltungsgesetz ist das dann allerdings nicht mehr enthalten. Den wollen wir im Februar beraten, vielleicht fügen Sie das ja noch ein.
Als Ergebnis bleibt festzustellen, dass für die Beobachtung von Kriminalitäts- oder Gefahrenschwerpunkten unsere bisherigen Regelungen ausreichen. Das Bundesrecht bleibt leider ergänzungsbedürftig. Gut ist, dass wir in Schleswig-Holstein ein anerkanntes Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz haben, das als kompetente Ansprechstelle zur Verfügung steht.
Das Wort meines Fraktionskollegen Klaus-Peter Puls aus dem vergangenen Jahr, dass der Schutzmann auf der Straße allemal besser ist als „Big Brother“, hat an Gültigkeit nicht verloren.
Und dieser Grundsatz sollte auch weiterhin unser Maßstab für einen sparsamen Einsatz der Videoüberwachungstechnik sein.
Den Bericht sollten wir natürlich im Innen- und Rechtsausschuss weiter und abschließend diskutieren, um insbesondere gerade zu den Punkten Melde- und Benachrichtigungspflicht mehr Klarheit zu erlagen. An diesen Punkten muss tatsächlich noch nachgearbeitet werden.
(Beifall bei SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])