Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Werner Kalinka [CDU]: Konzentration der Aufgaben!)

- Das finde ich alles in Ordnung; ich sage ja, die ersten vier Spiegelstriche hätten Sie auch selber recherchieren können; dazu brauchen wir die Landesregierung nicht. Wir Abgeordneten haben selber Möglichkeiten, so etwas zu recherchieren.

Ich möchte gern noch eine Frage aus Sicht der Landwirtschaft anschließen, die nach meiner Auffassung hoch brisant und wichtig ist. Das ist die Frage, wieweit der Seuchenbegriff bei BSE zutrifft. Das hat auch etwas mit der gesundheitlichen Einordnung zu tun, das hat aber enorme rechtliche Konsequenzen. Die Frage, ob BSE tatsächlich eine Tierseuche und deshalb nach dem Tierseuchengesetz zu behandeln ist, mit all den rechtlichen Konsequenzen, hat etwas mit den Anstekkungswegen, horizontalen Übertragungswegen und so weiter zu tun. Das ist eine Frage, die aus meiner Sicht dringend geklärt werden muss. Denn wir laufen hier in ein rechtliches Loch hinein, das uns allen noch erhebliche Probleme machen wird. Deshalb wäre es gut, wenn diese Frage in diesem Zusammenhang mit behandelt würde.

(Vereinzelter Beifall)

Das Wort erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Mitte der 80er-Jahre sind wir uns der Problematik von BSE bewusst. Etwas länger wird in diesem Bereich auch schon geforscht. Wie intensiv die Forschung letztlich betrieben wurde, darüber lässt sich gewiss streiten. Was wir jedoch bis heute über BSE, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit im Allgemeinen oder die neue Variante von Creutzfeldt-Jakob wissen, ist eher als gering einzustufen. Daher ist kaum damit zu rechnen, dass die Landesregierung in ihrem Bericht zur März-Tagung mit bahnbrechenden, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen wird. Darüber sollten wir uns leider schon heute im Klaren sein.

Wir versprechen uns jedoch trotzdem von dem Bericht, dass er in seinem weit gefassten Umfang für mehr Klarheit sorgen wird, zumindest beim einzelnen Leser.

(Konrad Nabel [SPD]: Bei der CDU!)

Seit Beginn der BSE-Krise in Deutschland wurden wir regelrecht überschwemmt mit diversem Informationsmaterial und wissenschaftlichen Ausführungen über BSE. Leider ist es aber nicht möglich, sich ein genaues Bild über die Qualität der Aufklärungskampagnen zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Es ist für den SSW aber in erster Linie wichtig, dass wir endlich einen vorsorgenden Verbraucherschutz bekommen. Damit meine ich, auch wenn wir die gesundheitspolitischen Aspekte von BSE derzeit kaum begründet haben, sind wir trotzdem verpflichtet, im Interesse der Menschen erst einmal vom Schlimmsten auszugehen.

Daher müssen wir aus vorsorgenden Erwägungen die Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion auf mehr Nachhaltigkeit unter Nutzung der Marktmechanismen der Ökonomie voranbringen. In diesem Rahmen könnte ich mir beispielsweise vorstellen, Sanktionsmöglichkeiten zur Steuerung der landwirtschaftlichen Produktion einzusetzen. Über viele solcher Punkte haben wir bereits diskutiert.

Ich möchte hier aber noch einmal einige konkrete Forderungen aufgreifen, die im Sinne einer vorsorgenden gesundheitspolitischen Initiative zu verstehen sind. So muss die öffentliche Förderung zum Beispiel an eine nachweislich umweltschonende und gesunde Produktionsweise gebunden werden. Sie soll nicht mehr auf Produktivitätssteigerungen, sondern auf Qualität

ausgerichtet sein. Wir fordern weiterhin die Förderung der betrieblichen Produktion eigener Futtermittel und das Verbot gesundheitsgefährdender Stoffe wie Antibiotika in der Tierproduktion, sofern sie prophylaktisch genutzt werden. Möglich wäre zum Beispiel auch die Bindung von Entschädigungszahlungen für auftretende Seuchen an die tiergerechte und umweltverträgliche Tierhaltung sowie die Förderung der Stärkung der Selbstkontrolle der Landwirtschaft, indem man empfindliche Strafen bei Nichteinhaltung von Bestimmungen vorsieht. Darüber hinaus benötigen wir eine Vielzahl von gesetzlichen Neuregelungen, um wieder eine nachhaltige Produktion zu bekommen, die meines Erachtens immer noch die beste gesundheitspolitische Initiative ist und die auch am schnellsten durchsetzbar ist. Am Beispiel Gelatine - Gelatine wird im Antrag ja genannt - wird sehr wohl deutlich, dass die Industrie bisher beispielsweise nicht auf Kartoffelstärke oder auf andere Produkte umgestellt hat, obwohl wir bis heute nicht sicher sein können, ob nicht auch Schweinegelatine schädlich sein kann. Insofern sind auch hier eine verstärkte Forschung und eventuell eine gesetzliche Regelung erforderlich.

Besonders wichtig sind aber rechtliche Erneuerungen auf EU-Ebene. So muss endlich mit Exporterstattungen Schluss sein. Es muss endlich mit Interventionszahlungen auf EU-Ebene Schluss sein. Hier wird deutlich, dass der bisherige Weg des Aufkaufs von Überschüssen nur auf die Produktionsmenge, aber nicht auf die Qualität ausgerichtet war. Allein diese Beispiele machen deutlich, dass wir nur durch die Änderung bisheriger Regelungen einen Wandel in der Land- und Ernährungswirtschaft herbeiführen können.

(Beifall beim SSW)

Darum sollte es uns gehen, wenn wir den Gesundheitsschutz schnell stärken wollen. Wir sollten unsere Unwissenheit auf jeden Fall nicht als Begründung dafür nutzen, dass wir, solange wir nichts Genaues wissen, erst einmal so weitermachen wie bisher. Das wäre der falsche Weg.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe zunächst zwei Wortmeldungen nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf. Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Graf Kerssenbrock das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Debatte findet in einem deutlich anderen Ton statt als die Debatte vor einem Monat. 53 % der Bevölkerung

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

kritisieren, dass in der BSE-Krise viel zu schnell nach Schuldigen gesucht wird, statt gründlich zu analysieren. Nur 21 % glauben, dass BSE bald eingegrenzt und bewältigt sein wird. Dies ist das Ergebnis einer Allensbach-Umfrage, zitiert in der „FAZ“ vom 14. Februar.

Es brennt offensichtlich wirklich auf dem Lande, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man sich die Stimmung bei den betroffenen Landwirten ansieht. Unsere Bauern blicken teilweise in eine wirklich düstere Zukunft und können ernsthafte, nachhaltige Perspektiven überhaupt nicht mehr erkennen. Sie stehen teilweise vor dem Nichts. Wer wird in Zukunft überhaupt noch Bauer werden wollen? Fragen Sie einmal bei Bauern nach, die die Erbfolgediskussion führen!

Auch in der Stadt ist natürlich eine unglaubliche Verunsicherung ausgebrochen. Die eigenen Kinder wollen kaum noch Fleisch essen. Man könnte fragen: Werden wir nun alle ein Volk von Vegetariern?

Diese Debatte macht deutlich: Niemand und schon gar nicht die Regierung hat den Schlüssel zur Bewältigung der Krise gefunden. Dieses Thema ist ein Thema der postindustriellen Gesellschaft, das uns noch lange auch mit völlig neuen Problembewältigungsmustern in Atem halten wird und halten muss. Ich will jetzt nicht all das aufzählen, was wir noch nicht wissen. Wir sind uns einig über das, was wir noch nicht wissen.

Jetzt kommen wir zur Verantwortung der Landesund der Bundesregierung. Man kann ihnen nur in engen Grenzen vorwerfen, dass in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr getan worden sei, was zur objektiven Bewältigung der Krise wirklich geeignet gewesen wäre. Frau Ministerin, Sie sollten aber auch nicht so tun, als hätten Sie anders gehandelt als die damalige EU-Kommission oder die damalige Bundesregierung. Niemand sollte diesen Eindruck erwecken. Das zeigt nicht zuletzt die traurige Amtszeit des Bundesministers Funke sehr deutlich, der in diesem Bereich ja überhaupt nichts verändert hat.

Gefordert ist eine seriöse Krisenbewältigungsstrategie. Herr Kollege Harms oder Herr Kollege Steenblock - ich weiß nicht mehr genau, wer von Ihnen dies angesprochen hat -, das Internet sollte jedenfalls nicht sozusagen zur neuen Regierung hochstilisiert werden. Für uns als Parlament muss die Regierung die Adresse sein, und zwar auch bei Anfragen, bei Berichterstattung und bei Krisenbewältigung.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Mit ein paar Prozent mehr Ökobetrieben ist es einfach nicht getan. Die EU-Nachbarn - dies ist nun einmal eine europaweite Frage - stehen teilweise schon hohn

lachend an der Grenze angesichts der Debatte, die hier in Deutschland geführt wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das einzig Mögliche ist jetzt, endlich die Weichen für Forschung, Forschung und noch einmal Forschung zu stellen, und zwar ohne Tabus. Dies ist auch eine hochschulpolitische Frage. Ich weiß, dass dies auch einen ernsten ethischen Kern berührt. Dabei stehen aber interessanterweise Ihr Bundeskanzler und Ihre Bundesjustizministerin im Wege.

Ich schließe mit einem Zitat der Demoskopin Köcher aus dem vorhin erwähnten Artikel der „FAZ“ vom 14. Februar 2001:

„Die wachsende Kluft zwischen immer kurzfristigeren... Erregungszyklen und den langfristigen und komplexen Aufgaben der Politik wird zunehmend zu einem Kernproblem moderner Demokratien. Das gilt für Deutschland noch mehr als für viele andere Länder aufgrund der Neigung, Sachdiskussionen zu Weltanschauungskriegen zu denaturieren.“

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. Ich möchte diesen Satz noch loswerden. Die Alles-im-Griff-Attitüde der Minister Künast und Müller - sie sitzen leider nicht hier - mag tagespolitisch vorübergehend demoskopisch gefallen. Sie wird die Minister noch einholen - mit gefährlichen Folgen für die Politik insgesamt.

(Glocke der Präsidentin)

Bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz, Herr Abgeordneter.

Jawohl. Was jetzt nötig ist, ist Nüchternheit, Ehrlichkeit und Problembewusstsein.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Harms, ich will noch einmal ganz deutlich machen, dass ich von diesem Berichtsantrag überhaupt keine bahnbrechenden, neuen Erkenntnisse von der Landesregierung erwarte, denn sonst hätten wir uns den Antrag sparen können. Es geht mir darum, dass tatsächlich ein Prozess des Umdenkens einsetzt, dass eine Änderung des Bewusstseins eintritt, dass uns klar wird: BSE und die Bewältigung dieser Problematik sind kein Thema, das sich auf Kühe, auf Kälber und auf Landwirte reduzieren lässt. Ganz im Gegenteil, es ist eine Problematik, die die Gesundheitspolitik im Kern betrifft.

(Beifall bei F.D.P., CDU und SSW)

Wir haben die Landesregierung nicht zu irgendwelchen Maßnahmen aufgefordert. Wir haben lediglich nach der Einschätzung der Landesregierung gefragt, ob und - wenn ja - wie dringlich etwa ein Screening menschlicher Operationspräparate lymphatischen Gewebes notwendig ist, ob nach Auffassung der Landesregierung eine Umstellung bei der Produktion von Impfmaterial erforderlich ist, ob die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Methoden zur Desinfektion in den Operationssälen gegeben ist und ob es - diese Frage wird ja immer wieder gestellt und über sie wird immer wieder diskutiert - möglicherweise, um das Risiko einzuschränken, ein Verbot von Blutspenden derjenigen Personen - ähnlich wie das derzeit in den USA, in Kanada, in Australien und Neuseeland der Fall ist geben solle, die sich in dem „Risikozeitraum“ in Großbritannien aufgehalten haben. Nichts anderes wollen wir mit diesem Antrag in Erfahrung bringen.

Man kann von der Landesregierung auch erwarten, dass sie konkret Stellung bezieht, ob sie solche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung für erforderlich hält und, wenn ja, ob sie diese Maßnahmen für so dringlich ansieht, dass sie sie, soweit sie das auf Landesebene tun kann, hier einleitet, oder ob sie den Ministern Künast, Schmidt und Müller den entsprechenden Rückenwind aus Schleswig-Holstein dafür gibt.

Das ist ein Anliegen, das berechtigt ist. Ich erhoffe mir sehr wohl neue Aufschlüsse darüber, wie sich die Landesregierung zu diesem Thema als gesundheitspolitischem Thema stellt.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile jetzt Frau Ministerin Moser das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Garg, eine Antwort kann ich Ihnen gleich geben. Die habe ich auch schon einmal im Sozialausschuss gegeben. Blutspenden von Personen, die sich über längere Zeit in England aufgehalten haben, werden seit - den genauen Zeitraum weiß ich jetzt nicht mehr einiger Zeit in Deutschland nicht mehr toleriert. Aber das ist nur eine Einzelheit.