Lassen Sie mich noch eines verdeutlichen, gerade nach dem Redebeitrag von Frau Kötschau - Frau Simonis hat sich eben ähnlich geäußert - und dem Vorwurf gegen die Standortschließungen unter Minister Rühe: Diese Standortschließungen waren damals notwendig, weil wir die Wiedervereinigung durchgeführt haben und weil wir internationale Verträge zu erfüllen hatten. Aber die derzeitigen Schließungen sind allein von Rot-Grün zu verantworten; sie sind freiwillig und von niemandem erzwungen.
Es ist doch mehr als selbstverständlich, dass, wenn die Reduzierung der Bundeswehr erfolgt und die Standortschließungen vorgenommen werden, die Konversionskosten vom Bund übernommen werden müssen. Darüber darf es gar keine Zweifel geben. Das kann doch nicht zulasten anderer Mittel gehen, die wir dringend benötigen, um den Norden und die Westküste des Landes für den europäischen Wettbewerb zu stärken. Das kann nicht umgetschintscht werden. Dann kommen wir gar nicht mehr hinterher. Die Situation ist schlimm. Wir werden hier nach alter Seeräuberart ausgeplündert. Das können wir nicht hinnehmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Nachricht des Abzugs der Bundeswehr aus meiner Heimatstadt Schleswig schlug bei uns ein wie eine Bombe,
bei den Soldaten, bei den Zivilbediensteten, bei ihren Familien, bei den Schleswigern, bei den Vereinen, bei den Verbänden, bei den Gilden, bei den Beliebungen, in der Geschäftswelt, überall. Schleswig galt in den 90er-Jahren unter dem damaligen Minister Volker Rühe nach der letzten Bundeswehrstrukturreform als sicherer Standort.
Schleswig - daran werden Sie sich sicherlich erinnern stand auch damals zur Disposition. Aber da wirklich alle Argumente - militärische, strategische, infrastrukturelle, verkehrstechnische, strukturpolitische und vor dem Hintergrund der freundschaftlichen Integration der Bundeswehr in die alte, traditionsreiche Garnisonsstadt Schleswig - für Schleswig sprachen, hat sich Verteidigungsminister Rühe damals entschieden: Schleswig muss Bundeswehrstandort bleiben.
Dafür waren wir ihm sehr dankbar. Trotz des Abzugs, Gaby Kötschau, von 30 %, der - Kollege Eichelberg sagte es ja eben - auf die deutsche Einheit - ein historisches Ereignis, für das wir nach wie vor alle gemeinsam sehr dankbar sein müssen - zurückzuführen ist: Schleswig blieb!
Nun hat Rühes Nachfolger, Minister Scharping, bei seiner Bundeswehrstrukturreform einen Kriterienkatalog für die Sicherung von Standorten aufgestellt, der exakt die eben genannten Punkte enthält: Militärische, strategische, infrastrukturelle, strukturpolitische, verkehrstechnische Kriterien und die Einbindung in die Bevölkerung sind von Standorten zu erfüllen, die Bestand haben sollen. Wirklich alle Kriterien, die Minister Scharping aufgenommen hat, werden von Schleswig heute wie damals erfüllt.
Aber Herr Scharping nimmt offensichtlich seine eigenen Kriterien nicht ernst. Auch Sie, Frau Simonis, haben seine Kriterien offenbar nicht ernst genommen, wie Sie ihn auch in der Vergangenheit nicht immer ernst genommen haben. Sonst hätten Sie, Frau Simonis, sich vehement für Schleswig eingesetzt; Sie hätten sich für Schleswig einsetzen müssen. Sie hätten - das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen - wenigstens auf meinen Brief antworten können und Sie hätten wenigstens von der Einladung, Schleswig einen Besuch zu machen und sich vor Ort von der Eignung
Frau Simonis, ich stelle fest, Sie sind eine schlechte Anwältin für die Garnisonsstadt Schleswig gewesen.
Sie haben es hingenommen, dass Verteidigungsminister Scharping von den 1.329 Dienstposten 1.139 abzieht
- ich bin gleich fertig -, das heißt, dass 190 Dienstposten bleiben, die Frage ist nur, wie lange. Das Ganze nennt er dann auch noch Standortsicherung. Meine Damen und Herren, das ist zynisch!
Ich hoffe sehr, dass sich Frau Simonis in Zukunft mehr für Schleswig einsetzen wird, wenn es darum geht, ihr Versprechen, das sie heute gegeben hat, einzulösen, nämlich dass sie sich als Landesregierung zur Verfügung stellt und hilft, wenn es um die riesigen Probleme geht, die Schleswig hat. Frau Simonis, wir nehmen Sie beim Wort!
Herr Landtagspräsident! Meine Damen! Meine Herren! Mir liegt daran, die Wunden, die unserem Land mit der Bundeswehrstrukturreform zugefügt wurden, zu kühlen. Vieles ist hier vom Podium zur Betroffenheit unseres Landes und zur Strukturreform der Bundeswehr gesagt worden. Als langjähriger Angehöriger der Streitkräfte - davon 24 Jahre in Schleswig-Hostein - kann ich manche Anmerkung, manche Kritik, aber auch manche Klage unterstreichen. Einige Einlassungen haben aber nur sehr wenig mit der realen Entwicklung zu tun.
Am meisten sollten sich die Grünen freuen, denn Sie, liebe Mitstreiter aus der Öko-Fraktion, sind Ihrem Ziel, ein bundeswehrfreies Schleswig-Holstein zu schaffen, ein gutes Stück näher gekommen.
Die Änderung der Grundhaltung der Sozialdemokraten zur Bundeswehr hat in diesen Monaten einen erfreulich positiven Höhepunkt erlebt. Das freut mich insbesondere für meine noch aktiven Kameraden. Durfte die
Bundeswehr noch vor wenigen Jahren in sozialdemokratisch regierten Gemeinden ihre Vereidigung nicht öffentlich abhalten, gehen jetzt die lieben Sozis - ich darf das einmal so sagen - für ihre Bundeswehr auf die Barrikaden.
Auch wenn es Rudolf Scharping - der alles versucht hat, es allen Recht zu machen - sehr treffen muss, so viele Genossinnen und Genossen ob seiner Entscheidung vergrämt zu haben, so habe ich manchmal das Gefühl, er hätte es lieber Volker Rühe überlassen, so viele Standorte auf der Liste in Schleswig-Holstein streichen zu müssen.
Hier einen Standort zu erhalten, bedeutet, anderswo einen Standort schließen zu müssen. Und dass insgesamt an den Streitkräften gespart werden musste, war uns doch zumindest zeitweilig allen Recht.
Kritik ist sicherlich angebracht, insbesondere an den Versprechungen, die gemacht wurden und zum Teil nicht gehalten werden konnten. Die Soldaten der Bundeswehr bedürfen weiterhin unserer solidarischen Unterstützung. Deshalb sollten wir gegenüber der Landesregierung Druck machen, den betroffenen Menschen und den Regionen im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen zu helfen und das natürlich mit Hilfe des Bundes.
Frau Ministerpräsidentin, nutzen Sie alle Möglichkeiten aus, beim Bund etwas mehr für unser Land herauszuschinden! Nutzen Sie in Berlin den Einfluss der Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen aus Schleswig-Holstein. Mein Landesvorsitzender, Jürgen Koppelin,
hat zu Recht moniert, dass er die Ausnutzung der gemeinsamen Möglichkeiten durch die Landesregierung in Berlin bisher vermisst hat.
Also, Schluss mit den Klagen! Schluss mit Schuldzuweisungen! Blicken wir nach vorn und machen wir gemeinsam das Beste aus dem glücklichen Umstand, auf einen Teil der Bundeswehr verzichten zu können!
(Beifall bei F.D.P., CDU und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW] - Günter Neuge- bauer [SPD]: Die letzten Sätze waren schön!)
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Benker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Eichelberg, niemand bestreitet, dass es notwendig war, nach 1990 einen Abbau der Bundeswehr in der Gesamtheit mit der NVA zu betreiben. Der entscheidende Fehler, der vorzuwerfen ist, ist der, dass eine Strukturreform in der Form, wie sie jetzt geschieht, nicht erfolgt ist. Nur dadurch ergeben sich die jetzigen Verhältnisse.
Nur dadurch ist es zu einer Änderung der Relation zum Beispiel zwischen ziviler Verwaltung und dem Militär gekommen. Das ist ein Manko. Dadurch ist bis 1995 auch ein Teil der Möglichkeiten „verfrühstückt“ worden. Das ist der Vorwurf, den man Rühe für die Vergangenheit machen muss. Es geht nicht darum, dass die Notwendigkeit besteht, etwas zu ändern. Ich wage zu behaupten, wir werden uns in zehn Jahren hier wieder sprechen und unter Umständen in gleicher Weise wieder für das Land kämpfen müssen, wie wir das in der Vergangenheit getan haben, weil dieser Prozess noch nicht zu Ende ist. Die Bedrohungslage und die Sicherheitssituation haben sich verändert, und zwar so entscheidend, dass hier etwas geschehen muss. Das muss man sich einfach vor Augen führen.