Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Aber doch nicht dauerhaft! - Beifall des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das hat überhaupt nichts mit dem Haushalt zu tun, sondern Sie werden unter Umständen - egal wo Sie in der Regierung sind - in gleicher Weise handeln müssen, weil die 47 Milliarden DM, die im Einzelplan 14 eingestellt sind, im Augenblick die Obergrenze darstellen.

Den einzigen Vorwurf, den Sie in den Verhandlungen machen können, ist ein taktischer. Herr Behm, Sie sagen, strategisch hätten wir uns damit abzufinden,

dass die Bundeswehr abgebaut werden müsse. Dann hätte man taktisch sagen sollen, wir setzen uns ausschließlich für einen Standort ein - sei es nun List, Schleswig oder ein anderer Standort. Das hat niemand von Ihnen getan.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Doch!)

- Nein, das hat niemand von Ihnen getan. Es hat niemand gesagt, darauf sollten wir uns spezialisieren. Herr Hentschel hat es in seiner Rede angedeutet. Sie haben gefordert, dass wir uns für alle betroffenen Standorte einsetzen. Das hat die Regierung getan. Sie hat das Gespräch gesucht und alle notwendigen Argumente aufgeführt und sie eingebracht.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Dass sie dann nicht in dem Umfang berücksichtigt worden sind, ist Schicksal, sage ich ganz einfach. Ich wiederhole, Herr Wadephul, wenn Sie sagen, alles sei null und null mal null sei null, dann vergessen Sie die vier Grundrechenarten. Wenn 550 Arbeitsplätze erhalten bleiben, die von Ihnen als Null bezeichnet werden, dann müssen Sie sie durch die Zahl der vorhandenen Arbeitsplätze teilen, denn die Grundrechenarten beinhalten auch die Division, und dann kommt Unendlich raus. Das heißt, diese Regierung hat unendlich etwas dafür getan, dass Arbeitsplätze in SchleswigHolstein erhalten bleiben. So weit zur Mathematik!

(Zurufe der Abgeordneten Klaus Schlie [CDU] und Thorsten Geißler [CDU])

Zu den Ausführungen von Frau Aschmoneit-Lücke möchte ich einen Punkt anführen. Die Entscheidung ist für Kiel gefallen. Deshalb bleibt das Wehrbereichskommando Nord in Kiel erhalten. Damit gibt es eine einheitliche Kommandostruktur für Kiel und für die Marine. Daher kann man nicht sagen, das sei eine Entscheidung gegen Kiel gewesen. Es wundert mich schon, dass die CDU als diejenige, die immer die Privatisierung fordert, plötzlich wie der Heizer auf der ELok auftaucht und sagt, die Bundeswehr müsse in vollem Umfang bestehen bleiben und dürfe nicht abgebaut werden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch Un- sinn!)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ein letzter Satz! Wer diese Standortkarte nicht im Kopf hat und sagt, in Schleswig-Holstein sei die Bun

(Hermann Benker)

deswehr völlig abgebaut worden, der betreibt Geschichtsklitterung und nichts anderes!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat - wenn Herr Abgeordneter Benker das Feld geräumt hat

(Heiterkeit)

Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich widerspreche dem Kollegen Hentschel eigentlich ungern.

(Zuruf von der CDU: Oh, oh!)

Ich finde auch, dass er eine ungemein interessante Diskussion angestoßen hat. Leider werden wir diese Diskussion hier heute nicht zu Ende führen können, da die Zeit dafür nicht ausreicht. Es mag sein, dass es richtig gewesen wäre, eine Diskussion über die Reform der Bundeswehr allein unter militärstrategischen Gesichtspunkten zu führen. Das wäre aber eine Diskussion gewesen, die an der Wirklichkeit vorbei geführt worden wäre, denn Tatsache ist ja, dass die Bundeswehr bis Anfang der 90er-Jahre zumindest im Landesteil Schleswig der größte Arbeitgeber war. Tatsache ist auch, dass aufgrund der massiven Präsenz der Bundeswehr Strukturen entwickelt worden sind, die nicht einfach weggewischt werden können. Das bezieht sich auf das gesamte kommunale Leben in unserem Landesteil. Darum ist es richtig und unumgänglich und keine Heuchelei zu sagen, man müsse auch andere Kriterien berücksichtigen. Für uns sind regionalpolitische Kriterien ganz wichtig.

(Beifall beim SSW)

Anderenfalls würde man die Menschen vor Ort und die Kommunen im Stich lassen.

(Beifall beim SSW)

Man könnte den Gedanken vielleicht ja einmal andersherum entwickeln:

Was wäre, wenn man - ehe man eine Bundeswehrreform beschlossen hätte - Konversionsprogramme beschlossen hätte? Was wäre, wenn man sich mit Strukturmaßnahmen von Bund und Ländern gemeinsam beschäftigt hätte? Wenn es so ein Programm gegeben hätte, hätten wir die Bundeswehrreform viel leichter durchkriegen können. Da bin ich sicher.

(Beifall beim SSW)

Natürlich begrüßen die Menschen, dass Bundeswehrpräsenz abgebaut werden muss, weil die sicherheitspolitische Lage so ist. Unsere Konklusion ist das, was im gemeinsamen Antrag zum Ausdruck gebracht wird: Wir müssen jetzt die Forderungen anpacken, die im Antrag formuliert werden. Wir müssen weiter die im Antrag formulierten zukunftsweisenden Strukturmaßnahmen, Konversionsprogramme und Hilfen für die Kommunen in Sachen Liegenschaften angehen.

Eine Bemerkung zum Beitrag meiner lieben Kollegin Frau Aschmoneit-Lücke: Ich finde es ungemein beruhigend, dass die F.D.P. unseren Antrag schon richtig eingestuft hat. So weiß man, dass die Welt - trotz des parteiübergreifenden Techtelmechtels - noch in Ordnung ist. Ich rede von unserem Berichtsantrag. Wir wissen noch nicht, was die Landesregierung berichten wird. Wir haben den Antrag gestellt, weil wir von der Landesregierung etwas hören wollen. Sie können sicher sein, dass diese Fakten nicht für das Wirtschaftsarchiv sein werden, sondern von uns genutzt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, kommen Sie zum Schluss!

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Wir wollen Fakten haben, weil wir in Sachen Verwaltungsreform noch nicht das Ende der Fahnenstange sehen. Wir und auch alle anderen - werden von allen möglichen Institutionen im Lande gefragt: „Wieso sind immer wir von Schließungen bedroht?“

(Glocke des Präsidenten)

Das ist der Hintergrund unseres Antrages. Er ist sehr aktuell.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold zu einem Kurzbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme noch einmal nach vorn, um deutlich zu machen, was wir hier munter durcheinander mischen. Es geht um die Situation der Regionen, die vom Abbau betroffen sind. Ich habe für jeden Verständnis, der hier nach vorn kommt und sagt: Ich muss sehen, dass in meiner Region Arbeitsplätze erhalten bleiben. Für

(Monika Heinold)

mich steht jedoch im Vordergrund, dass es um die sicherheitspolitische Lage geht.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Da besteht ein Dissens zwischen uns und der CDU. Herr Wadephul geht nach vorn und sagt: Sicherheitspolitisch sei das nicht vertretbar. Anschließend kommen alle regionalen Abgeordneten und sagen, warum sie die Bundeswehr mehr oder weniger als regionale Beschäftigungsgesellschaft zur Kaufkraftstützung brauchen. Kommen Sie nach vorn und begründen Sie sicherheitspolitisch, warum das Konzept nicht stimmt!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Weiter geht es um die Frage des Ländervergleichs, nämlich wie Schleswig-Holstein abgeschnitten hat. Wenn wir uns die Zahlen angucken, dann gibt es - so meine ich - einen Konsens darüber, dass wir deutlich besser abgeschnitten haben als 1995.

(Klaus Schlie [CDU]: Nein!)

1995 wurde die Bundeswehr insgesamt um 10 % abgebaut. Schleswig-Holstein war mit 30 % betroffen. Wir waren überproportional beteiligt. Gucken wir uns die Zahlen an, wie sie heute sind: Wir sehen, dass Schleswig-Holstein - wenn man die Anzahl der Bundeswehrstandorte und deren Reduzierung zugrunde legt - besser abschneidet als manch anderes Bundesland.

Sie sagen, Scharping sei ungeschickt gewesen. Ich will gar nicht bewerten, ob jeder Schachzug von Scharping geschickt war.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Dissens zu Herrn Hentschel!)

Herr Stritzl spricht von Ehrlichkeit. Sie erwarten, dass ein Verteidigungsminister mehr Abbau ankündigt, um dann auf Druck der Länder Teile zurückzunehmen, damit die einzelnen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Erfolge vorweisen können. Das ist die Verlogenheit. Das ist das, was Sie erwarten. Herr Scharping könnte nun sagen: Okay, dann kündige ich nächstes Mal für Schleswig-Holstein 15 Standorte zur Schließung an, lass das Land für drei kämpfen, schließe zwölf, damit der Erfolg da ist. Das hat mit Ehrlichkeit und den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])