Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Je nach Windrichtung wäre mindestens ein Ostseeanliegerstaat betroffen. Dies zeigt, dass auch innerhalb der Ostseekooperation die Zusammenarbeit in der Schiffssicherheit verstärkt werden muss.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [F.D.P.])

Der überwiegende Teil der Im- und Exporte der Ostseeanlieger wird auf dem Seeweg von und zu den Ostseehäfen transportiert. Dies ist ganz in unserem Sinne, denn auch in diesem hohen Hause gilt „from road to sea". Viele Hafenstädte der östlichen Ostsee erhöhen ihre Umschlagskapazitäten. In der Folge steuern zunehmend größere Schiffe diese Häfen an. Das Risiko wächst täglich.

Im Schnitt befahren zurzeit etwa drei bis vier große Tanker sowie fünf große Massengutfrachter täglich die Kadetrinne beziehungsweise bis zu 40.000 Schiffe sind in diesem Seegebiet jährlich unterwegs. Der Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes ist dieses zunehmende Problem bekannt. Aber bei der Kadetrinne handelt es sich um ein Grenzgebiet zwischen Dänemark und Deutschland. Für alle Maßnahmen wie zum Beispiel der Lotsenpflicht für Tanker oder der Radarüberwachung ist zunächst die Zustimmung Dänemarks erforderlich. Dazu müssen auch noch die Gremien der EU sowie der IMO zustimmen. Bei diesen Verhandlungen auf internationaler Ebene sitzt die Tankerlobby aus Griechenland und Zypern mit am Tisch. Sie alle hier in diesem hohen Hause können sich vorstellen, wie lange diese Verhandlungen dauern werden.

Die Verbesserung der Betonnung sowie die bestehenden Seezeichen in der Kadetrinne sind durchgeführt worden. Trotzdem werden diese Maßnahmen nicht ausreichend zu Erfolg führen, solange Schiffe aus Billigflaggenstaaten mit einer nautischen Crew zur Befahrung der Kadetrinne den so genannten Shell

(Wilhelm-Karl Malerius)

Atlas und nicht die neuesten zugelassenen Seekarten benutzen.

(Heinz Maurus [CDU]: Richtig! - Vereinzel- ter Beifall bei der SPD)

Die Forderung nach einer gut ausgebildeten Crew auf allen Schiffen muss oberste Priorität haben. Die weltweite Einführung des AIS - Automatic Identification System - ab dem Jahr 2002 wird zu entscheidend mehr Sicherheit im Schiffsverkehr führen. Durch das AIS ist der Standort eines Schiffes zu jeder Zeit erkennbar, der Name des Schiffes, der Tiefgang, die Länge und Breite, die Art der Ladung sowie der Bestimmungshafen jederzeit abrufbar.

Oberstes Ziel der Sicherung der Verkehrswege ist die Gewährleistung der Sicherheit und der Leichtigkeit des Schiffsverkehrs. Dazu gehört eine effektive Verkehrsüberwachung und -lenkung, besonders in engen und dicht befahrenen Rinnen. Hier ist die Bundesregierung gefordert, rechtzeitig zur Einführung des AIS alle erforderlichen Baumaßnahmen, das entsprechend geschulte Personal sowie alle dafür notwendigen Gerätschaften und Programme zur Verfügung zu stellen.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Joachim Behm [F.D.P.])

Darüber hinaus sind aber auch Vorkehrungen für den Eintritt von Unfällen zu treffen, um Schäden für Menschen und die Umwelt zu vermeiden beziehungsweise zu begrenzen.

(Glocke des Präsidenten)

Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Abgeordneter.

Die Landesregierung kann und muss dies sowie eine schnelle Durchführung der erforderlichen Maßnahmen vom Bund fordern. Wir alle in diesem hohen Haus sollten sie dabei nach allen Kräften unterstützen. Die SPD-Landtagsfraktion wird dem Berichtsantrag zustimmen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Geißler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die Initiative der F.D.P.Fraktion, mittels des vorliegenden Antrags die Landesregierung aufzufordern, über den Stand der Sicher

heitsmaßnahmen gegen Schiffsunfälle in der westlichen Ostsee und die Maßnahmen gegen die Folgen solcher Unfälle zu berichten.

Mehr als zwei Jahre nach der Havarie der „Pallas“ besteht Anlass, Bilanz zu ziehen, ob Konsequenzen im Hinblick auf mögliche Schiffsunfälle, gerade auch in der westlichen Ostsee, in ausreichendem Maße gezogen worden sind.

Der Kollege Steenblock, der ja Erfahrungen mit Schiffshavarien hat, hat in der Sitzung des Landtages am 28. September 2000 erklärt, er habe sich einmal mit der Situation der Ostsee beschäftigt, mit den Fragen der Schiffssicherheit, der Radarüberwachung und der Luftüberwachung Er hat das Fazit gezogen, man könne nur beten, dass in diesem Bereich nichts passiere. Es sei ein noch viel schlimmeres Loch vorhanden, was die Kooperationsfähigkeit der Ostseeanrainerstaaten gerade in Bezug auf Schiffssicherheit und Ölbekämpfung angeht. Wenn diese Bewertung richtig ist - und ich habe keinen gegenteiligen Hinweis -, dann muss ein Bericht der Landesregierung auch deutlich machen, warum die vergangenen nahezu zweieinhalb Jahre nicht genutzt wurden, um die Schwachstellen im Bereich der Ostsee zu schließen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Dazu wird mit Sicherheit auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Bundesregierung gehören, die zwar zügig eine unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“ eingesetzt hatte, deren Empfehlungen aber nahezu ignoriert hat. Von dem in dem Bericht der Expertenkommission am 16. Februar 2000 insgesamt 30 unterbreiteten Empfehlungen wurden gerade zwei zügig verwirklicht. Auch der von der Bundesregierung am 21. Juli 2000 vorgelegte Entwurf eines Seeschifffahrtsanpassungsgesetzes enttäuscht. Wer von diesem Gesetz eine Modernisierung bei der Vermeidung von Havarien und des Havariemanagements erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Schwerpunkte des Gesetzentwurfes liegen ganz woanders, nämlich darin, die Untersuchung von Seeunfällen aus der öffentlichen Beobachtung zu nehmen. Das ist ein katastrophaler Fehler.

(Heinz Maurus [CDU]: Skandal!)

Es ist jedoch keineswegs so, dass die Organisationsund Informationsstrukturen und die personelle wie technische Ausstattung zur Vermeidung und zum Management von Havarien auf See völlig ausreichend wären. Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission, aber auch der Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses unseres Landtages weisen ein erhebliches Optimierungspotenzial zur Fortentwicklung der maritimen Notfallvorsorge auf, so

(Thorsten Geißler)

wohl im Bereich des Bundes als auch bei den Küstenländern wie auch im internationalen Bereich.

Es gibt Mängel in der Notschleppkapazität sowie Fragen zur Sicherheit des Schiffsbetriebs. Die Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten sind teilweise ergänzungsbedürftig. Veränderungen bei Seeunfalluntersuchungen und Flaggenstaataufgaben sind erforderlich. Entscheidungsstrukturen müssen gestrafft, Haftungsund Versicherungsfragen geklärt werden. Es gibt umweltpolitische Fragestellungen. Letztlich sind Technik, Meldewesen und Ausbildung zu überprüfen. Wir erwarten von der Bundesregierung, aber auch von der Landesregierung, dass ein überarbeitetes Sicherheitsund Notfallkonzept für Nord- und Ostsee auf der Grundlage der entsprechenden Empfehlungen der Expertenkommission vorgelegt wird.

Handlungsbedarf ist gegeben. Wir alle freuen uns darüber, wenn der Umschlag in unseren Häfen wächst und der Fährverkehr zunimmt. Aber die Zunahme des Schiffsverkehrs birgt natürlich auch Risiken, denen präventiv entgegengewirkt werden muss. Die Entwicklung im Schiffsverkehr geht in Richtung Großcontainerschiffe, Großfähren und Großtanker, die mit bis zu 120.000 tdw in die Ostsee einlaufen sowie Passagierschiffe mit 2.000 bis 5.000 Personen an Bord. Auf unzähligen mittleren Spezialschiffen bis zur Größe von 30.000 tdw wird Gefahrgut transportiert. Allein in der Kadetrinne werden jährlich 55.000 Schiffsbewegungen registriert. Dabei werden rund 80 Millionen t Öl oder Ölprodukte durch das flache und schwierig zu fahrende Gewässer geschifft. In der Kieler Bucht sind es etwa halb so viel. Da die Ostsee ihr Wasser unter anderem mangels Gezeiten nur alle 25 Jahre erneuert, würde schon eine kleine Tankerhavarie eine Riesenkatastrophe für die Küste darstellen.

Es geht nicht darum, Schreckensbilder zu malen, aber Fragen müssen gestellt und beantwortet werden. Wie können Katastrophen wie dem „Pallas“-Unglück oder der „Estonia“-Havarie vorgebeugt werden? Wie kann Ölhavarien vor der deutschen Küste vorgebeugt werden? Wie kann Explosionen von Gefahrgütern auf Fähren begegnet werden? Welche Möglichkeiten bestehen, in großem Umfang Evakuierungen von Fähroder Passagierschiffen im Havariefall vorzunehmen? Dazu muss der angeforderte Bericht Stellung nehmen. Übrigens gilt auch hier der Grundsatz, dass Präventionsmaßnahmen billiger als die Beseitigung von Schäden sind. Eine Verbreiterung der Fahrrinne zwischen Rostock und dem dänischen Gedser würde etwa 3 Millionen bis 4 Millionen DM kosten. Dieser Betrag nimmt sich gegenüber den 30 Millionen DM, die bei der „Pallas“-Havarie als Folgekosten entstanden sind, doch recht bescheiden aus.

Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 30. Dezember 1999 heißt es völlig zu Recht:

„Schiffshavarien führen in aller Regel zu sich überlagernden Ereignisabläufen. Dies fordert ein fachlich interdisziplinäres und mit kurzen Entscheidungswegen ausgestattetes Unfallmanagement. Zeitversäumnisse in der Anfangsphase führen zu einer unbeherrschbaren, in die Katastrophe führenden Eigendynamik von Havarien. Deshalb muss das Unfallmanagement kurzfristig verfügbar und handlungsfähig sein sowie uneingeschränkt über die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen des Bundes und der Küstenländer verfügen.“

Wir erwarten von der Landesregierung eine ungeschminkte Bestandsaufnahme und konkrete Zeitpläne für vorzunehmende Verbesserungen. Da Schwachstellenanalysen und auch konkrete Vorschläge von Expertenkommissionen längst vorliegen, steht einer zügigen Erarbeitung des Berichts nichts entgegen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Jetzt hat das Wort die Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die F.D.P.-Fraktion beantragt heute einen Bericht der Landesregierung von Schleswig-Holstein zur Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee. Dafür ist ihr zu danken, denn wir können natürlich aus den verschiedenen Gefahrensituationen, die wir in der Zwischenzeit leider zur Kenntnis nehmen mussten - der heutige Zeitungsartikel der „Kieler Nachrichten“ weist darauf noch einmal deutlich hin, Herr Behm hat das hier zitiert -, entnehmen, wie wichtig das ist.

Als eine Lehre aus dem „Pallas“-Unglück wurden die Strukturen für das Unfall- und Katastrophenmanagement für die Nord- und die Ostsee verbessert. Mit der dänischen Regierung konnte seitens der Landesregierung eine Vereinbarung getroffen werden, mit der eine bessere gegenseitige Information sichergestellt werden kann. Erste wichtige Teilschritte zur Straffung der Entscheidungsstrukturen, zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit und zur Verbesserung der Feuerlöschfähigkeiten hat die Landesregierung eingeleitet beziehungsweise umgesetzt. So viel zu dem, was die Landesregierung unmittelbar tun konnte.

(Irene Fröhlich)

Wir begrüßen die Initiativen der Umweltministerkonferenz der norddeutschen Länder zur Neuorganisation des Unfallmanagements bei den Ländern und beim Bund und zur Verbesserung der Schiffssicherheit im Bereich des Tankschiffsverkehrs bei der Europäischen Union.

Es ist aber nicht zu verkennen, dass die Mühlen der Regierung beziehungsweise der Verwaltung langsam arbeiten, viel langsamer, als uns das lieb sein kann. Tatsächlich kann man nur dankbar sein, dass bisher bei den verschiedenen kritischen Situationen oder auch Zusammenstößen, wie erst kürzlich beim Zusammenstoß eines Massengutfrachters mit einem Tankschiff, nicht mehr passiert ist. Tatsächlich haben wir ja einige Tage den Atem angehalten und uns gefragt, ob Öl ausläuft oder nicht. Wir haben in der Ostsee einfach Glück gehabt, was möglicherweise auch mit der besonderen Situation in der Ostsee zu tun hat. Ich weiß es gar nicht genau. Das müsste sicherlich auch noch mitgeteilt werden. Bei der „Pallas“ hat ja die Sturmsituation eine besondere Rolle gespielt und zum Glück ist kein Katastrophenfall eingetreten.

Diese Mühlen mahlen also langsam. Darum ist es auch wichtig, dass wir uns an dieser Stelle im SchleswigHolsteinischen Landtag einig sind. Das gilt besonders dann, wenn die Innenministerien und die Umweltministerien von fünf Küstenländern und des Bundes sowie das Bundesverkehrsministerium, das Bundeslandwirtschaftsministerium und das Verteidigungsministerium sowie zahlreiche Bundes- und Landesbehörden beteiligt sind, die alle ihre eigenen Interessen, Bedenken und Befindlichkeiten haben und in diesen Prozess einbringen. Umso wichtiger ist es, dass wir an dieser Stelle mit einer Stimme sprechen können.

Wir Grünen setzen uns ein für eine Verkehrsverlagerung „from road to sea“. Deshalb haben wir auch ein besonderes Interesse daran, dass das umweltverträglichste Güterverkehrsmittel, der Schiffsverkehr, einen hohen Sicherheitsstandard aufweist und dass die Rahmenbedingungen stimmen.

Bezüglich der Nordsee unterstützen wir den eingeleiteten Prozess zur Bildung einer Küstenwache, einer Führungseinheit in diesem Rahmen, die ständig einsatzbereit ist, und zur Bildung eines Havariekommandos, das im Notfall die gesamte operative Leitung übernimmt. Die Vorschläge der Grobecker-Kommission sind erste Schritte in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass sie nun endlich zügig umgesetzt werden.

Im Bereich des Wattenmeerschutzes an der Nordsee hat es in der Diskussion einen neuen Aspekt gegeben. Ich meine die Forderung nach einer Particulary Sensitive Sea Area - ich habe schon einmal darauf hingewiesen, abgekürzt PSSA -, also die Forderung nach

der Ausweisung des gesamten Wattenmeeres von Holland bis Esbjerg als „besonders empfindliches Meeresgebiet“. Eine solche Initiative bietet sich geradezu an, da die trilaterale Konferenz damit die Möglichkeit hätte, von sich aus einen weiteren Schritt voranzugehen.

Die Ausweisung eines solchen Gebietes nach internationalem Recht könnte eine Reihe von Punkten grenzüberschreitend regeln und hätte zugleich auch Verbindlichkeit außerhalb der nationalen Gewässer. Dazu liegt vom WWF jetzt ein ausgearbeiteter Vorschlag vor, der als Grundlage für die weitere Beratung auch in Bezug auf die Ostsee dienen kann.

Dazu gehört nämlich die Einrichtung einer Eingreifund einer Überwachungszone außerhalb der eigentlichen Schutzzone, die Verlegung von Seeschifffahrtsstraßen weiter weg von der Küste, die Einrichtung einer gemeinsamen Zentrale für Havariefälle, die Ausweitung der Lotsenpflicht und der Begleitung durch Schlepper in kritischen Gewässern, um nur einige Forderungen zu nennen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Aus meiner Sicht - und das würde dann auch in einem Bericht zu beantworten sein - werden wir sehen müssen, welche Punkte davon auch für den Bereich der westlichen Ostsee angemessen sind. Auf jeden Fall möchte ich auch erklärt haben - aber das geht eigentlich aus der Fragestellung des Antragstellers hervor -, ob zum Beispiel eine Vertiefung der Kadetrinne ohne Weiteres möglich ist, ohne das natürliche Gleichgewicht in der Ostsee massiv zu stören.