Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

(Caroline Schwarz)

Nur eines, Frau Birk, kann ich mir nicht verkneifen: Ich bin persönlich richtig ein bisschen beleidigt, dass Sie mir unterstellen, dass ich ein Heimatmuseum für die schleswig-holsteinische Landesgeschichte errichten wollte. Das hat mich getroffen. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Damit ist die Geschäftsgrundlage, auf der wir abstimmen, klar. Wir befinden uns jetzt in der Abstimmung.

Wer dem gemeinsamen Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, F.D.P. und SSW in der Sache zustimmen möchte, den darf ich um sein deutliches Handzeichen bitten. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der gemeinsame Antrag in der von Caroline Schwarz vorgetragenen Fassung vom Hause einstimmig angenommen worden. Herzlichen Glückwunsch!

Tagesordnungspunkt 20 ist erledigt.

Ich darf, bevor ich Tagesordnungspunkt 11 aufrufe, den Vorsitzenden der DAG, Herrn Dietmar Katzer, in der Loge begrüßen.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Antrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/725 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich die Aussprache eröffnen. Das Wort für den Antragsteller, die F.D.P.-Fraktion, hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es wird von niemandem ernsthaft bestritten, dass eine Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahre 1972 notwendig ist. Wer hier fundamentale Verweigerungshaltung an den Tag legen sollte, der hat die Zeichen der Zeit mit Sicherheit nicht erkannt. In einer Zeit, die von Begriffen wie „Just in time“, New Economy und Globalisierung geprägt ist, muss auch die Gesetzeslage den geänderten Verhältnissen angepasst werden. Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört natürlich auch, dass der Begriff Sozialpartnerschaft mit neuen Ideen gefüllt wird.

Der Gedanke der Sozialpartnerschaft hat im Bereich der Mitbestimmung seinen Niederschlag gefunden und zum Ausgleich der Interessen in den einzelnen Betrie

ben geführt. Sozialpartnerschaft ist eines der Kernstücke der sozialen Marktwirtschaft.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher bedeutet aber Sozialpartnerschaft auch, dass beide Partner, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, bei einer solchen Reform berücksichtigt, das heißt von vornherein gleichberechtigt einbezogen werden müssen.

(Beifall bei F.D.P., CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso unverständlicher ist deshalb der jetzige Reformentwurf. Mögen Sie ihn „Kompromiss“ oder „ersten Entwurf“ oder „zweiten Entwurf“ nennen, das ändert nichts an der Tatsache.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Reformpläne gehen eindeutig in die falsche Richtung, Herr Kollege Hentschel. Hier wurden in der Hauptsache einseitig belastende Arbeitgeberregelungen geschaffen, die geeignet sind, eben diese gewachsene Sozialpartnerschaft aufs Spiel zu setzen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeitgeber, die jetzt keinen Betriebsrat haben!)

So wird mit dieser Gesetzesänderung von der von allen politischen Kräften immer wieder beschworenen Mittelstandsförderung Abstand genommen. Ich kann die Zwischenrufe aus Ihren Reihen eigentlich gar nicht verstehen, denn das hat selbst Ihr eigener Wirtschaftsminister ganz genauso gesehen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Dieser Entwurf - wie er jetzt als Kompromiss vorliegt - ist doch ganz offensichtlich nichts anderes als ein Bonbon für die Gewerkschaften, die sich in letzter Zeit von der rot-grünen Mehrheit in Berlin etwas vernachlässigt gefühlt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kann denn von einer demokratischen Teilhabe und von einem demokratischen Wahlgedanken gesprochen werden -

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Es würde Ihnen gut tun, Herr Hentschel, wenn Sie ab und an einmal zuhören würden, bevor Sie sich hier

(Dr. Heiner Garg)

wieder als Wirtschaftsexperte aufführen und Unsinn reden.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Er soll einmal die Narrenkappe aufsetzen, den Stahlhelm!)

Kann denn von einer demokratischen Teilhabe und von einem demokratischen Wahlgedanken gesprochen werden, wenn durch eine so genannte Vereinfachung und Entbürokratisierung des Wahlverfahrens dafür gesorgt werden soll, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer dazu gezwungen werden, sich dem Willen einer kleiner Minderheit von Funktonären zu beugen?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

Welches Verständnis von Sozialpartnerschaft steht eigentlich dahinter, wenn die beiden wichtigen Schwellenwerte des Betriebsverfassungsgesetzes zulasten eines der Sozialpartner abgesenkt werden sollen? Diese Absenkungen führen doch dazu, dass erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen gerade für kleinere und mittlere Betriebe entstehen.

(Vereinzelter Beifall bei F.D.P. und CDU - Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

Da hilft es auch nicht, die vermeintlichen Entlastungen durch die Steuerreform gegenrechnen zu wollen: Gerade die kleineren und mittleren Betrieben profitieren erst - wenn überhaupt - im Jahr 2005 von der Steuerreform.

Es bedarf auch nicht der seherischen Weitsicht einer Kassandra, dass diese neue Regelung Arbeitsplätze kosten wird Arbeitsplätze auch in SchleswigHolstein. Herr Minister Rohwer, in der „SchleswigHolsteinischen Landeszeitung“ vom 8. Februar 2001 waren Sie jedenfalls noch dieser Auffassung. Ich frage Sie heute: Wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, dann sollten Sie das hier heute klipp und klar sagen. Ihre fünf sozialdemokratischen Wirtschaftsministerkollegen fragen Sie dann bitte freundlicherweise gleich mit. Denn immerhin waren es mit Ihnen sechs sozialdemokratische Landeswirtschaftsminister, die genau diese Überlegungen angestellt und genau gegen den erklärten Willen ihrer eigenen Partei vorgebracht haben. Da wird dann von ungeahnter Seite Schützenhilfe für die Arbeitgeber, die das Risiko eines Betriebes tragen - das sollte man ruhig einmal wiederholen -, geleistet.

Schade nur, Herr Hay, dass Sie das für die SPDFraktion nicht ganz genauso sehen, denn gerade kleinere Betriebe, die an den vorgegebenen Schwellenwert kommen, werden es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie neue Mitarbeiter einstellen oder einfach weitere zusätzliche Überstunden „fahren“. Da braucht man sich dann nicht darüber zu wundern, wenn Inve

stitionen in den Betrieben zurückgestellt oder gar nicht vorgenommen werden.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn!)

Aber, Herr Hay, auch Sie erhielten ja tatkräftige Unterstützung für Ihre Position, und zwar vom CDULandesvorsitzenden höchstpersönlich - jetzt ist er leider nicht hier -, Herrn Wadephul. Denn Herr Wadephul sucht jetzt ebenfalls den Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Bei näherer Betrachtung ist das eigentlich auch gar nicht so sonderlich überraschend, denn die CDU ist für die Unternehmer in dieser Frage schon längst kein zuverlässiger Ansprechpartner mehr. Deswegen versucht es Herr Wadephul eben mit der anderen Seite.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Jetzt ist der Bart ab!)

Herr Kayenburg, da mache ich mir wirklich ernsthaft Sorgen, aber um die Union.

(Der Abgeordnete Dr. Johann Wadephul [CDU] betritt den Plenarsaal)

- Jetzt ist er wieder hier.

Ich frage mich, wie sich die Hinzuziehung des Betriebsrates bei allen Fragen des betrieblichen Umweltschutzes mit der Investitionsneigung von Arbeitgebern in Einklang bringen lässt. Auch dieses Problem hat im Übrigen der Wirtschaftsminister - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wadephul - völlig richtig verstanden. Weil mittlerweile Investitionsentscheidungen eines Betriebes von fast allen Belangen des Umweltschutzes berührt sind, kann hier in Zukunft jeder Einspruch die Investition verhindern. Soll es das denn wirklich sein?

Darüber hinaus sind die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Mitbestimmung und die Ausweitung des Betriebsbegriffes geeignet, die gewachsenen Strukturen gerade kleinerer Unternehmen empfindlich zu stören. Die entsprechende Bestimmung sieht doch ganz danach aus, als habe ein Leiharbeitnehmer in Zukunft das Wahlrecht in gleich zwei Betrieben. Hier wird doch bereits im Entwurf wieder neuer Interpretationsspielraum geschaffen Nachbesserungsbedarf wird also quasi serienmäßig mitgeliefert - und, liebe Kolleginnen und Kollegen, da fühlt man sich an den fabelhaften Start dieser Bundesregierung erinnert. Denn da verhielt es sich mit einigen Gesetzeswerken genauso. Jetzt ist aber die Chance gegeben, diesen Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Dies bedeutet auch, dass solche Ungereimtheiten vor Inkrafttreten geändert werden müssen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich zu erfahren, Herr Minister Rohwer, ob Sie eigentlich seitenlang Ihre Privatmeinung zum

(Dr. Heiner Garg)

Besten gegeben haben oder ob Sie für die gesamte schleswig-holsteinische Landesregierung gesprochen haben.

(Beifall bei der F.D.P.)