Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

(Beifall bei der CDU)

Vielleicht ist es auch eine Bezahlung dafür, dass sie beim Rentenkompromiss stillgehalten haben. Jedenfalls ist dies für die Wirtschaft ein teures „basta!“, das da gesprochen wird.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieser Gesetzentwurf dient an keiner Stelle einer Verstärkung der sozialen Partnerschaft, sondern zementiert das Denken in Verbandsstrukturen. Er beschneidet die Rechte einzelner Mitarbeiter und verstärkt die Rechte von Gewerkschaften. Hier geht es eben nicht um mehr Partnerschaft, hier geht es um die Unterstützung von Gewerkschaften. Das kann und darf so nicht sein.

Wenn wir über moderne Technologien sprechen, dann möchte ich zitieren, was ein Betriebsratsvorsitzender aus der Computerbranche nicht ohne Grund sagt:

„Die Gewerkschaften helfen uns nicht; wir wissen besser über unsere Bedürfnisse Bescheid.“

Das ist der Punkt. Geben wir doch denen, die ihre Kollegen vertreten wollen, die Chance. Geben wir nicht den Gewerkschaften die Chance, alles, was in den Betrieben an Initiative da ist, unterzubuttern.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Mit diesem Gesetz wird die soziale Partnerschaft konterkariert. Insbesondere in den Hightech-Unternehmen führt die Gängelung dazu, dass wir für Betriebsräte und soziale Partnerschaft keine adäquaten Strukturen bekommen. Auch die vom Bundeswirtschaftsminister zu Recht angebrachte Kritik ist an keiner Stelle eingeflossen.

(Jutta Schümann [SPD]: Stimmt ja gar nicht!)

Im Gegenteil, die neue Betriebsverfassung ist der heutigen Arbeitswelt nicht angepasst, sondern für die Wirtschaft teurer. Sie ist bürokratisch und sie führt zu Belastungen, die Arbeitsplätze und insbesondere das Steueraufkommen - auch in unserem Land - nachhaltig belasten werden.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Dieser Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit wird vom Handel und vom Mittelstand abgelehnt. Er ist ein Abschreckungsprogramm für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Gerade um die wollen wir uns doch kümmern.

(Lars Harms [SSW]: Jetzt kommt die Katze aus dem Sack!)

(Martin Kayenburg)

Es ist das Aufblähen einer Organisation, die durch erweiterte Mitbestimmung kontraproduktiv wird. Das führt zu einem Verlust an Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Unternehmern, das bislang bestand, denn wir kommen zu mehr Fremdbestimmung und nicht zu mehr Eigenbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Konrad Nabel [SPD]: Sie reden langsam dummes Zeug, Herr Kollege!)

Dieser Entwurf darf so nicht Wirklichkeit werden, weil er die Sozialpartnerschaft belastet, weniger Mitwirkung der Betriebsräte und Mitarbeiter, aber mehr Mitwirkung der Gewerkschaften bringt. Das ist Fremdbestimmung, die wir ablehnen.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zurufe von der SPD - Lars Harms [SSW]: Unglaublich!)

Auch Einzelregelungen der Mitbestimmung sind kontraproduktiv. Wenn zum Beispiel ein regelmäßiger Bericht über die Lage der ausländischen Mitarbeiter im Unternehmen verlangt wird -

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Hören Sie zu, Herr Nabel! Wenn ein Bericht über die Lage der ausländischen Mitarbeiter verlangt wird, dann kann so ein Bericht nicht der Integration dienen, weil die ausländischen Mitarbeiter dann als gesonderte Gruppe wahrgenommen werden, weil sie als gesonderte Gruppe dargestellt werden.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Bis heute gibt es in den Betrieben gerade mit den ausländischen Kollegen - überhaupt keine Probleme. Fragen Sie doch auch Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Gewerkschaft. Sie sind Mitarbeiter wie jeder Deutsche auch. Sie sind nicht etwa eine Sondergruppe. Daher lehnen wir das ab.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Jawohl! - Dieser Entwurf ist nicht mit Augenmaß gefertigt, dieser Entwurf belastet die Sozialpartnerschaft. Wer diesem Entwurf zustimmt, der beschädigt den Standort Deutschland.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort erhält jetzt Herr Abgeordneten Hentschel.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So manch kreativer Unternehmer fragt sich heute angesichts der Debatte um das Betriebsverfassungsgesetz: Was soll denn das? Wozu braucht man denn den altmodischen Quatsch? Betriebsräte, Gewerkschaften das ist doch out. Manch junger Programmierer verbringt die Nächte mit Begeisterung mit Java-Zugriffsroutinen für Oracle-Datenbanken und ist fast beleidigt, wenn ihm ein alter Betriebsrat sagt: Regelmäßige Überstunden dürfen nur mit Genehmigung der Gewerbeaufsicht gemacht werden.

Ich bin sicher, alle anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer und Rechtsanwälte hier im Saal bezahlen ihre Angestellten ordentlich, zahlen in die Sozialversicherungskassen ein und geben ihnen, wenn sie ordentlich geschafft haben, ihren verdienten Urlaub.

Aber die ganze Wahrheit erfassen diese Beispiele leider nicht. Es ist doch eine Legende, Herr Garg, dass die Macht der Gewerkschaften ständig gewachsen ist. Es gibt immer noch Spediteure in diesem Land, die von ihren Fahrern selbstverständlich 80-StundenWochen erwarten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es gibt auch Baufirmen, die Arbeiter aus Osteuropa ankarren, sie unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindesttarif bezahlen und dafür 14 statt acht Stunden arbeiten lassen. Es gibt auch noch manch hochmodernes Callcenter - auch hier in Kiel -, wo außer wenigen Schichtleiterinnen oder Schichtleitern niemand nach Tarif bezahlt wird, Sonntags- und Überstundenzuschläge unbekannt sind und Urlaub ein Gratisvergnügen für den Arbeitnehmer ist, was bedeutet, dass er während der Zeit kein Geld bekommt.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Letzte Woche traf ich in meiner alten Firma einen der jungen Internet-Programmierer, der mir sinngemäß sagte: Java und Oracle finde ich immer noch faszinierend. Die Nächte mit meiner Sun-Workstation mit dem Betriebssystem Solaris waren auch spitzenmäßig. Aber jetzt möchte ich auch einmal wieder mit meiner Freundin ins Kino gehen und die Bezahlung durch die Gewinnbeteiligung ist auch nicht so toll, wenn die Börsenkurse des NEMAX abstürzen. Deshalb habe ich jetzt einen Job bei einer großen Firma angenom

(Karl-Martin Hentschel)

men, wo es noch einen Betriebsrat, feste Arbeitszeiten und feste Bezahlung gibt.

(Klaus Schlie [CDU]: Das hat er Ihnen alles erzählt?)

Genau diese Geschichte habe ich letzten Donnerstag in meiner alten Firma erlebt. Das ist keine Erfindung.

(Klaus Schlie [CDU]: Dann hat er die Ihnen vorher aufgeschrieben!)

Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes findet nicht im luftleeren Raum statt und sie ist weder eine rote noch eine grüne Marotte. 70 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein arbeiten im Dienstleistungssektor, überwiegend in Kleinbetrieben, und die Zahl der Betriebsräte hat in den letzten Jahren ständig abgenommen.

Wer letzte Woche im Wirtschaftsausschuss die Anhörung der Bauwirtschaft mitgemacht hat, hat eine ungefähre Vorstellung davon, was dort mittlerweile los ist. Wenn die gesamte Elite der Bauunternehmer Schleswig-Holsteins in den Landtag kommt, um uns Politiker unter anderem darum zu bitten, uns darum zu kümmern, dass Tarifverträge eingehalten werden, dann bekommt man eine Vorstellung davon, dass ein Betriebsrat und eine Gewerkschaft auch für die Unternehmerseite durchaus ein Gewinn sein können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Man kann sich über Einzelheiten streiten - das ist bei jeder Gesetzesnovelle so -, aber davon abgesehen ist das neue Gesetz die passgenaue Antwort auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt, die wir in den letzten Jahren beobachtet und meist ja auch begrüßt haben. Das Gesetz sorgt dafür, dass in Zukunft auch die Leihund Telearbeiterinnen und -arbeiter durch den Betriebsrat vertreten werden - eine, wie ich finde, sehr notwendige Regelung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es sorgt dafür, dass in kleinen Betrieben ein Betriebsrat leichter und unbürokratischer gewählt werden kann. Wer einmal in einem Laden gearbeitet hat - ich habe meine Zeit als LKW-Fahrer hinter mir -, wo man fliegt, bevor man auch nur das Wort „Betriebsrat“ in den Mund genommen hat, der weiß, was das wert ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dass mehrere Filialen einer Firma in Zukunft einen gemeinsamen Betriebsrat bilden können, ist dringend erforderlich und ist übrigens sogar geldsparend.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch jetzt schon so!)

Ich erinnere mich daran, wie es sich einmal ein hoch renommierter Hamburger Verlag geleistet hat, den Verlag rechtlich in neun Teilfirmen zu zerlegen, um den Betriebsrat loszuwerden. Man braucht dann nur noch alle aktiven Gewerkschaftsmitglieder in ein dafür geschaffenes Miniunternehmen zu tun, das dann anschließend Konkurs anmeldet, und schon hat man einen gewerkschaftsfreien Laden. So geschehen!