Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich möchte, dass das Thema Beruf und Familie draußen diskutiert wird. Es muss Aufgabe der Tarifvertragsparteien werden, eine Aufgabe von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Aus diesem Grund sage ich: Dort muss der Betriebsrat mehr Einflussmöglichkeiten erhalten.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir müssen über das Thema Freistellung diskutieren. Viele Betriebsräte sind, wenn sie nicht wieder gewählt worden sind, an ihrem Arbeitsplatz kaum noch verwendbar. Das heißt, wir brauchen andere Formen, nicht eine komplette Freistellung, sondern eine stundenweise, eine zeitweise Freistellung. Wir dürfen das nicht an Betriebsgrößen koppeln, sondern daran, ob wir die Arbeitnehmer dauerhaft im Betrieb gebrauchen können.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Für mich ist wichtig, das Betriebsverfassungsgesetz weiterzuentwickeln, gerade wegen der internationalen Verpflechtungen, in denen sich die Betriebe befinden.

Ich habe eben die Kernpunkte genannt, die aus meiner Sicht verändert werden müssen, bevor es zu einer Zustimmung kommen kann - dies aus der Sicht eines christlich-demokratischen Arbeitnehmers.

Ich sage auch gleich etwas zu meinem Abstimmungsverhalten zum Antrag der F.D.P., damit es keine Irritationen gibt. Ich habe gesagt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das, was in Berlin diskutiert wird, nicht zustimmungsfähig. Der F.D.P.-Antrag ist aus meiner Sicht zu wenig konstruktiv und zu undifferenziert. Aus diesem Grund werde ich mich der Stimme enthalten.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist ausschließlich Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag der F.D.P. zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dieser Antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bei Gegenstimmen - Moment! - der CDU, bei Enthaltungen von Abgeordneten, bei vier Enthaltungen. - - Nein, das muss man schon sagen, weil es verschiedene Fraktionen waren. Es haben die Abgeordneten Arens, Geerdts, Eichelberg, Strauß und Wiegard -

(Zurufe)

- Herr Arens nicht? - Dann war das nur ein Hinweis auf den vor ihm Sitzenden. Die vier zuletzt genannten Abgeordneten haben sich der Stimme enthalten.

Damit schließe ich die Vormittagssitzung. Um 15:00 Uhr treffen wir uns wieder. Eine schöne Mittagspause!

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:27 bis 15:03 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Nachmittagssitzung. Bevor ich Tagesordnungspunkt 26 aufrufe, begrüße ich in der Loge den Bundestagsabgeordneten Jürgen Koppelin.

(Beifall - Lothar Hay [SPD]: Jetzt ist die Be- richterstattung ja gewährleistet!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Stärkung und Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme durch ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schleswig-Holstein

Landtagsbeschluss vom 16. November 2000 Drucksache 15/517

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/724

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, F.D.P., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/764

Ich erteile das Wort dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herrn Professor Rohwer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Herr Abgeordneter Garg und seine Fraktion im November den Berichtsantrag gestellt haben, habe ich bereits im Landtag gesagt, der Standort Schleswig-Holstein und sein wirtschaftlicher Erfolg wären gar nicht mehr denkbar, ohne dass schleswig-holsteinische Unternehmen im Ausland operieren, ohne dass ausländische Unternehmen in Schleswig-Holstein operieren und ohne dass Ausländerinnen und Ausländer bei uns arbeiten - ob als Unternehmensleiter, als Krankenschwester, als Wissenschaftler oder Gemüsehändler.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.] und Bernd Schröder [SPD])

Ich kann diese Aussage hier heute nur wiederholen und bekräftigen. Der Bericht, der vorgelegt worden ist, bestätigt eindrucksvoll: Wer Ausländer missachtet, misshandelt, angreift oder bedroht, verhält sich nicht nur unmenschlich, sondern schadet auch den wirtschaftlichen Interessen unseres Landes.

(Beifall bei SPD, CDU, F.D.P. und SSW)

Lassen Sie mich drei Ergebnisse des Berichts herausgreifen, alles andere werden wir dann in den Ausschüssen zu diskutieren haben.

Erstens. Wir haben allen Grund, die Frage der Zuwanderung neben den emotionalen, vielleicht auch ethischen Aspekten auch im Licht der ökonomischen Realität zu diskutieren. In Schleswig-Holstein haben wir schon immer den niedrigsten Anteil an Ausländern unter den westdeutschen Ländern gehabt. Entsprechend liegen wir auch beim Anteil ausländischer Beschäftigter durchweg unter dem Bundesdurchschnitt. Aber gleichwohl sind sie unverzichtbar. Das wird künftig noch mehr der Fall sein, denn der Bedarf der Wirtschaft an Arbeitsplätzen in Deutschland wird ohne eine erhöhte Zuwanderung aus dem Ausland künftig nicht mehr zu decken sein. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt in einer Ende letzten Jahres veröffentlichten Studie sogar auf einen Nettozuwanderungsbedarf ab 2020 in Höhe von 600.000 Personen pro Jahr.

Zweitens. Es sind die Mitbürger türkischer Herkunft, die den größten Anteil bei uns stellen. Ein Drittel aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer kommt aus der Türkei.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich finde das Thema sehr

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

wichtig. Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn wir uns daher etwas auf dieses Thema konzentrierten.

(Beifall)

In den kleineren gewerbetreibenden Unternehmen sind es 28 % der Beschäftigten, die auf türkische Mitbürger entfallen.

Unsere unmittelbaren Nachbarn, die Dänen, stellen in Schleswig-Holstein gerade einmal 3,5 % der ausländischen Beschäftigten dar. Zum Vergleich: Im Saarland kommen 50 % der ausländischen Arbeitskräfte aus Frankreich. Das zeigt, dass dort eine ganz andere nachbarschaftliche Verflechtung besteht.

(Lothar Hay [SPD]: Da gibt es noch großes Potenzial!)

In Richtung SSW und in Richtung Flensburg sage ich: Wir könnten einen noch etwas höheren dänischen Anteil an Arbeitskräften in Schleswig-Holstein gebrauchen - in jeder Hinsicht.

(Beifall bei SPD und SSW)

Drittens. Es gibt immer noch - das ist eigentlich der wichtigste Punkt, über den wir reden müssen - Hürden für Ausländerinnen und Ausländer, die wir beseitigen müssen, zum Beispiel beim Berufszugang, wie Sie dem Bericht entnehmen können. Nach dem Apothekengesetz darf ein ausländischer Apotheker eine Apotheke erst übernehmen, wenn sie vorher mindestens drei Jahre betrieben worden ist. Meiner Auffassung nach sollten wir uns für eine Änderung dieser gesetzlichen Bestimmung stark machen.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD] und Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Hürden gibt es auch auf den Ausbildungsmärkten. Es ist für ausländische Jugendliche immer noch schwerer als für deutsche Jugendliche, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Umso wichtiger sind deshalb solche Projekte wie zum Beispiel die von uns, der Landesregierung, geförderte Initiative „Migranten schaffen zusätzliche Lehrstellen“.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Gemeinsam mit der Türkischen Gemeinde sind immerhin in den letzten zwei Jahren 123 Ausbildungsplätze allein in diesem Jahr akquiriert worden. Das ist eine gewaltige Leistung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei der Türkischen Gemeinde für ihr Engagement. Das ist vorbildhaft auch für andere Aktivitäten. Danken möchte ich auch denjenigen, die beim Zusammentragen des Datenmate

rials hilfreich waren, wie Kammern, Verbände und Institutionen. Herr Garg, die eine oder andere statistische Zahl befriedigt uns alle nicht vollständig. Das ist aber nicht das Entscheidende. Entscheidend ist vielmehr, dass wir jetzt überhaupt eine Größenordnung zusammengetragen haben, die deutlich macht, worum es geht.

Ich wünsche mir, dass sich das weltoffene, das ausländerfreundliche, das tolerante Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht nicht übertreffen lässt, was Ausländerfreundlichkeit angeht, und dass es nur an einem Punkt Intoleranz geben kann, nämlich gegenüber Intoleranz, gegenüber Fremdenhass, gegenüber Unmenschlichkeit. Ich denke, hierüber gibt es Konsens.

(Beifall im ganzen Haus)