Protokoll der Sitzung vom 21.03.2001

Die jetzige Lösung, die von Umweltminister Trittin verfochten worden ist, ist eine Zertifikatslösung, die eine Quote setzt, für die Zertifikate ausgegeben werden.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Dies ist die Zertifikatslösung, wie sie in der ganzen Zeit in der Wissenschaft für regenerative Energien diskutiert worden ist. Es ist die Zertifikatslösung, die auch für internationale Zertifikate propagiert worden ist. Man definiert ein Einsparziel, gibt dafür Zertifikate aus und die Zertifikate werden frei auf dem Markt gehandelt. - Das ist die Zertifikatslösung. Dabei wird diesem Zertifikat aufgrund der Strukturen zu Anfang ein Wert zugewiesen. Dieser bedeutet, dass derjenige, der eine Kraft-Wärme-Kopplung hat, auch zusätzliche Einnahmen hat. Man geht davon aus, dass die Zertifikate bei der Marktentwicklung der Energiewirtschaft innerhalb von fünf bis zehn Jahren wertlos sind. Das heißt, dass die Kraft-Wärme-Kopplung innerhalb von fünf bis zehn Jahren günstiger produziert als die herkömmliche Energiewirtschaft.

Der Monopolvorsprung, der zurzeit aufgrund abgeschriebener Kraftwerke existiert, wird also spätestens in fünf bis zehn Jahren aufgebraucht sein; denn dann müssen die Energiekonzerne neue Kraftwerke bauen. Dann wird die Kraft-Wärme-Kopplung günstiger sein und die Investitionen, die jetzt getätigt werden, werden sich rentieren. Das Ganze ist also, volkswirtschaftlich gesehen, durchaus ein Win-win-Spiel.

Zum Schluss mein Appell: Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Energieeinsparziele erreicht werden, lassen Sie uns die bestehende Infrastruktur der KraftWärme-Kopplung sicherstellen und lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Kraft-Wärme-Kopplung ausgebaut wird, insbesondere die Brennstoffzellentechnologie eine Chance erhält!

(Karl-Martin Hentschel)

Wenn wir jetzt den Marktdurchbruch für die Brennstoffzellentechnologie erreichen, dann haben wir hierbei in fünf Jahren die gleiche Situation wie heute bei der Windenergie, dass wir nämlich weltweit exportieren. Die USA haben bereits für ein Gigawatt Windkraftwerke in Deutschland und in Dänemark bestellt. Das heißt, Deutschland und Dänemark exportieren „gigawattweise“ Windkraftwerke in die USA. In fünf Jahren, wenn wir die Marktführerschaft für die Brennstoffzellentechnologie besitzen, werden wir diejenigen sein, die die Brennstoffzellen exportieren. Dann reden wir auch nicht mehr über Fernwärme. Dann ist Fernwärme nur noch der geringste Anteil an der Kraft-Wärme-Kopplung. Dann reden wir über die Brennstoffzelle im Einfamilienhaus, die sowohl Strom als auch warmes Wasser, als auch die Energie für die Heizung liefert. Wir werden dann also über das Kompaktkraftwerk im eigenen Haus reden, das die KraftWärme-Kopplung der Zukunft darstellt, die mit dieser Technologie und mit diesem Zertifikatsmodell durchgesetzt wird. Sich dafür einzusetzen, lohnt sich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Für die F.D.P.-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal unter Experten: Graf Kerssenbrock, ich bin äußerst erstaunt, dass Sie erzählen, man habe in den 70er- und 80er-Jahren in der CDU über Zertifikatsmodelle diskutiert. Das ist offensichtlich auf Regierungsebene nicht durchgedrungen. Denn als die F.D.P.-Bundestagsfraktion immer wieder gefordert hat, Zertifikatsmodelle bitte schön gerade auf dem Energiesektor einzuführen, haben wir von Ihrer damaligen Ministerin Merkel eigentlich immer nur lauwarme Antworten erhalten. Die Bereitschaft, so etwas umzusetzen, war leider nicht vorhanden. Ich stelle nur fest: Die Erkenntnis kommt spät.

(Beifall bei der F.D.P.)

Herr Kollege Hentschel, damit wir auf ein und dieselbe Grundlage kommen, empfehle ich Ihnen, im Antrag der F.D.P.-Bundestagsfraktion „Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger“ Bundestagsdrucksache 14/5328 - nachzulesen, was Zertifikatsmodelle sind. Sie haben es grundsätzlich nicht verstanden. Quote und Zertifikatsmodell haben nichts miteinander zu tun!

(Beifall bei der F.D.P.)

Beim Zertifikatsmodell geht es nicht um eine Anteilsbeschränkung, sondern um die Festlegung einer Menge. Es geht nicht um die Festschreibung von technischen Lösungen, sondern der Markt bestimmt die technischen Lösungen, die die Zukunft bringt,

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)

ganz im Gegensatz zu Ihrem Verfahren, bei der KraftWärme-Kopplung eine Quote festzuschreiben.

(Beifall bei der F.D.P.)

Insgesamt müssen wir feststellen: Die rot-grüne Energiepolitik ist gescheitert. Darüber kann auch dieser Antrag nicht hinwegtäuschen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Wir haben es mehrfach in diesem Hause diskutiert: Auch der Atomkonsens ist keiner. Die Planungen der Kernkraftgegner für Protestdemonstrationen aus Anlass der Castor-Transporte laufen auf Hochtouren. Niemand - ich will ausdrücklich wiederholen: niemand - darf den Kernkraftgegnern ihr in der Verfassung garantiertes Recht auf Demonstrationsfreiheit streitig machen, im Übrigen auch kein grüner Umweltminister. Da sind wir liberale Verfassungspartei. Aber wir wenden uns ganz entschieden gegen Hakenkrallenanschläge auf Bahnstrecken, wie gestern in Frankfurt geschehen und heute im„Hamburger Abendblatt“ zu lesen. Ich bitte Sie: Fangen Sie Ihre grüne Basis wieder ein!

Sie wollen die Menschen für dumm verkaufen, wenn Sie Ihnen weismachen, dass Demonstrationen Teil eines Konsenses seien.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über Kraft-Wärme- Kopplung!)

Der Spagat wird Ihnen nicht gelingen: Proteste und Demonstrationen für die Seele der grünen Basis, Zustimmung zum Energiekonsens in williger Ergebung vor dem großen Koalitionspartner. Doppelzüngig und scheinheilig ist eine solche grüne Politik.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ein ähnliches Spiel, werte Kollegen von der linken Seite, versucht die Regierungskoalition nun mit ihrem Antrag zur Kraft-Wärme-Kopplung. Kraft-WärmeKopplung ist für grüne Energiepolitiker - Kollege Hentschel, Sie haben es gerade dargestellt -, was der Museumsbauernhof für grüne Agrarpolitiker ist: die Vision von der autarken Gemeinde, die Vision vom autarken Einfamilienhaus, das Bollwerk gegen liberalisierte Märkte, gegen Globalisierung und gegen die Macht der Großkonzerne. Darum geht es, nicht um CO2-Einsparung; das interessiert Sie überhaupt nicht.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Dabei ist die Idee der Kraft-Wärme-Kopplung gut, jedenfalls sofern sich ein Abnehmer für das bei der Stromproduktion anfallende Abfallprodukt Wärme findet. Dann - und nur dann - ist Kraft-Wärme-Kopplung eine gute Methode.

In der Schweiz beispielsweise werden Wärmemengen in der Größenordnung von 250 Gigawattstunden aus den Kernkraftwerken in ein regionales Fernwärmenetz ausgekoppelt. Das ist ein gutes Beispiel für das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung, auch wenn es vielleicht nicht das ist, was sich Rot-Grün vorstellt.

Auch die thermische Abfallbehandlung bietet gute Möglichkeiten für die Kraft-Wärme-Kopplung, auch wenn Sie auf der linken Seite die energetische Bedeutung der thermischen Abfallbehandlung aus ideologischen Gründen immer wieder negieren. Aus Liebe zur Kraft-Wärme-Kopplung wollte der grüne Bundesumweltminister diese mit der Einführung einer Quote fördern.

Die Quote ist ein Schutzinstrument. Das ist Protektionismus pur. Die Quote hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun.

Der Umweltminister folgt damit der Auffassung der grünen Basis, dass Umweltpolitik nur als Staatsintervention funktionieren kann. Die Quote für die KraftWärme-Kopplung bedeutet, dass Rot-Grün der KraftWärme-Kopplung nicht zutraut, sich einen Markt zu erobern. Dies ist falsch.

Eine Einsparung von 23 Millionen t Kohlendioxid wollte Trittin angeblich mit dieser Quote erreichen. Die Selbstverpflichtung der Industrie ergibt eine Reduzierung von 28 Millionen t, satte 5 Millionen t mehr als mit der Quote.

Wenn denn die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes das Ziel wäre, müssten die Grünen doch jubeln. Das tun sie jedoch nicht. Sie schicken stattdessen Schleswig-Holstein vor, das nun durch diesen Antrag seinen kraftvollen Einfluss auf die Berliner Politik beweisen soll. Dabei hat doch inzwischen jeder gelesen, dass die Sache entschieden ist - gegen die Quote. Ihr Antrag ist somit ein reiner Showantrag, Symbolpolitik, nichts weiter.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Am Rande sei vermerkt, dass der rot-grüne Antrag den Interessen Schleswig-Holsteins völlig widerspricht. Der Atomexperte Dr. Sauer hat in der „SchleswigHolsteinischen Landeszeitung“ dargelegt, dass in Schleswig-Holstein 33,7 Milliarden kWh Strom erzeugt, aber nur 13 Milliarden verbraucht würden, neue Anlagen also gar keinen Sinn machten. Doch RotGrün in Kiel folgt den Vorschläge von BUND und

Greenpeace unbesehen, ohne zu prüfen, ob deren Sicht für unser Land Sinn macht.

Die F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag hat im Februar in einem Antrag eine glaubwürdige kompetente Alternative sowohl zum Energieeinspeisegesetz als auch zur selektiven Förderung der Kraft-WärmeKopplung eingebracht. Der Antrag geht von der Einsicht aus, dass die Erzeugung von Energie für den Strom- und Wärmemarkt auch klimapolitischen Anforderungen verpflichtet ist. Bei der Energiegewinnung muss deshalb die Emission klimaschädlicher Gase in die Erdatmosphäre verringert werden. Diese Vorgabe soll marktwirtschaftlich, systemkonform und unter geringstmöglichem Aufwand realisiert werden. Neben Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur höheren Energieeffizienz wird dieses Ziel auch durch einen verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger unterstützt. Deren verstärkte Nutzung kann den Brennstoffbedarf bei der konventionellen Energieumwandlung reduzieren und so den energetisch bedingten Schadstoffeintrag in die Atmosphäre vermindern. Für eine intensivere Nutzung erneuerbarer Energieträger soll deshalb ein klar definiertes Mengenziel vorgegeben werden. In diesem Sinne muss die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energieträger durch marktwirtschaftliche Mechanismen sowie durch gezielte Fördermaßnahmen verbessert werden.

Das Konzept besteht aus zwei Komponenten: Zum einen wird an der konventionellen Förderung der Grundlagenforschung festgehalten. Diese Förderung wird ergänzt, indem zum anderen ein marktwirtschaftlich organisiertes Zertifikat im Modell eingerichtet wird, um ausgereifteren Techniken als Alternativen zum überholten Energieeinspeisegesetz eine eigenständige Marktteilnahme zu ermöglichen.

Charakteristisch ist für das Modell, dass staatlicherseits weder bestimmte Energieträger noch einzelne Techniken oder gar Preise vorgeschrieben werden. Es ist nicht Aufgabe der Politik, technische Verfahren vorzuschreiben, sondern Politik soll die Anforderungen hinsichtlich der Effizienz, des Umweltschutzes, von Arbeitsschutzmaßnahmen bestimmen, die bei technischen Verfahren beachtet werden müssen.

(Beifall bei der F.D.P.)

Energieträger, Techniken und Preise werden nach dem F.D.P.-Modell ausschließlich über Marktprozesse, also dezentral, wettbewerblich und folglich kostenmindernd bestimmt. Daran sollten Sie von der Landesregierung doch auch ein Interesse haben. Schließlich fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.

Hervorzuheben ist, dass es sich bei dem F.D.P.Konzept nicht um ein Quotenmodell handelt. Vorgege

(Dr. Christel Happach-Kasan)

ben werden soll nicht ein Anteilswert, sondern eine absolute Menge. Unser Modell hebt sich vom KraftWärme-Kopplungsausbaugesetz der Grünen nicht nur dadurch ab, dass keine bestimmte Technik der Energieumwandlung selektiv begünstigt wird, sondern es vermeidet auch die Wirkungsbrüche, die immer dann entstehen, wenn politische Zielvorstellungen als Anteilswerte definiert werden.

Wir hätten es sehr begrüßt, werte Kollegen von der grünen Fraktion, wenn Sie die Bundesregierung aufgefordert hätten, die Anmaßung von Wissen, die gerade bei Ihnen sehr häufig zu finden ist, im Bereich der regenerativen Energien zu unterlassen und stattdessen dem Konzept der F.D.P. zu folgen. Bei regenerativen Energien geht es nicht um die einseitige Bedienung grüner Klientel, sondern um Klimaschutz. Das ist ein ernsthaftes Anliegen der Politik.

Herr Energieminister Möller sprach sich noch vor drei Wochen auf einer Veranstaltung im Kieler Yacht-Club für marktwirtschaftliche Instrumente beim Verkauf von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung aus. Diese hat er dahin gehend interpretiert, dass die Quotenregelung ein marktwirtschaftliches Instrument sein sollte. Marktwirtschaftliches Modell verbunden mit Quotenregelung ist Unsinn. Wir alle wissen - ob es die Milchquote oder die Frauenquote ist -: Mit Marktwirtschaft hat dies alles nichts zu tun.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Quotenregelung ist ein weiterer Beitrag der Grünen zur Staatsintervention auf dem Energiesektor. Die Idee, Umweltpolitik mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu machen, ist Ihnen fremd. Umweltminister Müller allerdings scheint dieser Idee nicht ganz abgeneigt zu sein. Er kapituliert - nämlich vor der eigenen Basis. So führt er in einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ vom 15. März dieses Jahres zu diesem Thema aus, die Basis sei noch nicht so weit, Umweltpolitik mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu machen. Herr Minister, arbeiten Sie daran! Sie haben noch viel zu tun. Ich will Sie aber auch daran erinnern, dass Sie Ihren Amtseid nicht auf die grüne Basis, sondern auf die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geleistet haben.

Der vor uns liegende Antrag ist für die F.D.P. der falsche Weg. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei der F.D.P.)