Protokoll der Sitzung vom 21.03.2001

Aber mir geht es hier nicht, um es deutlich zu sagen, um die Lokalpolitik von Heikendorf, sondern es geht um die Zukunft der Region Kiel

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

und um die Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben. Ich sage auch ganz deutlich und es steht nicht umsonst im Koalitionsvertrag, dass wir uns dafür entschieden haben, dass der Flughafen Kiel für die geschäftliche Entwicklung, für die Entwicklung der regionalen Wirtschaft in Schleswig-Holstein und in der K.E.R.N.Region, notwendig ist

(Beifall bei SPD und CDU - Thomas Stritzl [CDU]: Oh!)

und dass wir die Modernisierung des Flughafens auch deswegen im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Das muss deutlich sein. Ich bin aber entsetzt über ein Potenzialanalyse,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Was für eine Verlogenheit!)

die 125.000 DM gekostet hat und uns nun vorgelegt wird. Wenn diese Potenzialanalyse innerhalb von zwei Wochen so viele Fehler aufweist, dass ihre beiden zentralen Aussagen vom Flughafenchef widerrufen werden und es der Gutachter selbst nötig hat, bereits nach zwei Wochen 25 Seiten Korrektur zu liefern,

(Karl-Martin Hentschel)

sollte man vielleicht Geld von dem Mann zurückfordern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und CDU)

- Ich bedanke mich für den fraktionsübergreifenden Beifall der Abgeordneten aus Kiel und Plön.

(Heiterkeit)

Tatsache ist, dass es auch in Zukunft Flugzeuge geben wird, die in Kiel starten und landen können. Alle führenden Flugzeughersteller bieten Modelle gerade für den Sektor des Linienfluges kleiner Maschinen zwischen 50 und 80 Passagieren an, den es übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in Nordamerika gibt.

Es gibt moderne Düsenflugzeuge von Fairchild Dornier wie auch moderne Propellermaschinen, die auf Lande- beziehungsweise Startbahnen mit weniger als 1200 m landen und starten können. Sie haben außerdem den Vorteil, dass sie leiser sind, weniger Sprit verbrauchen und damit die Umwelt weniger belasten.

Bei Flugzeiten von weniger als zwei Stunden spielt die um 200 km/h geringere Geschwindigkeit einer Propellermaschine keine Rolle. Das macht gerade einmal 20 Minuten aus und dürfte auf den Strecken von Kiel ins Ruhrgebiet oder ins Rheinland und auf der Strecke Kiel-München für den Geschäftsverkehr keine Bedeutung haben. Damit ist die zentrale Aussage des Gutachtens widerlegt, dass moderne Jets die Landebahn in Kiel nicht benutzen könnten.

Ich komme zum eigentlichen Zweck des Ausbaus. Das Gutachten schlägt einen Ausbau auf 2.700 m vor, um den Start von Düsenjets wie der Boeing 737 und dem Airbus 319/320 zu ermöglichen, das heißt, den Einstieg in den Charterflugverkehr zu ermöglichen. Wenn man bedenkt, dass der Ausbau 170 Millionen DM kosten soll und dass diese vom Land aufzubringende Summe verzinst werden muss, dann kommt man zu dem Schluss, dass sich das Defizit des Flughafens, das heute bei zwei Millionen DM jährlich liegt, wovon das Land aber die Hälfte trägt, innerhalb von zehn Jahren mindestens auf das Fünffache steigern wird. Ich sehe nicht ein, dass das Land jährlich einen Defizitausgleich von zehn Millionen DM jährlich leisten soll, damit sich der Flughafenchef in Kiel den Einstieg in den Charterflugverkehr leisten kann. Das kann nicht Sinn der Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein sein.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bundesverkehrsminister Bodewig will das Passagieraufkommen des innerdeutschen Flugverkehrs weitgehend auf die Schiene verlagern. Ziel ist, dass keine Regionalflüge mehr auf den großen Flughäfen landen,

sondern dass stattdessen ICE-Anbindungen geschaffen werden, die den Regionalverkehr absichern. Fahrten sollen in Zukunft mit der Bahn durchgeführt werden, wenn die entsprechenden Ziele in einer Zeit von unter vier Stunden zu erreichen sind, zum Beispiel wie bei der Strecke Kiel-Berlin.

(Zuruf von der CDU: Das habt ihr doch ver- hindert!)

Ich bin sicher: Wenn die ICE-Verbindung nach Berlin steht und man nach Berlin in drei Stunden fahren kann, dann stellt die Bahn eine wesentlich größere Gefahr für die Flugstrecke Kiel-Berlin dar als die Tatsache, dass bestimmte Flugzeuge in Kiel nicht landen können, wie es im Gutachten beschrieben wird.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die großen Flughäfen sollen mit dem ICE angebunden werden. Ich bin der Auffassung: Das wirksamste Mittel, um Schleswig-Holstein vernünftig an den Flugverkehr anzuschließen, ist eine Bahnanbindung nach Fuhlsbüttel, sodass man von Kiel aus in einer Dreiviertelstunde Fuhlsbüttel erreichen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre eine Alternative, die dem Geschäftsverkehr wirklich nützt. Meine eigene Erfahrung mit dem Geschäftsverkehr ist nämlich die Folgende: Wer will schon pünktlich um 7 Uhr losfliegen und abends um die gleiche Zeit zurückkommen?

(Holger Astrup [SPD]: Ich!)

Das ist doch nicht der Wunsch der Geschäftsleute. Die Geschäftsleute wollen vielmehr zu einem bestimmten Termin ihr Ziel erreichen. Von Fuhlsbüttel aus werden die wichtigsten innerdeutschen Ziele jede Stunde angeflogen. Das heißt, wenn ich beispielsweise in Stuttgart einen Termin habe, dann möchte ich genau zu diesem Zeitpunkt in Stuttgart sein und nicht dann, wenn gerade dieses Ziel angeflogen wird.

Wir würden der Wirtschaft in Schleswig-Holstein wesentlich mehr Gutes tun, wenn wir eine bessere Anbindung nach Fuhlsbüttel schaffen und nicht die Landebahn in Kiel verlängern würden.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abgeordneter.

Ich komme zum Schluss.

(Karl-Martin Hentschel)

Alles, was ich über die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Kiel weiß, spricht dafür, den Geschäftsverkehr zu sichern, und spricht dagegen, die Landebahn auf 2.700 m auszubauen. Ich begrüße deshalb, dass der Wirtschaftsminister eine ergebnisoffene Prüfung des Gutachtens zugesagt hat. Ich begrüße weiterhin, dass die CDU-Fraktion dies unterstützt und das Gutachten abwarten will, um zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich lehne ab, was die F.D.P. sagt, nämlich dass sie jetzt schon wissen will, was bei der Prüfung herauskommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordnete Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Wirtschaftliche Entwicklung tut not. Eine Grundvoraussetzung ist eine vernünftige verkehrliche Anbindung unseres Landes.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Dazu gehört auch ein guter Regionalflughafen in Schleswig-Holstein. Vor dieser Tatsache sollte keiner die Augen verschließen. Die von den Grünen vorgeschlagene bessere Bahnverbindung nach Fuhlsbüttel mag ja wünschenswert sein, sie kann aber einen Regionalflughafen für die K.E.R.N.-Region nicht ersetzen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der F.D.P.)

Der SSW sieht eindeutig die Notwendigkeit für einen Regionalflughafen. Sowohl die F.D.P. als auch die CDU gehen davon aus, dass der Flughafenausbau in Kiel-Holtenau unabdingbar ist. Wir haben da allerdings eine andere Sicht der Dinge. Bevor man sich für einen solch umstrittenen Ausbau entscheidet, muss erst einmal abgewogen werden, ob es noch Alternativen hierzu gibt. Gegebenenfalls muss man erst noch die Alternativen suchen.

Man muss ferner die finanziellen Folgen genau betrachten. In Holtenau ist es eventuell nicht nur mit dem eigentlichen Ausbau getan, dessen Kosten auf 170 Millionen bis 200 Millionen DM geschätzt werden. Drei Schulen liegen in der Nähe des Flughafens und werden möglicherweise so stark beeinträchtigt, dass

hier für neue Lösungen gesorgt werden muss. Die Grundstücke, die jetzt noch eher wenig beeinträchtigt sind und die in Zukunft mitten in der Ein- und Ausflugschneise liegen werden, werden erheblich an Wert verlieren. Wer kommt für die Wertminderung auf? Das sind nur einige Fragen, die vorher beantwortet werden müssen. Es gibt eine regionale Stadtfraktion, die schon 76 Fragen formuliert hat.

Im Gespräch sind neben Kiel-Holtenau nun auch Neumünster mit einem Flughafenneubau und Hohn mit einer gemeinsamen zivilen und militärischen Nutzung. Beide Alternativen müssen genauso umfassend geprüft werden wie Kiel-Holtenau. Herr Kollege Hay wird mit den folgenden Worten in den „Kieler Nachrichten“ zitiert: „Bis zum Herbst müsse eine Entscheidung über den Ausbau in Holtenau fallen; anderenfalls müsse das Land Alternativen wie Neumünster oder Hohn prüfen.“ - Nein, nicht „anderenfalls“, lieber Kollege Hay, sondern gleichzeitig müssen Alternativen geprüft werden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der CDU)

So haben sich auch die Kollegen Fischer, Weber und Müller in einer Pressemitteilung geäußert.

Neumünster liegt mit Sicherheit geografisch zentraler und verfügt über wesentlich bessere Möglichkeiten, den zukünftigen Regionalflughafen an die Straße und das Schienennetz anzubinden. Für Hohn spricht, dass möglicherweise nicht so hohe Investitionen nötig wären und dass man beispielsweise auf Erfahrungen mit der gemeinsamen zivilen und militärischen Nutzung von Flughäfen in Mecklenburg-Vorpommern zurückgreifen kann. Zumindest müssen diese beiden Alternativen geprüft werden.

Die Landesregierung hat zugesagt, den Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau ergebnisoffen zu prüfen. Zu einer ergebnisoffenen Prüfung gehört auch, dass Alternativen zum derzeitige Standort ebenfalls einer Prüfung unterzogen werden. Auch hieran werden wir die Landesregierung messen. Die Bevölkerung und auch die Befürworter anderer Flughafenstandorte müssen in den nächsten Monaten Gelegenheit bekommen, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Aus Sicht des SSW muss deshalb eine vergleichende Machbarkeitsstudie für die drei möglichen Flughafenstandorte erstellt werden. Herr Minister Rohwer scheint auf unseren Weg einzuschwenken.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] - Lachen bei der CDU)

Zurzeit sieht die Lage allerdings noch so aus: Die F.D.P. sagt ungeprüft Ja zu Kiel-Holtenau, obwohl sich schon bei der Antragstellung das Gutachten, auf

(Lars Harms)