Protokoll der Sitzung vom 23.03.2001

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So geht das nicht!)

Herr Kollege Astrup erhält das Wort.

Herr Präsident, üblicherweise ist nach § 51 Abs. 3 der Geschäftsordnung für die Erlangung der Dringlichkeit eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dazu ist natürlich auch die Stellungnahme anderer Fraktionen - falls so gewünscht - zulässig.

(Vereinzeltelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche möchte ich jetzt abgeben.

Erstens. Die SPD-Fraktion wird - Herr Kollege Jensen-Nissen - der Dringlichkeit des Antrages zustimmen.

Zweitens werden wir beantragen, dass dieser Tagesordnungspunkt an den Schluss der Debatte gehängt wird, weil wir damit die Chance haben, aktuellste Ergebnisse von der AMK in Cottbus mitzuverarbeiten.

Ich sage jedoch auch kritisch, ich hätte mir gewünscht, dass dieser Tagesordnungspunkt regulär auf die Tagesordnung gekommen wäre, weil die ersten Meldungen über die Verbreitung von MKS auf dem Festland schon vor etwa zehn Tagen - sprich vor dem Antragsschluss - herausgekommen sind.

(Zurufe der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU] und Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

- Ja, keine Aufregung! Es hätte uns allen gut angestanden, wenn wir im Rahmen der Tagung - nicht am erst am Ende - über das Thema geredet hätten, vielleicht schon zwischendurch.

Dass die Impfung gegen Maul- und Klauenseuche, die wegen der Immunisierung drei Wochen Inkubationszeit benötigt - wie wir wissen -, bis 1992 zugelassen war und dann aus guten Gründen nicht mehr, wird uns heute Nachmittag sicher noch beschäftigen.

Wichtig ist, Herr Kollege Jensen-Nissen, dass wir uns über diesen Punkt aktuell unterhalten. Wir stimmen der Dringlichkeit zu.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Dringlichkeit? Das Wort hat Herr Abgeordneter Rainder Steenblock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Dringlichkeit ebenfalls zustimmen. Die Entwicklung in den letzten Tagen hat deutlich gemacht, dass nicht die eingegrenzte Situation in Frankreich, die einigerma

ßen kontrollierbar war, sondern die Fälle, die jetzt in Holland aufgetreten sind, das Gefährdungspotenzial erheblich gesteigert haben, und zwar vor dem Hintergrund, dass in den letzten Wochen über 200.000 Tiere aus Holland nach Nordrhein-Westfalen importiert worden sind. Auch wenn wir in Schleswig-Holstein relativ wenig Tiere aus Holland haben, ist es notwendig, dass wir uns dieser Diskussion stellen und in der Sache heute darüber diskutieren. Ich finde allerdings auch den Vorschlag des Kollegen Astrup richtig, das an das Ende der heutigen Tagung zu setzen und aktuelle Ereignisse einzubeziehen. Wir werden der Dringlichkeit auf jeden Fall zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Dringlichkeit? Das ist nicht der Fall.

Ich lasse zunächst über die Dringlichkeit abstimmen. Wer der Dringlichkeit für den Antrag der CDU, Impfung gegen die Maul- und Klauenseuche (MKS), zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Dringlichkeit erreicht.

Ich stelle das Einvernehmen der Fraktionen hier im Haus darüber fest, dass der Tagesordnungspunkt an das Ende der vorgesehenen Tagesordnung gesetzt wird, der Punkt also nach dem Tagesordnungspunkt 27, Situation der Außenhandelswirtschaft, aufgerufen werden soll. - Dann werden wir so verfahren.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 18 auf:

Post-Nizza-Prozess - Position der deutschen Länder zur künftigen Aufgabenteilung in der Europäischen Union

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/809

Der Antrag fordert die Landesregierung auf, in der heutigen Sitzung einen Bericht abzugeben. Ich darf kurz das Einvernehmen darüber herstellen, dass diesem Antrag, heute einen Bericht zu bekommen, zugestimmt wird. Dann kann der zuständige Minister gleich einen Bericht abgeben. Ist das so einvernehmlich? Ich bedanke mich für die Zustimmung.

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das hatten wir eben schon geklärt.

Dann darf ich die Regierung bitten, Frau Ministerpräsidentin, den Bericht zum Thema Post-Nizza-Prozess zu geben. Frau Ministerpräsidentin Simonis, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europapolitik ist in Deutschland wegen unserer föderativen Struktur seit vielen Jahren auch Politik der Länder. Dass ist nicht nur dort, wo Richtlinien und Verordnungen umgesetzt werden müssen, sondern vor allem auch dort, wo es um die politische Gestaltung der Europäischen Union geht, der Fall. Das hat Auswirkungen auf die europäischen Politikfelder, manchmal nicht so, wie wir uns wünschen, aber immerhin doch, denn wir haben durch Artikel 23 Grundgesetz ein verbrieftes Mitspracherecht.

Aus diesem Grund hat auch der Bundesrat seine Mitwirkung am 9. März 2001 dokumentiert, als er die Entschließung zum Erweiterungsprozess der EU verabschiedet, auf die flankierenden Vorbereitungsmaßnahmen aufseiten der EU hingewiesen und die Bundesregierung gebeten hat, sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen für die in der Entschließung angesprochenen Übergangsregelungen einzusetzen.

Schleswig-Holstein hat in den vergangenen zehn Jahren gezeigt, wie man als vergleichbares kleines Land im Konzept der Großen und Größeren mithalten kann. Dabei mussten wir natürlich Schwerpunkte setzen, um uns auf das Wichtige zu konzentrieren. Das war unsere Leitlinie beim Aus- und Aufbau der Ostseekooperation und das ist unsere Leitlinien in der Diskussion über die Zukunft der Gestaltung Europas einschließlich der anstehenden Erweiterungen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Europapolitik ist und bleibt - anders als mir gestern von der Opposition vorgeworfen worden ist - ein Schwerpunkt der Politik meiner Regierung, ganz unabhängig von handelnden Personen. Es ist die Überzeugung der rot-grünen Koalition, dass dies ein wichtiges Politikfeld ist.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Am 14. Dezember 2000 haben sich die Regierungschefs der Länder mit den Ergebnissen des Europäischen Rates in Nizza beschäftigt. Sie haben dabei festgestellt, dass zwar die institutionellen Voraussetzungen für die Erweiterung geschaffen worden sind, der Reformprozess mit Nizza jedoch nicht abgeschlossen ist und die Vorbereitungen für eine weitere Vertragsreform unverzüglich aufgenommen werden müssen. Diese Diskussion muss nun mit den Ländern und vor allem in den Ländern geführt werden, nicht nur von den Regierungen, sondern auch von den Parla

menten und Fraktionen, den Parteien und allen gesellschaftlichen Gruppen.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Joachim Behm [F.D.P.])

Wir sind hier in Schleswig-Holstein schon ein ganzes Stück weiter als andere Länder. Ich denke nicht nur daran, was die Regierung leistet, daran, wie sie ständig im Europaausschuss berichtet, sondern vor allem auch an die hervorragende Arbeit, die der Europaausschuss selbst leistet, an die Europadebatten hier im Landtag oder auch daran, dass meine Partei - ich denke, andere Parteien machen das auch - erst vor wenigen Wochen einen ganzen Landesparteitag dem Thema „Ostsee und Europa“ gewidmet hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Europaministerkonferenz wurde von der Ministerpräsidentenkonferenz beauftragt, Positionen der Länder zu erarbeiten und diese dann wiederum später der Ministerpräsidentenkonferenz vorzulegen. Die Länder haben sich am 15. Februar auf Schwerpunktthemen verständigt, nämlich auf die zukünftige Kompetenzabgrenzung, auf die Einordnung der Grundrechtecharta, auf die Gestaltung der demokratischen Legitimation und Transparenz, auf die Rolle der nationalen Parlamente sowie auf die Frage der Stärkung der Rechte der Regionen. Dies wird nun auf unterschiedlichen Arbeitsebenen durch verschiedene Länder vorbereitet und dann im Mai durch die EMK, die Europaministerkonferenz, in einem ersten Zwischenbericht vorgelegt, der sich jedoch dann zunächst mit Verfahrensfragen befassen wird.

Eine erste informelle Behandlung des Themas Kompetenzabgrenzung ist für den 30. und 31. August dieses Jahres vorgesehen. Am 10. und 11. Oktober wird die EMK dann Beschlüsse fassen, die sie endgültig der Ministerpräsidentenkonferenz zur Entscheidung vorlegen wird. So weit zum Verfahren. Das bedeutet, dass wir mit der konkreten Ausarbeitung jetzt erst beginnen; Ergebnisse können naturgemäß noch nicht vorliegen.

Die angestrebte breite Diskussion wurde am 9. März eröffnet. Dabei ist von uns zweierlei zu berücksichtigen: Zum einen muss für die öffentliche Diskussion ein angemessener Zeitraum vorhanden sein, damit das feststellbare Desinteresse der Öffentlichkeit durch ein zu schnelles Durchgaloppieren nicht noch zunimmt. Zum anderen sollte man die Ergebnisse dieser Diskussion nicht dadurch ad absurdum führen, dass man bereits vorher Positionen festlegt, die dann eine Diskussion der beteiligten Verbände und Vereine überflüssig erscheinen lassen könnten.

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Das Land Schleswig-Holstein wird bei dieser politischen Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Wir werden insbesondere bei der Frage nach der Stärkung der Rolle der Regionen unsere praktischen Erfahrungen aus der Ostseekooperation einbringen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Joachim Behm [F.D.P.])

Wir werden auch darauf achten, dass es bei der Kompetenzabgrenzung nicht zu einem Kleinkrieg kommt. Es war ein Fehler, dass in Deutschland lange nur über die bayerische Fundamentalopposition gegenüber Kompetenzlisten gestritten wurde. Wir wollen ein flexibles System. Europa darf keine Spielwiese für Probleme werden, die wir allein nicht hätten und deswegen auch nicht lösen können, sondern es müssen Antworten auf dringende Probleme, die wir haben werden, gegeben werden. Dabei spielt für mich eine wichtige Rolle, dass diese Diskussion nicht durch staatsrechtliche beziehungsweise philosophische Grundsatzdiskussionen erstickt und nicht von bürokratischem Technokratendeutsch stranguliert wird; sie muss vielmehr die Herzen und den Verstand der Menschen erreichen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie darf nicht mit wohlfeilem Stammtischgerede platt gemacht werden, sodass sie ihre volle Wirkung in einem vereinten Europa nicht erreichen kann.

(Rolf Fischer [SPD]: Sehr richtig!)

Ich habe für diese Diskussion konkrete Vorschläge:

Erstens. Europa braucht neue Projekte. Die Menschen, die hier leben, müssen sich mit Europa und nicht nur mit Deutschland oder Schleswig-Holstein identifizieren. Ein Projekt, das dazu beitragen könnte, wäre eine Gesundheits- und Umweltunion. Nur gemeinsam mit unseren Nachbarn können wir für gesunde Ernährung und eine intakte Umwelt sorgen.

Europa braucht - zweitens - klare Zuständigkeiten. Die wichtigen Kompetenzen, die Europa hat, um unsere Interessen gemeinsam zu vertreten, müssen klar gegenüber den Fragen abgegrenzt werden, bei denen wir unsere Interessen vertreten dürfen. Das darf nicht allein in Brüssel und in Straßburg entschieden werden. In vielen Fällen sind wir näher an den Menschen und deren Problemen.