Protokoll der Sitzung vom 23.03.2001

(Beifall bei der F.D.P.)

Sie haben gezeigt, dass der Bürger durch niederschwellige Angebote erreicht werden kann, und eine Messlatte dafür gelegt, wie diese künftige Institution

(Dr. Heiner Garg)

auch aussehen mag, in welcher Form sie auch immer wird. Immer haben Sie „Duftmarken“ hinterlassen und gezeigt, wie es sein soll. Ich kann Ihnen eines versprechen: Egal welche Vorschläge die F.D.P.-Fraktion möglicherweise zur Umstrukturierung wann auch immer erarbeiten wird, die Niederschwelligkeit, Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe Ihres Angebotes sind auch für uns Messlatte jeder künftigen Konstruktion dieses Amtes.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, für uns alle kann es letztlich nur darum gehen, dass Verwaltungshandeln so wenig Anlass zur Beschwerde gibt wie möglich. Nicht die jährlich steigende Anzahl von Eingaben ist der Beleg für eine bürgerfreundliche Politik, sondern das genaue Gegenteil sollte der Fall sein. Wir müssen daran arbeiten.

Ihnen, liebe Frau Warnicke, wünsche ich für die Zukunft von Herzen alles Gute. Ich bedanke mich noch einmal für Ihre Arbeit und bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei F.D.P., SPD, CDU und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Birk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bürgerfreundlichkeitstest für Sozialämter und Sozialversicherungen in Schleswig Holstein - das drängt sich mir als neues Instrument auf, wenn ich diesen letzten Bericht der Bürgerbeauftragten Frau Warnicke lese. Durch alle Berichte zieht sich wie ein roter Faden, dass Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen in diesem Landes trotz vieler positiver Erfahrungen offensichtlich immer wieder die negative Erfahrung machen, als Bittsteller abgewiesen zu werden.

Dank des Engagements der Sozialministerin gibt es inzwischen einen landesweiten Leistungsvergleich. Diesem Benchmarking können wir entnehmen, wie viel Geld in den einzelnen Kommunen für welche Sozialhilfeleistungen ausgegeben werden, sowie eine Reihe von anderen Detaildaten bekommen. Was wir allerdings nicht wissen, ist: In welcher Qualität wird beraten? Werden Anspruchsberechtigte - und wenn ja, wie viele - mit welchen Methoden möglicherweise abgeschreckt und so um ihre Ansprüche gebracht? Die zunehmende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Rechte nur mithilfe der Bürgerbeauftragten durch

setzen, zeigt: Wir brauchen ein Benchmarking aus Sicht der Hilfe Suchenden.

Frau Warnicke hat als Bürgerbeauftragte eine solche Funktion natürlich wahrgenommen. Aber inzwischen sind die Kenntnisse, die wir durch die vielen Berichte auch hinsichtlich der systematischen Fehler erlangt haben, eine Mahnung an Landtag und Bundestag, die Gesetze zu verbessern. Insofern beobachtet meine Partei, Herr Garg, das Handeln der Regierenden durchaus selbstkritisch und kommentiert es in diesem Sinne.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Mit welcher Konsequenz?)

Aber natürlich sind wir auch gefordert zu überlegen, mit welchen Methoden die Einhaltung und die Transparenz der bestehenden Gesetze optimiert werden können.

Den Prozess eines solchen Leistungsvergleichs der Bürgerfreundlichkeit zu organisieren, und zwar nicht nur für die Sozialämter, sondern, wie wir mit Erschrecken feststellen müssen, auch für die Sozialversicherungen, ist sicherlich eine wichtige Zukunftsaufgabe für dieses Amt - aber nicht nur für dieses Amt, sondern auch für die Sozialministerin. Vor allem ist darin eine Bringschuld der kommunalen Landesverbände und der Sozialversicherungsträger zu sehen.

Ich möchte auf eine Reihe von Details, die mich in dieser Auffassung bestärken, wenigstens kursorisch eingehen. Zu Recht haben meine Vorredner das Thema Kindertagesstätten angesprochen. Nach meiner Kenntnis, nach dem, was an mich herangetragen wurde - unabhängig von dem, was die Bürgerbeauftragte berichtet hat -, hat es diese Beschwerden sowohl vor als auch nach der letzten Gesetzesänderung gegeben. Offensichtlich ist der Ausgleich der Kommunen, der auf diesem Feld stattzufinden hat, nicht so im Bewusstsein verankert, wie das sein sollte.

Der Rechtsanspruch der Eltern ist unabhängig vom Ort der Kindertagesstätte. Dies kommt zum Beispiel dann zum Tragen, wenn Eltern ihr Kind in eine Tagesstätte mit einer bestimmten pädagogischen Ausrichtung schicken wollen, wenn sie bestimmte Öffnungszeiten brauchen oder die Tagesstätte in der Nähe des Arbeitsplatzes liegen soll. Bei vielen Leuten in der Verwaltung ist ein Bewusstsein für dieses Recht der Eltern nicht so verankert, dass sie optimal beraten. Daraus entstehen Zuständigkeitsstreitigkeiten, die vielleicht durch eine noch klarere Formulierung des Gesetzgebers ausgeschlossen werden könnten. Ich bin sehr dankbar, dass Herr Baasch eine entsprechende Bereitschaft signalisiert hat. Nichtsdestotrotz haben die Kommunen eine Bringschuld, das, was der Gesetzge

(Angelika Birk)

ber im Gesetz verankert hat - aus meiner Sicht ziemlich klar -, zu vollziehen. Wir müssen also prüfen: Müssen wir hier noch nachhelfen oder ist eine ganz andere Art der Nachhilfe notwendig, nämlich die, den kommunalen Landesverbänden durch geeignete Instrumentarien nahe zu bringen, dass sie die Gesetze entsprechend einzuhalten haben?

Nun zum Thema Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe. Herr Garg hat gerade schon das Beispiel angeführt, dass einem alten Menschen der Rollstuhl mit einer wirklich zynischen Bemerkung vorenthalten wurde. Ich muss Ihnen leider sagen, dass dieser Zynismus kein Einzelfall ist. Über die Systematik der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung - es geht natürlich auch um das sich auf Bundesebene in Veränderung begriffene Sozialgesetzbuch IX - ist ein offener Streit entbrannt. Ich kann nur an all diejenigen, die sich mit der Sozialpolitik befassen, appellieren: Beobachten Sie auf Landes- und Bundesebene, was die Abgeordneten, was die Ministerien tun, um diesen Streit so zu lenken, dass die Mittel für die notwendige Eingliederung, die ein Recht eines jeden Menschen sein sollte, egal wie krank oder behindert er ist, nicht mit fadenscheinigen Argumenten verweigert werden und diese Ansprüche im Hin- und Herschieben zwischen den Leistungsträgern Sozialversicherung, Pflegeversicherung, Krankenversicherung und anderen untergehen. Insofern ist aus meiner Sicht eine Klarstellung im SGB IX notwendig. Unsere Fraktion hat sich diesbezüglich auch an die Bundesebene gewandt.

Darüber hinaus gibt es natürlich eine Reihe von Aufgaben im Landesrecht. Sie haben sicherlich die Übersicht, die Frau Warnicke erstellt hat, gesehen. Bei einigen Punkten steht ja ganz stolz: Abhilfe geschaffen, Gesetz wurde geändert. Aber ich sehe dennoch eine Reihe von offenen Fragen, gerade auch im Bereich der Menschen mit Behinderung. Anlässlich des europaweiten Tages der Menschen mit Behinderung wird sicherlich wieder darauf hingewiesen werden, dass behinderte Kinder nachmittags oftmals keine Gleichaltrigen um sich herum haben und dass es nach wie vor Streit um die Frage gibt: Wie viel Zeit hat die Schule zu investieren, wie kann dem Anspruch dieser Kinder auf Freizeit und Schule besser entsprochen werden? Die Bürgerbeauftragte hat uns diesbezüglich eine Änderung des Schulgesetzes empfohlen. Ich denke, wir sollten uns dieses Themas - gerade auch vor dem Hintergrund dieser Anhörung, die am 4. Mai stattfinden wird - noch einmal annehmen.

Zu einem weiteren Problem, das schon im Eingabenausschuss und in anderen Ausschüssen thematisiert worden ist! Dabei handelt es sich für mich um eine Posse des Landesbeamtenrechts, auf die die Bürgerbeauftragte zu Recht noch einmal hingewiesen hat. Es

kann ja wohl nicht mehr zeitgemäß sein, dass geschiedenen Ehefrauen, die zufällig mit einem Landesbeamten verheiratet waren, keinen eigenständigen Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben. Uns eröffnen sich - anders, als das beim Finanzministerium der Fall ist - durchaus Wege, um Abhilfe zu schaffen, ohne dass die Privilegien des Beamtenstatus, die ja verfassungsrechtlich geschützt sind, verletzt werden. Es macht natürlich betroffen, wenn man feststellt, dass Fehler des Bundesgesetzgebers aus dem Jahre 1977 dazu geführt haben, dass Ehen, die vor diesem Zeitpunkt geschieden wurden, nun den Ehefrauen, die jetzt in den verdienten Ruhestand kommen, insofern schaden, als ihnen jetzt, wenn sie schuldhaft geschieden wurden, Rentenansprüche vorenthalten werden.

Dies zeigt sehr deutlich, dass Bundes- und Landesgesetzgeber dann, wenn verschiedenartige Gesetzeswerke ineinander greifen, überfordert sind, wenn die Verwaltung ihnen eben diese Klippen nicht vorher aufzeigen. Manchmal sieht auch die Verwaltung die Klippen nicht, aber manchmal gewinnt man schon den Eindruck - gerade bei so umfassenden Gesetzeswerken, wo die Regierung eine Vorlage macht -, dass vielleicht gar kein Interesse daran besteht, dass die Abgeordneten den Umfang ihrer Entscheidung übersehen konnten. Dies gilt, so denke ich, gerade für die länger zurückliegende Vergangenheit auf Bundesebene.

Wir haben jetzt daran zu denken, wie die Arbeit von Frau Warnicke weitergeführt werden wird. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Durch die Art, wie Sie die Arbeit ausgeführt haben, durch Ihre direkte Art, auf Menschen zuzugehen, haben Sie immer gezeigt - sowohl den Hilfe Suchenden als auch denjenigen, denen Sie auf die Füße treten mussten, vor Ort, im Parlament oder bei der Regierung -, was geändert werden kann. Sie haben klare Worte gesprochen, es aber stets nicht an Herzlichkeit vermissen lassen.

Ich denke, Sie haben durch diese ansprechende Form viele, die zunächst widerspenstig waren, davon überzeugt, dass eine Änderung notwendig ist. Hierfür möchte ich Ihnen auch im Namen meiner Fraktion sehr herzlich danken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Diese Art von Verwaltungs- und Politikberatung, von anspruchsvollem Controlling in Sachen Gerechtigkeit hat Maßstäbe gesetzt. Selbstverständlich habe ich keinerlei Kritik an Frau Warnickes Arbeit, Herr Garg! Wir sind aber immer gehalten zu sehen, wie wir in verschiedenen Bereichen Synergieeffekte erreichen können. Daher die Anregung meiner Fraktion, die auch nicht in Widerspruch zu dem steht, wie ich die Arbeit

(Angelika Birk)

von Frau Warnicke bisher erfahren habe, zu überlegen - das ist mehr eine Anregung an die anderen Beauftragten -, wie in Zukunft noch mehr Synergieeffekte erreicht werden können, nicht um Geld zu sparen, sondern um die vorhandene Arbeit noch besser zu erledigen.

Frau Warnicke hinterlässt große Fußstapfen. Wer ihre Aufgabe künftig wahrnehmen wird, wird es sicherlich nicht ganz einfach haben, diese Fußstapfen auszufüllen.

Ich möchte an dieser Stelle Folgendes sagen. Ich bin ein bisschen traurig, Sie in Zukunft nicht mehr regelmäßig hier zu sehen. Ich darf das auch aufgrund der ganz persönlichen Zusammenarbeit, die wir hatten, sagen. Ich hoffe, dass Sie in Zukunft all das, was Sie sich vorgenommen haben, machen können. Ich wünsche Ihnen insbesondere Kraft und Gesundheit. Das nämlich ist die Voraussetzung dafür, die Jahre, die jetzt vor Ihnen liegen und die nicht mehr so viele Pflichten mit sich bringen, genießen zu können. In Lübeck werden wir uns sicherlich noch häufiger begegnen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Erschrecken Sie sie nicht!)

Ich glaube, gerade dort haben wir ein weites Betätigungsfeld. Ich danke Ihnen im Namen meiner Fraktion.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Warnicke! Ich muss gestehen, dass mich der vorliegende Bericht wieder betroffen gemacht hat. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig unsere moderne Gesetzgebung und Verwaltung in der Lage ist, auf die aktuellen Bedürfnisse einzelner Bürgerinnen und Bürger einzugehen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Und das nach 13 Jahren SPD!)

Es ist Aufgabe der Bürgerbeauftragten, Menschen zu helfen, die in unserem System nicht ausreichend berücksichtigt und gerecht behandelt werden. Die vielen Beispiele machen wieder einmal deutlich, wie wichtig diese Arbeit ist. Die Bürgerbeauftragte gibt uns als Parlament viele Anregungen, die hier nicht angesprochen werden können. Auch deshalb möchte ich exemplarisch nur ein Beispiel herausnehmen.

Auch bei mir geht es um § 25 a Kindertagesstättengesetz. Wir haben uns dazu überlegt, ob man nicht vielleicht noch etwas weiter denken sollte. Man könnte den Eltern auch generell die Zuschüsse für die Kinderbetreuung zusprechen. Dann könnten sie allgemein freier wählen, welche Form und welche Leistungen der Kinderbetreuung sie in Anspruch nehmen.

In dieser Frage würde sich wieder einmal ein Blick nach Dänemark lohnen, wo man solche Konten der Kinderbetreuung mancherorts eingeführt hat. Wir denken, dass es vielen Berufstätigen, Alleinstehenden und Frauen, die gern berufstätig werden wollen, helfen würde, wenn es ein solches Kinderbetreuungskonto gäbe. Dort, wo es in Dänemark ein solches Konto gibt, entscheiden die Eltern selbst, ob sie eine Kindertagesstätte oder eine Tagesmutter in Anspruch nehmen oder ob sie die Kinder gar selbst zu Hause betreuen und dafür den öffentlichen Zuschuss bekommen. Mir ist klar, dass ein solches Modell erhebliche Nachteile haben kann. Wir sollten uns aber zumindest einmal seriös mit einer derartigen Lösung beschäftigen, weil sich bei einer guten Umsetzung eine ganze Reihe von Problemen vermeiden ließe.

Der vorliegende Tätigkeitsbericht macht auf jeden Fall wieder einmal deutlich, dass gerade die Mitglieder von Familien zu den Bürgerinnen und Bürgern gehören, denen wir das Leben noch erheblich erleichtern können und müssen.

Der Bericht der Bürgerbeauftragten macht auch deutlich, wie weit wir im Land mit dem Projekt bürgerfreundliche Verwaltung sind. Viel zu häufig entsteht noch der Eindruck, dass es darum geht, die Verwaltungen vor den Bürgerinnen und Bürgern zu schützen. Offensichtlich wird vielfach die Parole ausgegeben, dass die öffentlichen Kassen vor den gierigen Griffen der Bürgerinnen und Bürgern geschützt werden müssen - auch, wenn es um rechtmäßige Ansprüche geht. Wir sind ganz offensichtlich noch weit davon entfernt, dass Verwaltungen nicht vorrangig Staatsdiener sind, sondern in erster Linie der Bevölkerung dienen. Sie sind da, um das gesellschaftliche Zusammenleben zu ermöglichen und politisch festgelegte Ansprüche zu erfüllen.

Die neue Bürgerfreundlichkeit, die nicht zuletzt im Zuge der Verwaltungsmodernisierung und neuer Steuerungsmodelle allenthalben propagiert worden ist, scheint weiterhin ein theoretisches Konzept zu sein. Ich erwarte aber, dass die Verwaltungen im Land den Bürgerinnen und Bürgern zu ihren verbrieften Rechten verhelfen und diese auch beraten und nicht die Erfüllung rechtmäßiger Ansprüche verhindern. Das ist das Mindeste. Ich weiß, dass die meisten Verwaltungen ihre Arbeit gewissenhaft und richtig erfüllen. Die Bür

(Silke Hinrichsen)

gerbeauftragte zeigt uns aber, dass es immer noch reichlich Ausnahmen davon gibt.

Angesichts der vorliegenden Bilanz und der hervorragenden Bestandsaufnahme noch bestehender Probleme fällt es schwer zu verstehen, warum CDU und F.D.P. regelmäßig im Rahmen der Haushaltsberatungen die Abschaffung der Dienststelle der Bürgerbeauftragten fordern. Es kann nur so sein, dass die Haushälter von CDU und F.D.P. jedes Jahr bei ihrer panischen Suche nach Gegenfinanzierungsvorschlägen vergessen, was in den Tätigkeitsberichten der Bürgerbeauftragten aufgedeckt wird.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anders ist es gar nicht zu erklären. Jede Zeile des vorliegenden Berichtes nämlich liest sich wie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Bürgerbeauftragte.

(Glocke des Präsidenten)