Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich eigentlich nicht mehr melden wollen,

(Beifall bei der SPD)

aber ich mache es doch noch einmal zum Schluss, um Missverständnissen vorzubeugen, die sich über die letzten Beiträge einschleichen könnten.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie können nicht wieder gutmachen, was Ihre Leute gesagt haben!)

Es gehört schon eine gewisse Bereitschaft dazu, unseren Antrag misszuverstehen, wenn man aus unserem Antrag herauslesen will, dass wir die Unterrichtszeit bis 16 Uhr durchknüppeln wollten. Das ist Unsinn. Wir sagen ja auch, dass es eine Verzahnung der unterrichtlichen und der außerunterrichtlichen Akti

(Jost de Jager)

vitäten geben muss, wir sagen, dass es eine Entzerrung des Unterrichtsblocks am Vormittag geben muss, und so weiter.

Nur eines ist doch auch klar - das wollen wir deutlich machen -: Ganztagsschule beruht auf dem Konzept fester Schulzeit. Es ist so: Dann, wenn ein Kind erst einmal angemeldet ist - die Anmeldung ist freiwillig -, ist der Besuch zur vollen Schulzeit verbindlich. Es kann nicht so sein, dass wir an Ganztagsschulen nachmittags unterschiedliche Klassenstärken haben aufgrund von Schülerinnen und Schülern, die einmal kommen und einmal nicht. Wenn Ganztagsschule gegeben ist, dann arbeitet sie auch am Nachmittag. Das ist wichtig.

Ein anderer Punkt ist auch wichtig, bei dem wir noch einmal in die Debatte hineinkommen: Betreuungsangebote und Schulangebote. Wenn wir wirklich - wie wir es als CDU machen - die Ganztagsschule mit gewissen inhaltlichen Ansprüchen und Anforderungen verbinden, dann ist es auch wichtig, dass diese Anforderungen im Lande dort, wo sie angeboten werden, auch gleich sind. Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir einen Flickenteppich unterschiedlicher Schulqualitäten im Land bekommen, weil wir überall örtlich zurechtgezimmerte Angebote und Konzepte von Ganztagsschulen haben. Das darf es nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein wichtiger Teil der Schulqualitätsdebatte. Das möchte ich noch einmal sagen und das ist auch der Punkt, bei dem es überhaupt nicht darum geht, Betreuungsangebote herabzuwürdigen. Es ist nur so: Sie haben einen anderen Ansatz und sie haben eine andere Qualität und wir wollen eben den Qualitätsanspruch auch über die Ganztagsschule durchsetzen.

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zu der Frage des ideologischen Ballastes und der Debatten von einst sagen, auch gerade dazu, was Sie gesagt haben, Herr Hentschel. Ich finde, wir müssen diese Debatten von einst überhaupt nicht mehr führen.

(Zuruf von der SPD: Ah, ah!)

Es doch klar, dass es früher die Debatte um die Ganztagsschule gab, auf der einen Seite sozusagen dieses sozialistische Konzept, bei dem der Staat

(Lachen bei der SPD)

- ja, früher war das so! - sozusagen die Erziehung übernimmt und so weiter. Das alles ist - das sage ich Schnee von gestern. Wir reden heute über die Ganztagsschule aufgrund von ganz konkreten gesellschaftlichen Bedarfssituationen, die wir haben. Die sind unterschiedlich und die sind differenziert und diese wollen wir aufnehmen. Das ist der Grund - nicht

weil wir bildungspolitische Ideologiedebatten von früher führen wollen, sondern weil wir pragmatische Schulpolitik machen wollen mit fest vereinbarten Standards. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte nur fünf Minuten Redezeit angemeldet und habe mich daran gehalten.

Deswegen stehen Ihnen jetzt zweieinhalb Minuten zu.

(Heiterkeit)

Aber, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss dann doch noch einmal, nachdem jetzt der Kollege de Jager versuchte, gute und schlechte Debatten zu charakterisieren, zum Thema Ganztagsschule und Schulpolitik eine Bemerkung machen, die ich mir dann doch nicht verkneifen kann. Ich fand es gut - das muss ich sagen -, dass die CDU ein Bild entworfen hat, zu dem wir uns verhalten können. Das ist schon einmal wichtig;

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

denn wir müssen auch Bilder haben, über die wir diskutieren können. Damit meine ich aber nicht, dass die Kritik, die heute auch deutlich geworden ist, vom Tisch zu wischen ist. Ich stimme dem Kollegen Klug zu, wenn er sagt, dass hier auch ein Popanz aufgebaut wird, der nicht richtig ist und der auch nicht hinnehmbar ist.

Ein Problem müssen wir im Ausschuss auch noch einmal diskutieren - insgesamt gibt es noch viele offene Fragen -, nämlich wie Chancengleichheit gewährleistet werden kann auch unter der Überschrift „Stadt und Land“.

Es gibt noch viele Fragen und ich denke, wir sollten auch sehen, dass wir im Ausschuss noch ein bisschen zu tun haben.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Es ist Überweisung beantragt worden - natürlich an den Fachausschuss. Wird Mitberatung gewünscht und wenn ja, von welchen Ausschüssen? - Das ist nicht der Fall. Also sollen alle drei Anträge dem zuständigen Fachausschuss für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport überwiesen werden. Wer so entscheiden will, den bitte ich um Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit haben wir das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf:

Weiterentwicklung der beruflichen Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren

Landtagsbeschluss vom 23. März 2001 Drucksache 15/797 (neu)

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/911

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/933 (neu)

Ich erteile zunächst Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort zur Berichterstattung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die inhaltliche Gemeinsamkeit wird sich in diesem Tagesordnungspunkt vielleicht fortsetzen.

Vielleicht können wir die einsetzende Wanderbewegung etwas leiser gestalten.

Ich bin noch bei meinen Vorbemerkungen. Insofern stört es mich nicht.

(Heiterkeit)

Unsere Betriebe und Arbeitnehmer haben weltweite Konkurrenz bekommen. Das gilt für alle Regionen und inzwischen für alle Arbeitsfelder und keineswegs nur für den Hightechbereich oder in der New Economy. In diesem Zusammenhang ist auf ein paar Fakten hinzuweisen, die für die weitere Diskussion über die beruflichen Schulen und über das duale System insgesamt ganz wesentliche Bedeutung haben. Diese Fakten sind 1998 im Berufsbildungsbericht zusammengetragen worden.

Erstens. Nur noch zwei Drittel, also 65 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, haben in Deutschland eine feste Anstellung ohne zeitliche Begrenzung. 1970 waren es noch 85 %.

Zweitens. Fast jeder dritte Arbeitnehmer geht innerhalb eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis ein.

Drittens. Von den jungen Erwachsenen, die zwischen 1992 und 1996 ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, arbeiten zwei Jahre später nur noch 45 % in ihrem Ausbildungsberuf.

Das sind dramatische Daten und das sind Zahlen, die zeigen, dass fast jeder Arbeitnehmer in Deutschland von dieser Entwicklung betroffen ist.

Die Aufgaben der beruflichen Schulen, der dualen Ausbildung insgesamt, muss es sein, unter diesen veränderten Bedingungen auf neue Formen des Arbeitslebens und der Berufsbiografie vorzubereiten.

Wir reden über nichts Geringeres als über einen Beitrag zur Zukunftssicherung, auch zur Zukunftssicherung unseres Landes. Dieser Beitrag ist dringend, weil schon heute die veränderten Anforderungen an berufliche Bildung mit den vorhandenen Strukturen der beruflichen Schulen nur noch schwer in Einklang gebracht werden können. Dies ist übereinstimmende Position in den Konferenzen der Wirtschaftsminister, der Arbeitsminister und der Kultusminister.

Unser Reformvorhaben verfolgt im Wesentlichen drei Ziele. Sie sind im Bericht beschrieben. Ich will sie hier in aller Kürze darstellen. Das sind die Ziele, die ich am 9. März zur ergebnisoffenen Diskussion gestellt habe.

Erstens. Durch die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren bekommen sie eine wirkliche Autonomie mit großer Eigenverantwortung. An die Stelle der Detailsteuerung durch das Land tritt eine Rahmensteuerung mit entsprechendem Kontraktmanagement - man kann es auch „Zielvereinbarung“ nennen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, betone ich: Die berufliche Bildung in unseren Schulen, also der schulische Teil der dualen Ausbildung, ist und bleibt eine öffentliche, eine staatliche Aufgabe mit Verfassungsrang und so soll es auch in Zukunft sein.

Bei der Weiterentwicklung der beruflichen Schulen geht es also nicht um eine Privatisierung staatlicher Aufgaben, sondern um das Ziel, öffentliche Aufgaben besser, effektiver, zukunftsgerichtet zu lösen. Das Ministerium wird demnach zukünftig die Aufgabenstellung und die Standards festzulegen und die Mittel zur Aufgabenerfüllung bereitzustellen haben. Die Art der Aufgabenerfüllung wäre dann eigenverantwortlich