Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fehlbetrag von 35 Millionen DM hat natürlich Auswirkungen auf den Haushalt. Nur ist dieser Fehlbetrag auch ein bildungspolitisches Thema. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir heute Nachmittag in der Bildungspolitik „business as usual“ machen und über die Weiterentwicklung der Hauptschule und die Netzwerkbetreuung an öffentlichen Schulen, über Referendarbezüge und über die Sicherung des zukünftigen Lehrerbedarfs sprechen, ohne dass wir in der entscheidenden Frage Klärung haben, welche Auswirkungen dieses 35-Millionen-DM-Loch für die weitere Bildungspolitik dieses Landes hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb muss bereits heute - und zwar zu Beginn des Bildungsblocks, den wir heute Nachmittag diskutieren werden - über diese Frage debattiert werden. Wir beantragen, dass der Tagesordnungspunkt heute um 15:30 Uhr statt des Tagesordnungspunktes 24 aufgerufen wird. Das bieten wir als Antragsteller an.

Der Fraktionsvorsitzende hat mich gebeten, schon gleich deutlich zu machen, dass die CDU-Fraktion eine Sitzung des Ältestenrats beantragt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir werden jetzt abstimmen.

Es ist beantragt worden, diesen Tagesordnungspunkt als Tagesordnungspunkt 17 a in die Tagesordnung einzureihen und als eigenständigen Punkt am Freitagmorgen um 10:00 Uhr zur Beratung aufzurufen. Wer diesem Antrag folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist mehrheitlich so entschieden und ich brauche den zweiten Geschäftsordnungsantrag nicht mehr aufzurufen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kayenburg das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Wir haben für Freitagmorgen 10:00 Uhr einen festen unaufschiebbaren Termin. Usance in diesem Hause ist, einen derartigen Tagesordnungspunkt nach den festen Punkten und nicht statt fester Punkte einzureihen. Ich bitte, das zu prüfen.

Herr Abgeordneter Kayenburg, das Haus hat anders beschlossen. Es gab einen Vorschlag des Ältestenrats, aber das Haus hat anders beschlossen.

Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 9, 10, 12, 22 sowie 25 bis 28 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 6 und 13, Gesetz zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Tagesordnungspunkte 8 und 21, Zukunft des ÖPNV und bahnpolitisches Konzept, sowie die Tagesordnungspunkte 30 und 32, Referendarbezüge für Lehramtsanwärter an beruflichen Schulen.

Anträge zur Aktuellen Stunde und Fragen zur Fragestunde liegen mir nicht vor.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 13. Tagung.

Unter Einschluss einer jeweils zweistündigen Mittagspause werden wir längstens bis 18:00 Uhr tagen.

Widerspruch höre ich nicht; dann werden wir so verfahren.

Bevor wir in die Beratung eintreten, will ich Besucherinnen und Besucher begrüßen. Auf der Tribüne sind Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule Neumünster, der Realschule Grömitz und des Freiherrvom-Stein-Gymnasiums Oldenburg mit ihren Lehrerinnen und Lehrern eingetroffen. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Bevor wir ganz geschäftlich werden, möchte ich Herrn Abgeordneten Sager zur Wahl zum Landrat im Kreis Ostholstein ganz herzlich gratulieren.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Integration

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/973

Das Wort zur Begründung ist nicht gewünscht worden.

Wir treten in die Aussprache ein. Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Schlie.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein soll auch in Zukunft ein offenes und gastfreundliches Land bleiben. Die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sehr gut! - Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ihre Integration ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine politische Chance und Ziel unseres politischen Handelns.

Die CDU erwartet von den rechtmäßig schon hier lebenden und den noch nach Deutschland kommenden Ausländerinnen und Ausländern die Anerkenntnis der Verpflichtung, sich aktiv um die Einordnung und die Teilnahme am Zusammenleben in der Bundesrepublik Deutschland zu bemühen.

Eine erfolgreiche Integrationspolitik bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen. Integration bedeutet Toleranz für andere Lebensarten einerseits und das Bemühen, sich einzufügen andererseits. Die Integration stellt Anforderungen an beide Seiten, wobei sich beide Seiten gegenseitig nicht überfordern dürfen.

Die Integration der auf Dauer bleibeberechtigten Ausländer ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen. Rund 7,3 Millionen Ausländerinnen und Ausländer leben in Deutschland. Fast die Hälfte aller Ausländer lebt seit mindestens zehn Jahren hier. Ein Fünftel aller Ausländer ist bereits in Deutschland geboren. Mehr als 50 % der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer stammen aus den ehemaligen Anwerbeländern, sind als ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Jahren 1955 bis 1973 angeworben worden, im Wege des Familiennachwuchs eingereist oder hier geboren.

Die möglichst weitgehende Teilhabe der hier dauerhaft lebenden bleibeberechtigten Ausländer am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben liegt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Für ihre dauerhafte Integration in Gesellschaft, Staat, Arbeitsleben und Kultur sind verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen ebenso notwendig wie - das ist fast noch

(Klaus Schlie)

wichtiger - ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit der Integration. Die Freizügigkeit in Europa einerseits und ein immer größer werdender Anteil von Ausländern andererseits, die seit vielen Jahren, teilweise schon seit Jahrzehnten, hier leben oder hier geboren sind, unterstreichen die Wichtigkeit der ausländer- sowie gesellschaftspolitischen Zielsetzung der Integration auf Dauer bleibeberechtigter Ausländer.

Die Anstrengungen für eine gelungene Integration müssen so früh und so effizient wie möglich ansetzen. Dabei kommt ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache eine entscheidende Rolle zu. Die deutsche Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss von Schul- und Berufsausbildung, die erfolgreiche Bewerbung um einen Arbeitsplatz, das vollwertige Ausfüllen des Arbeitsplatzes und letztlich die Teilnahme am täglichen Leben. Zwar gibt es bereits eine ganze Reihe von Angeboten zur Sprachförderung, eine Verpflichtung, diese Angebote anzunehmen, besteht jedoch meistens nicht. Konkrete Verpflichtungen, einhergehend mit einem System von Anreizen und Sanktionen, können jedoch aus unserer Sicht dazu beitragen, dass die bleibeberechtigten Ausländer möglichst rasch die deutsche Sprache erlernen und dadurch erst die Grundlage für eine gelungene Integration schaffen.

Wir wissen, dass dieser Vorschlag auch umstritten ist. Aber wir denken, es lohnt sich wirklich, darüber miteinander zu diskutieren und nach Lösungen zu ringen, weil die deutsche Sprache tatsächlich ein Schlüssel für die Integration ist.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft und zielgerichtet über eine neue Zuwanderungspolitik einen politischen und gesellschaftlichen Konsens erzielen wollen, so müssen wir uns zuerst einmal Gedanken über die Notwendigkeit einer wirksamen Integrationspolitik machen. Deshalb sind die Eckpunkte unseres Antrages weder ein Schnellschuss, wie die SPD meint, noch die Aneinanderreihung von Selbstverständlichkeiten, wie die FDP zu erkennen glaubt. Wir haben unsere Hausaufgaben sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene gemacht. Ihre Vorschläge erwarten wir mit großer Spannung.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Unser Antrag dient dazu, die längst überfällige Diskussion über eine Integrationspolitik und die sich daraus ergebenden Maßnahmen hier im Parlament zu führen. Der parlamentarische Beratungsprozess muss

dann allerdings vor allem auch die Betroffenen einbeziehen. Wir erwarten ein Beratungsverfahren in den zuständigen Ausschüssen, das einen Dialog mit den schon hier lebenden Ausländerinnen und Ausländern eröffnet, um die besten Konzepte für eine erfolgreiche Integrationspolitik zu formulieren.

Wir brauchen eine breite, gerade auch öffentliche Diskussion über die Inhalte der Integration. Wenn wir es ernst meinen mit der Aussage, dass wir ein offenes und gastfreundliches Land bleiben wollen, dann müssen wir gemeinsam auch dafür sorgen, dass die Bevölkerung zur Akzeptanz der Integration gebracht wird, und dann müssen wir gezielte Maßnahmen ergreifen und wir müssen eine öffentliche Diskussion, einen breiten Dialog führen und versuchen, einen Konsens herbeizuführen.

Gerade wenn wir sagen und meinen, dass Integration nicht Assimilation ist, also nicht die Preisgabe von Eigenheiten, von religiösen und weltanschaulichen Identitäten und gewachsenen Traditionen verlangt, müssen wir dafür sorgen, dass keine Parallelgesellschaften entstehen. Hier unterscheiden wir uns nach wie vor doch ein wenig von den Grünen, die eine multikulturelle Gesellschaft im Sinne eines dauerhaften unverbundenen Nebeneinanders vertreten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] - Thorsten Geißler [CDU]: Es müssen doch gewisse Unterschiede sein!)

Eine multikulturelle Gesellschaft im Sinne eines dauerhaften, unverbundenen Nebeneinanders unterschiedlicher gesellschaftlicher oder ethnischer Gruppierungen ist nicht akzeptabel und führt zum Verlust des Zusammenhalts und der Identität einer Gesellschaft und ist für uns nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU - Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wis- sen Sie das eigentlich so genau?)

- Werte Frau Kollegin, das weiß ich unter anderem deswegen, weil ich in meiner Heimatstadt seit vier Jahrzehnten gemeinsam mit Ausländerinnen und Ausländern lebe und beispielsweise mit Türkinnen und Türken zusammengearbeitet und sehr eng auch die Freizeit gestaltet habe.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Türkinnen?)

- Mit Türkinnen und Türken, jawohl!

(Heiterkeit)

Das unterscheidet uns vielleicht, Herr Kollege Kubikki!