Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit meine ich das Erlernen der deutschen Sprache und die Akzeptanz der wesentlichen Wertentscheidungen unserer Gesellschaft. Das ist eine Erwartungshaltung, die wir gegenüber allen Ausländern haben und die wir schon früher formuliert haben. Wenn das nun von allen mitgetragen wird, schaffen wir in der Integrationspolitik gemeinsam mehr.

Ich wünsche, dass unser Antrag Zustimmung findet, und freue mich sehr auf eine konstruktive gemeinsame Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja interessant, dass sich Herr Wadephul auf die Süssmuth-Kommission beruft. In den Diskussionen der nächsten Wochen wird man sehen, ob das auch auf Bundesebene so sein wird.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Ob der Bun- deskanzler das so übernimmt, das wird man sehen! Da bin ich mir nicht so sicher!)

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Bislang ist auf diesem Gebiet bei der CDU auf Bundesebene ein Konsens noch in weiter Ferne. Ich wünsche mir aber, dass dieser Konsens insgesamt kommt.

Ich glaube, heute haben wir uns nicht mit den Äußerungen von Herrn Stiegler oder mit den Vorschlägen von Frau Süssmuth

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das sind die Vorschläge der Kommission, nicht von Frau Süssmuth!)

auseinander zu setzen, sondern mit dem, was in Schleswig-Holstein an Konzepten erarbeitet wird. An diesem Punkt habe ich - so erfreulich es ist, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung setzen wollen - keine Nachhilfe nötig, Herr Wadephul! Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir beschäftigen uns in Schleswig-Holstein schon lange mit diesem Thema; das wissen Sie auch.

(Klaus Schlie [CDU]: Was haben Sie denn gemacht?)

Eine fortschrittliche Ausländerund Integrationspolitik gehört zu den Markenzeichen dieser Landesregierung, insbesondere ihrer Innenpolitik; auch das wissen Sie.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Schlie [CDU]: Ein Thema ist es lange, aber was haben Sie ge- macht?)

Sie wollen jetzt die Landesregierung auffordern, ein Konzept zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern zu entwickeln. Ich kann Ihnen sagen: An einem solchen Konzept wird in der Landesregierung bereits seit langem gearbeitet.

(Zurufe von der CDU: Das ist ja schön! - Wann ist es denn fertig? - Das ist Ihr Mar- kenzeichen: Alles anfangen, nichts zu Ende bringen! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat leider ein Referent irgendwo verbuddelt! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

Deswegen hätte es Ihrer Aufforderung gar nicht bedurft.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kayenburg, ich hebe nur darauf ab, dass Sie einen Vorschlag zu einem Thema machen, von dem Sie eigentlich wissen müssten, dass die Landesregierung schon längst daran arbeitet.

(Lachen bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Das ist ja ein Witz! Sind Sie eigentlich auch Parlamentarierin?)

Nur am Rande Folgendes: Die Landesregierung hat führend an bundesweiten Vorhaben mitgewirkt,

(Zuruf von der CDU: Zum Beispiel an der Entbeamtungspolitik!)

zum Beispiel bei der Erarbeitung eines integrationspolitischen Konzeptes der Länder für die SüssmuthKommission. Ein anderes Beispiel: die in SchleswigHolstein erarbeiteten Vorschläge zur Verbesserung der Sprachförderung!

(Zuruf von der CDU: Das Motto: Hört auf, darüber zu diskutieren, wir überarbeiten das schon!)

Nicht ohne Grund ist Schleswig-Holstein vom Bund als Modellland für das neue Sprachkonzept auserkoren worden. Vieles von dem, was die CDU im Bereich Sprachenerwerb in Schule und Bildung fordert, gibt es bereits. Dazu ein paar Stichworte: Die seit 1997 geltenden Lehrpläne für die Grundschule und für die Sekundarstufe I verpflichten die Schulen und Lehrkräfte auf die besondere Aufgabe, den Sprachanfängern in Deutsch besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit welchem Er- gebnis?)

Für die sprachliche Integration werden in den Schulen Stunden im Umfang von 216,5 Planstellen eingesetzt. Der Schwerpunkt liegt dabei natürlich auf den Grundund Hauptschulen, aber auch auf den Realschulen. Vom kommenden Schuljahr an werden erstmalig auch die Gymnasien und die Gesamtschulen einbezogen.

Für die berufsbildenden Schulen wird eine Sprachförderkonzeption für Migrantinnen und Migranten erarbeitet, die sich speziell an diejenigen richtet, die ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die berufsbildenden Schulen aufgenommen werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ist auch einmal ir- gendwann irgendetwas fertig?)

Bei der Fortbildung und Fachberatung deckt das IPTS schulart- und fachübergreifend den gesamten Fortbildungs- und Fachberatungsbedarf in den Bereichen interkulturelle Bildung, Erziehung und Deutsch als Zweitsprache ab. Hierzu steht ein Team von sieben Moderatoren zur Verfügung. Regelmäßige Veranstaltungen zu den genannten Themen werden angeboten und auch sehr gut nachgefragt.

Durch eine gezielte Kooperation mit dem Innenministerium konnte die Ausnutzung der Garantiefonds

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

mittel für Schleswig-Holstein erfreulich gesteigert werden. Die Garantiefondsmittel ermöglichen eine aus Bundesmitteln finanzierte Eingliederungsförderung für junge Spätaussiedler, für Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte. In Schleswig-Holstein haben wir im Jahr 2000 knapp 4,3 Millionen DM für Sprachfördermaßnahmen nach den Garantiefondsrichtlinien ausgegeben.

Landesweit gibt es etwa 35 Schulen, die einen über 25 % liegenden Anteil von Schülerinnen und Schülern mit nicht deutscher Muttersprache aufweisen. Im Vergleich zu Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Berlin ist das natürlich eine geringe Zahl. Dennoch darf man das Problem für die betroffenen Schulen nicht unterschätzen. In der Regel handelt es sich um Schulen, die mit besonderen pädagogischen Herausforderungen belastet sind. In diesen Fällen werden durch die Schulämter Entlastungen durch besondere Zuteilung geschaffen, um so die sprachliche und pädagogische Integrationsarbeit an diesen Schulen zu unterstützen.

Sie sprechen ein besonderes Problem an, nämlich die Frage des islamischen Religionsunterrichts. Ich finde, die Intention, die bei Ihnen in diesem Antrag dahinter steht, ist eine richtige; ich teile sie auch. Leider setzen Sie sich aber nicht mit den massiven Problemen, die es in dieser Frage noch gibt, auseinander. Ich meine die Problematik, dass es bundesweit eben keine islamische Glaubensgemeinschaft schlechthin gibt, sondern unterschiedliche Glaubensgemeinschaften von den Schiiten über die Alawiten bis zu den Sunniten.

(Thorsten Geißler [CDU]: Schiiten gibt es aber nur wenige!)

- Gut.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben wir bei den Christen aber auch: Katholiken und Pro- testanten!)

- Ja, deswegen haben wir auch, wenn ich Ihnen das sagen darf, Herr Abgeordneter, katholischen und evangelischen Religionsunterricht. Sollen wir jetzt schiitischen, alevitischen und sunnitischen Religionsunterricht einführen? Es gibt keine zentrale Ansprechstelle für den Islam schlechthin in der Bundesrepublik; das ist doch die Problematik. Es gibt noch nicht einmal einen Lehrstuhl für islamische Theologie.

(Klaus Schlie [CDU]: Was haben Sie denn bisher gemacht?)

Die Lehrstühle, die wir bundesweit für Islamwissenschaften haben, können nicht als Ersatz dafür dienen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Problem, das bundesweit nicht gelöst ist.

(Thorsten Geißler [CDU]: Andere Bundes- länder sind da längst weiter!)

- Es gibt natürlich auch Bundesländer, in denen es Anträge einer islamischen Glaubensgemeinschaft gegeben hat; das wissen Sie doch. Dazu gab es eine gerichtliche Auseinandersetzung. In SchleswigHolstein hat es einen solchen Antrag einer Glaubensgemeinschaft bisher nicht gegeben.

(Klaus Schlie [CDU]: Sie regieren doch!)

- Herr Schlie, dass es einen solchen Antrag nicht gegeben hat, entbindet uns nicht davon, uns mit dem Problem zu beschäftigen; das gestehe ich gern zu.