Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Land Schleswig-Holstein (Landes-Vergabegesetz)

Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/957

b) Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/958

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1009

c) Auftragsvergabe

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1009

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel unserer Gesetzesinitiative ist es, einen fairen Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu gewährleisten. Derzeit ist es so, dass vor allem die Unternehmen, die niedrigere Tarife zahlen können, erhebliche Wettbewerbsvorteile genießen. In einem zusammenwachsenden Europa - aber auch bei einem teilweise extremen Tarifgefälle innerhalb Deutschlands - führt dies dazu, dass es zu einem ruinösen Wettbewerb kommt.

Wir wollen nicht den Wettbewerb aushöhlen. Deswegen haben wir im § 2 unseres Antrags auf Gesetzesänderung auch noch einmal deutlich formuliert, dass die Auftragsvergabe grundsätzlich per Ausschreibung erfolgen soll. Es geht uns darum, dass - wenn Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge stehen - alle Unternehmen unter den gleichen Bedingungen konkurrieren sollen. Dies deckt sich gerade auch mit den Wünschen, die zum Beispiel vom Baugewerbe kürzlich im Rahmen einer Anhörung hier im Landtag formuliert wurden. Die Bauunternehmen wollen keine Privilegien, aber sie wollen Chancengleichheit. Diese Chancengleichheit wollen wir mit unserem Gesetzentwurf herstellen.

(Beifall beim SSW)

Darüber hinaus wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen zu erhalten. Wir meinen, dass der Gesetzgeber bei öffentlichen Aufträgen auf jeden Fall sichern muss, dass diese nicht an Bewerber vergeben werden, die beispielsweise durch Lohndumping oder auch nur durch Sondertarife billiger sind. Deshalb ist ein zentraler Punkt unseres Antrags die Tarifbindung. Es soll der Tarif gelten, der vor Ort als ortsüblich angesehen wird. Somit würden beispielsweise die Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein im Lübecker Raum wieder auf gleicher Ebene konkurrie

(Lars Harms)

ren. Wir wollen, dass in- und ausländische Firmen und Unternehmen mit verschiedenen Tarifen am Ort der Leistungserstellung zu den gleichen Bedingungen konkurrieren. Erst dann ist wirklich fairer Wettbewerb unter den Unternehmen möglich.

Wir haben in unserem Antrag auf Gesetzesänderung festgeschrieben, dass öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden sollen, die nachweisen, dass sie ihre Steuern ordnungsgemäß abführen und dass sie die fälligen Beiträge zu den Systemen der sozialen Sicherheit entrichtet haben. Ausländische Unternehmen müssen hierfür gleichwertige Bescheinigungen in deutscher Sprache vorlegen. In der Vergangenheit hat es öfter den Fall gegeben, dass sich im Nachhinein nicht alle Unternehmen an diese Spielregeln gehalten haben. Wir wollen, dass die Unternehmen schon in der Phase des Wettbewerbs um Aufträge nachweisen, dass sie ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen werden. Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen wird hiermit keine Probleme haben. Wir sehen diese Bestimmung im Übrigen auch als eine Maßnahme zur Eindämmung der Schwarzarbeit, die wir gerade intensiv diskutiert haben.

(Beifall beim SSW)

Darüber hinaus haben wir in § 3 Abs. 2 festgelegt, dass in den politischen Gremien vor Ort verschiedene Standards festgeschrieben werden können. Ich betone das Wort „können“. Wir wollen, dass die politischen Gremien im Vorwege einer Ausschreibung an der Formulierung der Bedingungen beteiligt werden. Dies hat mit Sicherheit ein Mehr an Demokratie und Beteiligung zur Folge und ist vor allem auch ein öffentliches Verfahren. Das bedeutet, dass die Meinungsbildung vor einer Ausschreibung für den Bürger wesentlich transparenter wird.

Es ist sicherlich denkbar, noch andere Kriterien festzuschreiben. Ich denke zum Beispiel an die geschlechtliche Gleichstellung oder auch an eine Pflicht zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen. Wir haben uns aber bei der Formulierung des Gesetzentwurfs strikt an das gehalten, was in der im Juli vergangenen Jahres vorgeschlagenen EU-Verordnung 2000/0212 festgeschrieben worden ist, um nicht im Nachhinein möglicherweise mit EU-Recht zu kollidieren.

(Glocke des Präsidenten)

Könnten Sie auf den hinteren Rängen etwas mehr Aufmerksamkeit entfalten?

Diese EU-Verordnung befasst sich mit den Vergabekriterien für den Personenverkehr und gilt in Zukunft als maßgebliche Richtschnur für das Vergabewesen in allen Bereichen.

Wir glauben im Übrigen nicht, dass ein Vergabegesetz die öffentliche Auftragsvergabe erheblich verteuern würde. Wahrscheinlich wird das Preisniveau auf dem derzeitigen Stand bleiben. Aber selbst wenn sich die Auftragsvergabe aufgrund von höheren Standards im Einzelfall verteuern würde, so erhält der Bürger ja auch eine bessere Leistung. Ein Vergabegesetz wird aber vor allem auch dazu beitragen, dass heimische Unternehmen wieder eine Chance im Wettbewerb haben und so auch die kommunale Ebene weiterhin die Möglichkeit hat, Steuern von diesen Unternehmen einzunehmen. Diese Möglichkeit droht derzeit nach und nach eingeschränkt zu werden, was die kommunalen Haushalte nachhaltig trifft.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Uns ist natürlich bekannt, dass es viele verschiedene Initiativen zu Vergabegesetzen gibt. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich das Berliner Vergabegesetz des SPD/CDU-Senates, da es derzeit beklagt wird.

(Zuruf: CDU/SPD-Senat!)

Hintergrund der Klage ist aber nicht so sehr der Inhalt des Gesetzes an sich, sondern vielmehr die Frage, ob das Land Berlin mit den einzelnen Berliner Bezirken identisch ist und somit der Gesetzgeber eine Monopolstellung am Markt hat. Eine endgültige Entscheidung wird demnächst erwartet.

Auf jeden Fall gilt so etwas nicht für die einzelnen Flächenländer, die ja in rechtlich unabhängige Kreise und Kommunen aufgegliedert sind. Aus diesem Grunde gibt es im CSU-regierten Bayern ein Bauaufträgevergabegesetz und in Thüringen ist von der SPD ein Vergabegesetz eingebracht worden. Die CSU will darüber hinaus durch den Bundesrat das Tarifvertragsgesetz dahin gehend ändern, dass Unternehmen nur noch am Wettbewerb um öffentliche Aufträge teilnehmen können, wenn nach den am Ort der Auftragsausführung geltenden Tarifverträgen entlohnt wird. Hier schließt sich dann der Kreis.

Um die Liste der Initiatoren auf dem Gebiet des Vergabewesens zu komplettieren, möchte ich noch erwähnen, dass es ein Eckpunktepapier der CDUBundestagsfraktion gibt, das sich ebenfalls für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Vergabewesen ausspricht, und dass die PDS-Fraktion im Bundestag einen Entschließungsantrag zugunsten eines Bundes

(Lars Harms)

Vergabegesetzes eingebracht hat. In die gleiche Richtung zielt ein Vorstoß von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat. Allerdings muss man sagen, dass der dort kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf, milde gesprochen, etwas lieblos und dünn ist.

Wir wollen aber ein Landesvergabegesetz, und zwar erstens deshalb, weil das mit Sicherheit schneller geht als auf Bundesebene, weil wir hier in der Vorarbeit wesentlich weiter sind und weil Unternehmen und Arbeitnehmern möglichst schnell geholfen werden muss, zweitens deshalb, weil dann regionale Besonderheiten jederzeit berücksichtigt werden können, wir also nicht den Gang nach Berlin antreten müssen, und weil ein Landesgesetz auch eher dem Selbstverständnis eines Landesparlaments entspricht, und drittens deshalb, weil andere Länder ebenfalls schon Vorarbeiten geleistet haben und zu erwarten ist, dass diese auch auf eine Regelung in Landeskompetenz drängen werden, um schneller voranzukommen. Aus diesem Grunde fordern wir in unserem Entschließungsantrag die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, damit das Landesvergabegesetz uneingeschränkt für alle Wirtschaftsbereiche gelten kann.

Letztlich bleibt festzustellen: Im gesamten Bundesgebiet gibt es eine politische Einigkeit, dass Vergabegesetze nötig sind. Ein Vergabegesetz ist EU-konform und entspricht dem Wunsch der EU nach kontrolliertem Wettbewerb zu gleichen Bedingungen. Durch das vorgeschlagene Gesetz wird echter, fairer Wettbewerb erst ermöglicht und die kommunale Ebene am Entscheidungsprozess beteiligt.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Und das Gesetz dient der Sicherung unserer heimischen Unternehmen und der Sicherung von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein.

In der Mittagspause ist uns auch ein Antrag der Fraktion der CDU vorgelegt worden, der auch auf dieses Thema eingeht. Er orientiert sich eher an der derzeit bestehenden Rechtslage. Das ist gerade das Problem. Die derzeitige Rechtslage lässt die Probleme, die uns insbesondere bezüglich des Baugewerbes beschrieben wurden, eben zu. Es trifft nicht zu, wie in Punkt 1 ausgeführt wird, dass irgendwo eine VOB-widrige Bevorzugung des billigsten Angebotes stattfindet, sondern das ist nach geltendem Recht und Gesetz so möglich. Es ist auch nicht so, dass man, wie unter Punkt 4 geschehen, eine rechtskonforme Vergabe fordern muss. Alles, was bisher geschieht, ist rechtskonform. Trotzdem haben wir diese Probleme.

Deswegen reicht auch eine Vergaberichtlinie nicht aus, die das strukturelle Defizit unserer Gesetzgebung

irgendwie ausgleichen soll. Das geht nicht, weil die Gesetze leider so verkehrt sind, wie sie sind.

Deswegen - denken wir - ist es wichtig - möglicherweise auch zur Erhellung der CDU -. dass wir das Ganze noch einmal in Ruhe im Ausschuss beraten, vielleicht auch eine Anhörung durchführen - Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Kommunen -, wobei ich davon überzeugt bin, dass diese von diesem Gesetzentwurf sehr begeistert sein werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Ich erteile der Abgeordneten Frau Strauß das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bauwirtschaft steht mit dem Rücken an der Wand. Hoffnungen, dass die Baukrise im Jahre 2000 ihren Höhepunkt überschritten hätte, haben sich leider nicht erfüllt. Im Gegenteil, die Baunachfrage lässt weiter nach und die Prognosen sind düster, insbesondere auch in Schleswig-Holstein. Bestürzend ist, dass diese negative Entwicklung nun auch das Handwerk voll erfasst hat, was unter anderem eine Folge des dramatischen Einbruchs im Hochbau ist und unabsehbare Folgen für Arbeitsplätze, Ausbildung und Steuereinnahmen haben wird. Eine wesentliche Ursache für den Niedergang der Bauwirtschaft liegt darin, dass Land, Städte und Gemeinden ihre Haushaltssanierung vor allem auf Kosten der Bauinvestitionen betreiben. Wir leben von der Substanz. Substanzverluste öffentlicher Gebäude und Anlagen sind in allen Bereichen unübersehbar.

Es ist daher nach Überzeugung meiner Fraktion allerhöchste Zeit, gegen illegale Beschäftigung am Bau vorzugehen. Lohndumping und Schwarzarbeit in großem Stil vernichten reguläre Arbeitsplätze auch in Schleswig-Holstein und müssen mit aller Entschiedenheit bekämpft werden.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ich denke, das war eine gute Debatte, die wir vorhin geführt haben.

Ohne Zweifel, Herr Kollege Harms, hat die öffentliche Hand als größter Nachfrager für Bauleistungen hierbei eine besondere ordnungspolitische Verantwortung zur Sicherstellung eines fairen und rechtskonformen Wettbewerbs. Nur, Herr Kollege Harms, wir haben keine Regelungsdefizite. Was wir haben, sind Umsetzungsdefizite.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Roswitha Strauß)

Was wir brauchen, sind Regierungen, die für die Einhaltung von Gesetzen sorgen und sie selbst auch einhalten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dafür Sorge zu tragen, das ist das Ziel des CDUAntrages.