Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

Der Gesetzentwurf des SSW für ein Landesvergabegesetz suggeriert, dass es in Schleswig-Holstein einen Mangel an gesetzlichen Regelungen zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs gebe. Das ist schlicht falsch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Falsch, Herr Kollege Harms, ist auch die Behauptung, dass das Baugewerbe in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss nach einem Landesvergabegesetz gerufen habe.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das trifft eindeutig nicht zu.

Auch wir haben intensive Gespräche mit den Verbänden geführt. Ich habe auch mit dem Innenministerium gesprochen. Alles das, was dort vorgetragen wurde, ist in Schleswig-Holstein vorhanden. Wir brauchen also wirklich kein neues Gesetz. Wir haben das alles rechtsverbindlich in den entsprechenden Verordnungen, Erlassen und Richtlinien vorliegen.

Wegen der Kürze der Redezeit nur ein Beispiel zum Thema Dumpingangebote. Hierzu sagt die VOB Teil A § 25 Abs. 3 Punkt 1:

„Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden.“

Bei einem Angebot, welches um mehr als 10 % unter dem nächsten Angebot liegt, spricht man von einem Niedrigpreisoder Dumpingangebot und der § 25 VOB Teil A ist anzuwenden.

Die in § 25 VOB Teil A niedergeschriebenen Anordnungen zur Prüfung eines Dumpingangebots haben sich in der Vergangenheit allerdings regelmäßig als „zahnloser Tiger“ erwiesen. Die öffentlichen Auftraggeber - und nur um diese geht es hier, Herr Kollege Harms - haben sich weit überwiegend vom niedrigsten Preis bestechen lassen, ihre Nachprüfungs- und Aufklärungspflichten nur zum Schein und der Form halber durchgeführt und so protokolliert, dass am Ende die Vergabe an das betreffende Dumpingangebot doch gerechtfertigt war. Genau an diesem Punkt müssen wir ansetzen. Anschließend gehen dann Behördenvertreter kopfschüttelnd an den Baustellen vorbei und wundern sich unter anderem, warum da so wenig Deutsch gesprochen wird.

Herr Kollege Harms, was den Punkt der Tariftreueerklärung in § 4 Abs. 1 Nr. 3 Ihres Gesetzentwurfs angeht - und in Verbindung damit § 97 Abs. 4 GWB -, sind Sie ganz offensichtlich nicht ganz auf dem Laufenden. Sie haben auf die Verfassungsfrage hingewiesen. Das Bundeskartellamt hat exemplarisch den Berliner Senat für ein Vergabegesetz, das eine Tariftreueerklärung enthält, vor dem Bundesgericht verklagt, weil man der Auffassung ist, dass vergabefremde Kriterien nicht durch den Landesgesetzgeber eingeführt werden können, weil das ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist - Artikel 9, glaube ich.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

- Ich bin keine Juristin, insofern fällt mir das an der Stelle ein bisschen schwer.

Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass das Vergabegesetz des Berliner Senats mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist und hat diesen Sachverhalt mit Beschluss vom 18. Januar 2000 dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Ich habe aus Ihrer Rede vernommen, dass das nicht für Flächenländer gelten soll. Sie müssten mir einmal erklären, ob Flächenländer und andere Länder vor dem Grundgesetz nicht gleich sind.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das können Sie im Protokoll nachlesen! - Glocke des Präsi- denten)

Die Entscheidung steht noch aus. Sie haben auf Bayern hingewiesen. - Bei mir leuchtet die rote Lampe. Es ist wirklich schwierig, das Thema in fünf Minuten Redezeit abzuhandeln.

Frau Abgeordnete Strauß, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich bemühe mich. - Die Bundesregierung hat eine ablehnende Stellungnahme zu diesen Vergabegrundsätzen abgegeben und der Gesetzentwurf befindet sich derzeit noch im Verfahren.

Die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache abzuwarten ist, auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung für den ÖPNV. Weitere gesetzgeberische Aktivitäten der Länder schaden mehr, als dass sie nutzen. Wir lehnen daher sowohl den Gesetzentwurf des SSW als auch die damit verbundene Bundesratsinitiative ab.

(Roswitha Strauß)

Was die Bauwirtschaft braucht, ist verlässliches, an der VOB orientiertes Handeln der öffentlichen Auftraggeber und kein Politaktionismus.

(Widerspruch beim SSW)

Diesem Ziel dient unser Antrag. Ich hätte hier gern Abstimmung in der Sache gehabt, aber biete Ausschussüberweisung an.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Schröder.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir Leid, dass ich vorhin bei meinem Beitrag ein bisschen Kreislaufschwierigkeiten hatte, und danke denen, die mir geholfen haben.

Es steht außer Zweifel, dass gerade der Staat besonders gefordert ist, wenn es darum geht, Recht und Gesetz zu achten. Der Staat hat dabei eine Vorbildfunktion, insbesondere auch dann, wenn es um die Einforderung verbindlicher tariflicher Bestimmungen oder die Gleichheitsgrundsätze im Wettbewerb einer sozialen Marktwirtschaft geht. Anders ausgedrückt: Dort, wo der Staat oder seine Gebietskörperschaften als Auftraggeber beispielsweise für öffentliche Bauvorhaben in Erscheinung treten oder diese Funktion auf private Träger delegieren, sind Kriterien anzulegen, die den rechtlichen Regelwerken entsprechen. Genau genommen ist das eine Selbstverständlichkeit.

Die Erfahrung aber zeigt, dass diese Rechtstreue in der Auftragsabwicklung für öffentliche Träger bisweilen mehr oder weniger stark gelitten hat, dass eben doch allgemein verbindliche Tarifverträge unterlaufen wurden, dass schlicht gegen Gesetze verstoßen wurde. Es hat sich auch gezeigt, dass es oft schwierig war, solche Verstöße zu ahnden, nicht zuletzt auch aus Mangel an eindeutigen Gesetzen.

Das hat den Gesetzgeber nun veranlasst, die Bestimmungen über die Tariftreueerklärung zu präzisieren und beispielsweise in den Bundesländern Entwürfe für Vergabegesetze zu formulieren und auf den Weg zu bringen. Zunächst ist dazu zu sagen, dass eindeutige Vergabebestimmungen für alle Tätigkeitsfelder der öffentlichen Hände einschließlich der Tariftreueerklärung eine gute Sache sind. Es gibt dann weniger Interpretationsspielräume und das öffentliche Auftragswesen ist klar geregelt - sei es nun für den Baubereich oder den ÖPNV.

(Beifall beim SSW)

Damit gibt es klare Kriterien für den Wettbewerb. Fraglich ist indes, ob jedes Bundesland ein eigenes Vergabegesetz braucht. Im Grunde genommen können Fragen der Rechtstreue des Staates in Bayern oder Sachsen nicht anders beurteilt werden als in Nordrhein-Westfalen oder in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wie Sie wissen, liegen inzwischen Gesetzentwürfe verschiedener Bundesländer zu verschiedenen Bereichen der öffentlichen Auftragsvergabe vor. Zudem steht noch ein Verfassungsgerichtsurteil zur Tariftreue aus. Auch die Bundesregierung arbeitet an einem Gesetz gegen illegale Praktiken im öffentlichen Auftragswesen, in dem die verschiedenen Aspekte der vorgelegten Initiativen und auch der ausstehende Spruch des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden. Angesichts dieser Gemengelage an Gesetzesinitiativen stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, in Schleswig-Holstein dem noch ein weiteres Gesetz hinzuzufügen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich sage an dieser Stelle auch einmal dem SSW, damit kein falscher Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht: Es bedurfte nicht ausschließlich der Initiative des SSW und es ist nicht, wie es in einer Zeitung zu lesen war, der SSW allein,

(Beifall bei CDU und FDP)

der sich in der Vergangenheit sehr ernsthaft mit den Problemen im Baubereich, im Baugewerbe, im Handwerksbereich beschäftigt und für Chancengleichheit und Wettbewerb eingesetzt hat, sondern es waren alle Fraktionen. Ich erinnere an die Diskussion mit den Spediteuren. Wir haben immer gefordert, dass hier auch im europäischen Bereich Chancengleichheit bestehen muss. Das ist nichts anderes als das, was jetzt, sicherlich auch durch die Initiative des SSW, auf den Weg gebracht wird. Bitte schön, wir haben gemeinsam daran gearbeitet.

Für uns kommt es darauf an, für die öffentliche Auftragsvergabe klare und eindeutige Bestimmungen zu bekommen. Wir schlagen deshalb vor - ich möchte jetzt nicht inhaltlich diskutieren, Frau Kollegin Strauß -, den Gesetzentwurf des SSW und den vorliegenden Antrag der CDU an die zuständigen Fachausschüsse zu überweisen, federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend - weil es ja eine schwere juristische Aufgabe ist - an den Innen- und Rechtsausschuss. Dabei können auch die verschiedenen anderen, zum Teil auch weiter gehenden Forderungen und Vorstellungen für ein Vergabegesetz, zum Beispiel auch der Gewerkschaft ver.di für den ÖPNV, geprüft und gegebenenfalls berücksichtigt werden.

(Bernd Schröder)

In der Beratung in den Fachausschüssen sollte auch die Gelegenheit genutzt werden, die Vertreter der betroffenen Verbände und Einrichtungen zu hören und deren Zielvorstellungen und Einwände zu berücksichtigen. Das gilt beispielsweise für die Unternehmensverbände, die Mittelstandsvereinigung und die Gewerkschaften. Auf diese Weise können wir einen Beitrag zu einer möglichst optimalen und umfassenden Lösung leisten, die ganz im Sinne Schleswig-Holsteins, der öffentlichen Institutionen, also auch der Kommunen liegt.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Pleitegeier kreist über dem Land SchleswigHolstein, der Finanzminister muss eine Haushaltssperre verhängen und von all diesen schlechten Nachrichten nicht genug präsentiert uns der SSW mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine weitere Möglichkeit, durch erhöhten Verwaltungsaufwand und höhere Kosten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Geld durch den Schornstein zu blasen.

(Beifall bei FDP und CDU - Widerspruch des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nenne ich Zynismus!)

Dieses Geld haben weder das Land noch die Kommunen, Herr Hentschel!

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr vom SSW, Herr Harms, ich weiß nicht, was in der letzten Zeit in Ihnen vorgeht. Sie sollten vielleicht einmal die Zahl Ihrer Anträge etwas reduzieren und dafür die Qualität etwas erhöhen; das wäre eine ganz tolle Sache.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] - Widerspruch beim SSW)

Diesmal wollen Sie die Bauwirtschaft im Lande stärken. Das ist gut so, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es oftmals dänische Firmen sind, die wegen ihrer niedrigen Preise gegenüber den einheimischen Betrieben bevorzugt werden.

(Beifall bei FDP, SPD und CDU)

Vielleicht setzen Sie sich einmal bei Ihren Freunden in Dänemark dafür ein, dass dort bei der Vergabe von