Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

Aufträgen mehr schleswig-holsteinische Firmen berücksichtigt werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ihr vorgelegter Gesetzentwurf ist schlecht durchdacht, er ist europarechtlich bedenklich, er ist ein populistischer Schnellschuss, er öffnet der Willkür bei der Auftragsvergabe Tür und Tor und er ist nicht geeignet, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung einzudämmen, im Gegenteil.

(Beifall bei FDP und CDU)

Erzählen Sie uns doch einmal, wie Sie durch die Vorlage von Nachweisen und Erklärungen und der Kontrolle dieser Nachweise und Erklärungen einen tatsächlichen Vorteil erringen wollen. Die Nachweise und Erklärungen müssen übrigens nicht in jedem Fall den Tatsachen entsprechen und schon sind wir wieder beim Ausgangsproblem.

Eine Eindämmung der Schwarzarbeit ist nur über die Senkung der Kosten und damit der Baupreise zu erreichen. Wir haben heute ausreichend darüber gesprochen. Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf verursacht höhere Kosten und wird damit zu noch mehr Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung führen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU])

Auch wir führen selbstverständlich Gespräche mit der Bauwirtschaft und anderen, auch mit Gewerkschaften.

Wir haben uns alle ernsthaft und sehr intensiv - Herr Kollege Schröder hat es angeführt - mit dieser Problematik auseinander gesetzt. Es gibt natürlich Dinge, die in der Tat sehr problematisch sind. Das ist zum Beispiel die Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber, die immer wieder ein Punkt ist, der angesprochen wird. Auch die Beauftragung von Generalunternehmern, die dann Subunternehmer beschäftigen und nicht die kleinen Gewerbetreibenden oder Handwerker direkt beauftragen, ist ein wesentliches Problem. Wir haben ja vor nicht allzu langer Zeit die Demonstration einiger schleswig-holsteinischer Arbeitnehmer vor dem Landeshaus gehabt, die als Mitarbeiter eines Subunternehmens für Holzmann gearbeitet haben und nicht bezahlt wurden. Ich glaube, deutlicher kann man das Problem gar nicht machen.

Es gibt natürlich auch die unterschiedlichen Tarifverträge in Ost und in West. Die führen beispielsweise bei mecklenburg-vorpommerschen Betrieben zu niedrigen Preisen, was diesen Firmen dann wiederum einen Wettbewerbsvorteil bei der Auftragsvergabe sichert. Diese unterschiedlichen Tarifverträge wurden aller

(Christel Aschmoneit-Lücke)

dings auch von der Bauwirtschaft gewollt, um die ostdeutschen Firmen zu stärken. Nun schlägt dieser „Aufbau Ost“ zurück.

Ein Blick über den Tellerrand hätte aber genügt, um festzustellen, dass es den dortigen Firmen im Vergleich zu den hier ansässigen Betrieben noch schlechter geht. Ich warne daher davor, nun durch eine protektionistische Kirchturmspolitik die hier ansässigen Betriebe gegen Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern auszuspielen. Dass kann nicht unsere Aufgabe sein.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Insgesamt ist der Gesetzentwurf nicht nur ökonomisch, sondern auch juristisch höchst bedenklich, denn jede staatliche Maßnahme, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Wirtschaftsaustausch zu beeinträchtigen, verstößt gegen europäisches Recht. Außerdem ist der Gesetzentwurf auch beihilferechtlich durchaus bedenklich. Zum Verfassungsrecht hat Frau Kollegin Strauß bereits genügend gesagt. Wenn wir beispielsweise die ökologischen Standards, die Standards zur Arbeitssicherheit sowie zur Qualifikation des Personals - damit übrigens nicht automatisch die Qualität der Leistung - so in die Höhe schrauben, dass es für die Firmen anderer EU-Länder praktisch nicht mehr möglich ist, diese zu erfüllen, verstoßen wir gegen diese europäischen Maßstäbe.

Es gibt einige notwendige und sehr sinnvolle Maßnahmen zur Stützung der Bauwirtschaft. Ich verweise insoweit auf den hervorragenden Antrag der CDU und der Kollegin Strauß. Dieser Gesetzentwurf allerdings gehört mit Sicherheit nicht dazu.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich begrüße in der Besucherloge Herrn Minister a.D. Dr. Klaus Klingner.

(Beifall)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an meinen fleißigen Kollegen Lars Harms für die Erarbeitung des Gesetzentwurfs.

(Reinhard Sager [CDU]: Das ist auch unserer Kollege!)

Ich glaube auch nicht, dass man alles regeln muss, Frau Aschmoneit-Lücke,

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

aber wenn man die Zustände betrachtet, die sich in den letzten Jahren in der Bauwirtschaft entwickelt haben, und wenn man im Wirtschaftsausschuss zugehört hat, in dem berichtet wurde, wie deutsche Baukonzerne Mindestlohnvorschriften und Tarifverträge unterlaufen, Sozialabgaben einsparen, indem sie osteuropäische Firmen als Subunternehmer beschäftigen, diesen Firmen dann nicht einmal den Mindestlohn bezahlen oder ihn so zahlen, dass sie die Arbeiter statt acht Stunden 16 Stunden am Tag arbeiten lassen,

(Roswitha Strauß [CDU]: Das ist schon heute alles gesetzeswidrig!)

dann sieht man, welche Dramatik das Problem gewonnen hat. Ich halte es für sehr sinnvoll, sich in dieser Situation mit diesem Problem zu beschäftigen und auch möglichen Regelungsbedarf zu prüfen.

(Beifall beim SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann aber mit vernünftigen Vorschlägen, Herr Hentschel!)

Es ist schon ein erstaunliches Ereignis, wenn die Spitze der schleswig-holsteinischen Bauwirtschaft in den Wirtschaftsausschuss kommt und den Staat bittet, dass er dafür sorgen möge, dass die Tarifverträge eingehalten werden.

(Lars Harms [SSW]: Genau das haben die gemacht!)

Das ist auch erstaunlich, wenn man weiß, dass die Bauwirtschaft nicht gerade für sanfte Umgangsformen bekannt ist. Mancher Gewerkschaftsfunktionär kann ja ein Lied davon singen, wie schwer es ist, auf dem Bau tätig zu sein.

Das drückt aber auch die Notlage aus und deswegen glaube ich, dass ähnlich wie im Transportgewerbe im Baugewerbe ein besonderer Regulierungsbedarf besteht, und zwar aus folgendem Grund. Wir haben im Baugewerbe - anders als bei anderen Firmen - die Situation, dass der Arbeitsplatz nicht dem Firmenplatz entspricht, sondern der Arbeitsplatz beim Baugewerbe ist beim Kunden, bei der Transportwirtschaft auf der Straße, auf dem Weg zum Kunden. Deswegen können Firmen aus ganz Europa in anderen Ländern tätig sein und es stellt sich dabei die Frage, welche Tarife gelten.

Darüber hinaus besteht das Problem, dass die jetzigen Kontrollmechanismen, die jetzigen Eingriffsmöglichkeiten offensichtlich nicht hinreichend sind und dass deswegen sehr wohl darüber nachgedacht werden

(Karl-Martin Hentschel)

muss, wie es zu erreichen ist, dass das Gesetz auch tätsächlich ernst genommen wird, beziehungsweise es ist zu untersuchen, ob zusätzliche Regelungen nötig sind, damit dem, was der Gesetzgeber will, dass nämlich Tariflöhne gezahlt werden, dass Gesetzesvorschriften eingehalten werden, entsprochen wird.

Ich glaube, dass der Gesetzentwurf ein sinnvoller Beitrag ist, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Der Vorwurf der Überregulierung trifft überhaupt nicht zu; denn die Marktwirtschaft reguliert sich nicht von selbst, sondern wir wissen alle, dass der Ordnungsrahmen vom Staat gesetzt wird. Dafür ist das Parlament da. Die Frage ist, ob der Ordnungsrahmen wirksam ist oder ob er nicht wirksam ist. Ich glaube, wer das gehört hat, was im Wirtschaftsausschuss hierzu berichtet worden ist, muss feststellen, dass der Ordnungsrahmen zurzeit nicht das leistet, was er soll.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Ich möchte aber noch auf einen Punkt eingehen, der hier noch nicht genannt worden ist, nämlich auf die Frage, wie das Land eigentlich Verstöße bei der Auftragsvergabe kontrolliert. Ich habe dazu im Frühjahr eine Kleine Anfrage gestellt - einige Kollegen haben sie vielleicht zur Kenntnis genommen - und in der Antwort kam heraus, dass es zurzeit überhaupt kein Register gibt, in dem festgehalten wird, welche Firmen von Aufträgen der Kommunen oder des Landes ausgeschlossen worden sind. Das heißt, wenn eine Firma zurzeit von Aufträgen ausgeschlossen ist, hat das praktisch keine Wirkung, weil niemand davon weiß, dass es so ist.

Aus dem Grunde halte ich es für unbedingt notwendig, dass wir, bevor wir ein Gesetzesvorhaben starten, im Land ein Korruptionsregister einführen, das gemeinsam vom Land und von den Kommunen geführt wird und in dem Verstöße gegen Wettbewerbsverhalten und gegebenenfalls ein Ausschluss vom Wettbewerb festgehalten werden. Die jeweiligen Kommunen beziehungsweise das Land oder die GMSH, die dann Auftragsvergaben tätigen, wissen dann, um welche Firmen es sich handelt, ob Verstöße vorliegen. Sie können dann entsprechend reagieren. Wenn wir das nicht haben, nutzt auch das beste Gesetz nichts.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich erteile Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wettbewerb ja, Wettbewerbsverzerrung nein! Gerade für die Bauwirtschaft ist das von existenzieller Bedeutung. Deswegen ist das Thema, das der SSW eingebracht hat, wichtig. In einer Hinsicht, Herr Harms, unterstütze das Ziel Ihrer Initiative: Wir müssen bei öffentlichen Aufträgen Tariftreue durchsetzen. Das gehört zum fairen Wettbewerb. Das gelingt uns mit den bisherigen Regeln noch nicht hinreichend.

Tarifverträge sind einzuhalten, die Bestimmungen des Entsendegesetzes sind einzuhalten, das Wettbewerbsrecht ist einzuhalten. Das alles sollte keine Frage sein. Die Frage ist nur, wie man das am besten erreicht.

Zur Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge gibt es auf EU-Ebene zahlreiche Richtlinien, auf Bundesebene das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - zum 1. Januar 2000 ergänzt durch den IV. Teil, der ausdrücklich öffentliche Aufträge regelt - und die zum 1. Februar 2001 in Kraft getretenen neuen Vergabe- und Verdingungsordnungen sowie auf Landesebene die Landeshaushaltsordnung, das schleswigholsteinische Mittelstandsförderungsgesetz, das Gesetz zur Errichtung der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein, die Gemeindehaushaltsordnung und die Kreisordnung sowie zahlreiche Erlasse. Also einen Mangel an Regelungen haben wir in der Tat nicht.

Wir haben Probleme - das ist richtig, Frau Strauß -, alle Regelungen so anzuwenden, dass wir in der Bauwirtschaft wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen realisieren können. Insofern sind viele Punkte, die hier in dem Antrag angesprochen werden, nicht nur zu diskutieren, sondern wir sollten uns dabei auch auf bestimmte Konsequenzen verständigen.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Die Tariftreue allerdings - in diesem Punkt muss ich Ihnen Recht geben - ist in den bisherigen Regelwerken nicht hinreichend verankert. Diese Lücke muss geschlossen werden. Aber ich sage auch deutlich: Eine landesgesetzliche Lösung zum jetzigen Zeitpunkt wäre aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll.

(Beifall der Abgeordneten Christel Asch- moneit-Lücke [FDP] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Zur Information: Berlin hat ein Vergabegesetz erlassen - das wissen Sie auch -, das für den Bereich von Bauleistungen die Beachtung der Tariftreue in Berlin vorgeschrieben hat. Dieses Gesetz wurde genau wegen dieser Landesregelung vom Bundesgerichtshof für

(Minister Dr. Bernd Rohwer)