Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

- Herr Wadephul, schauen Sie sich die damaligen Protokolle an. Das Ergebnis ist entscheidend. Sie haben nicht dazu beigetragen, die Lohnnebenkosten zu ändern. Herr Kayenburg, wenn Sie anderer Meinung sind, dann stellen Sie sich hierher und sagen Sie, wie Sie das gemacht haben. Ich würde gern bei den Fakten bleiben.

(Zurufe von der CDU)

Bei den Fakten sind wir uns hoffentlich einig. Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden und sie werden erstmalig durch das Paket aus Ökosteuer und Rentenreform gesenkt.

(Gero Storjohann [CDU]: Das ist doch Quatsch!)

- Sie können das nachher darstellen und dann kann ich eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie uns auf die konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu konzentrieren.

Die Ihnen vorliegende Antwort der Landesregierung beleuchtet das umfangreiche Instrumentarium und die einzelnen Maßnahmen des Bundes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft und macht deutlich, was geschehen ist. Arbeitsmarktrelevante illegale Aktivitäten - und damit der Löwenanteil

illegaler Schattenwirtschaft - werden von Bundesbehörden verfolgt. So hat das Landesarbeitsamt Nord in Schleswig-Holstein im Jahre 2000 zirka 11.000 Betriebe überprüft. Insgesamt wurden 14.666 Fälle aufgegriffen und Geldbußen von rund 4,6 Millionen DM verhängt. Dabei wurden 2.116 Strafanzeigen erstattet. Diese Aktivitäten werden zurzeit ausgeweitet.

Das Land und die Kommunen bekämpfen handwerksbeziehungsweise gewerberechtlichen Verstöße. Dabei arbeiten die zuständigen Kommunen vor Ort eng mit dem Handwerk zusammen. Die kommunalen Ermittlungsgruppen haben die Verfolgung in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet. Die Höhe der Bußgelder stieg seit 1990 von 135.000 DM auf über 2,75 Millionen DM im Jahre 2000. Wichtig ist: Es muss darum gehen, die großen Fische - das heißt die Hintermänner und Drahtzieher von organisierter Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit - zu verfolgen. Hier hat sich die enge Zusammenarbeit mit den von der Generalstaatsanwaltschaft eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Arbeitsmarktdelikten bewährt. Diese enge Zusammenarbeit macht es möglich, bei Verdacht auf Straftaten Ausmaß und Tatbeteiligte durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft festzustellen, die ja die schärfsten Schwerter führt.

Das Modell findet übrigens bundesweit Anerkennung. Bei den Überlegungen der Bundesregierung zur Verbesserung der Verfolgung von Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit wird dieses Modell offenbar jetzt zunehmend übernommen. In den meisten Kreisen und kreisfreien Städten wurden kommunale Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit eingerichtet, die im Wesentlichen handwerksrechtliche Verstöße verfolgen. Hier nimmt Schleswig-Holstein unter den Bundesländern eine Spitzenstellung ein. Eine derart großflächige Übernahme des so genannten Neusser Modells gibt es bisher woanders nicht.

Mit weit reichenden Vorschlägen haben die Länder über den Bundesrat Verbesserungen bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit eingefordert. Hier geht es insbesondere um die Einführung eines Steuerabzugsverfahrens, um bei Bauleistungen eine steuerliche Erfassung an der Quelle sicherstellen zu können. Dabei wird eine der wichtigsten Forderungen des Bauindustrieverbands zur Eindämmung illegaler Betätigung am Bau wahrscheinlich noch vor der Sommerpause verwirklicht.

(Roswitha Strauß [CDU]: Das wäre ja toll!)

Weiterhin sollen die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden - insbesondere der Datenabgleich verbessert und bei Verstößen gegen eine Reihe von Vorschriften deutlich schärfere Sanktionen eingeführt werden. Wer es genauer wissen will, kann dies in

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

unserer Antwort nachlesen. Mit den Kammern, den Verbänden der Wirtschaft und den Gewerkschaften ist sich die Landesregierung darin einig: Schwarzarbeit muss nachhaltig bekämpft werden. Es gibt kein Pardon - nicht für die Auftraggeber und nicht für die Auftragnehmer. Eine vernünftige Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik muss dazu beitragen, dass sich Schwarzarbeit immer weniger lohnt. Die Bundesregierung geht diesen Weg und wir werden sie dabei unterstützen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ehe ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort erteile, weise ich darauf hin, dass der Ausdruck „Quatsch“ kein parlamentarischer ist. Ich bitte Sie, sich etwas an die parlamentarische Wortwahl zu halten.

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

- Ich berichtige: kein angemessener parlamentarischer Ausdruck. Wenn wir uns darauf einigen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Herr Abgeordneter Dr. Garg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich sage das nicht mit Freude - mir tut das weh -, trotzdem sage ich es: Schleswig-Holstein lag endlich einmal wieder ganz weit vorn. Wenn Sie es genau wissen wollen: Es lag auf dem dritten Platz aller Bundesländer. Nur Berlin und Niedersachsen waren noch besser als wir. Das ergibt sich aus den Schätzungen des Wirtschaftsforschers Friedrich Schneider zum Umfang der illegalen Schattenwirtschaft im Jahre 1999. Der Umfang der illegalen Schattenwirtschaft in Schleswig-Holstein betrug schätzungsweise rund 22 Milliarden DM. Herr Minister, Sie haben es vorhin ausgeführt: Das entspricht knapp 18 % der gesamten offiziellen Wirtschaftsleistung unseres Landes. Herr Minister, nicht, dass Sie glauben, Sie hätten diese Zahlen in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP überlesen. Sie standen nicht drin, obwohl wir danach gefragt haben und die Arbeiten Schneiders in der Antwort zitiert wurden.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Die Leistungen der Schwarzarbeiter in SchleswigHolstein tragen uns auch international einen guten Tabellenplatz ein. Im Vergleich mit 21 OECDLändern lagen wir 1999 hinter den südlichen Mitgliedstaaten der EU und den skandinavischen Staaten auf

Platz sieben. Abgehängt haben wir zum Beispiel die USA, Neuseeland, Großbritannien, Japan, die Niederlande, Österreich und die Schweiz. In diesen Ländern ist der relative Umfang der Schattenwirtschaft teilweise nur halb so groß wie bei uns.

Ich zitiere einige wegweisende Sätze aus der Antwort auf unsere Große Anfrage:

„Schwarzarbeit verzerrt den Wettbewerb und mindert das Wirtschaftswachstum. Sie gefährdet bestehende Arbeitsplätze und schadet dem Arbeitsmarkt.“

Wohl wahr!

„Das für ein reibungsloses Zusammenleben in Wirtschaft und Politik notwendige Vertrauen wird untergraben. Schwarzarbeit schädigt unser Sozialsystem und untergräbt die Wirtschaftsordnung. Daher sieht die Landesregierung in der Eindämmung und Rückführung der Schattenwirtschaft eine bedeutende gesellschafts-, sozial- und finanzpolitische Aufgabe.“

Herzlichen Glückwunsch! Herr Minister Rohwer, das sind Zitate aus dem Vorwort der Antwort auf die Große Anfrage der FDP zur Schwarzarbeit in SchleswigHolstein. Diesen Ausführungen wäre in der Tat wenig hinzuzufügen, wenn die Landesregierung Ihren Erkenntnissen folgen würde. Leider tun Sie das aber nicht. Sie tun das auf keinem einzigen Gebiet.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ganz im Gegenteil! Landes- und Bundesregierung reden zwar vom Abbau der Schwarzarbeit, tun jedoch ihr Möglichstes, damit die Anreize zur Schwarzarbeit nicht kleiner werden. Die Landesregierung teilt die Auffassung der meisten Wissenschaftler, dass eine hohe Steuer- und Abgabenlast die Bereitschaft zu schattenwirtschaftlichen Aktivitäten erhöhen kann, und unterstützt eine Entschließung des Bundesrats, in der der Bundesrat in den hohen Lohnnebenkosten und Lohnzusatzkosten eine Hauptursache für illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit sieht.

Herr Minister, ich frage Sie: Warum trägt die Politik der Landesregierung diesen Erkenntnissen in keiner Weise Rechnung? Wenn die Ursache des Problems Schwarzarbeit die hohe Belastung des Produktionsfaktors Arbeit durch Steuern und Abgaben ist, dann sollte die Politik gegen Schwarzarbeit die Steuer- und Abgabenlast senken, und zwar konsequent.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Minister, da werde ich langsam sauer, denn Sie wissen es ganz genau. Wir waren beide auf der glei

(Dr. Heiner Garg)

chen Universität - wenn auch zeitversetzt. Sie wissen ganz genau, dass es überhaupt keine Rolle spielt, wenn Sie den Rentenversicherungsbeitrag auf der einen Seite senken, den Leuten auf der anderen Seite das Geld aber wieder durch die so genannte Ökosteuer abknöpfen. Das macht verteilungspolitisch natürlich einen Unterschied. Gesamtwirtschaftlich kommt es einzig und allein auf die Gesamtbelastung an.

(Beifall bei FDP und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war volkswirtschaftlicher Quatsch!)

- Ich benutze das Wort jetzt nicht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Genau das ist es!)

Ich bilanziere: Bundes- und Landesregierung bekämpfen eine der Hauptursachen der Schwarzarbeit nicht.

Ein zweiter wichtiger Ursachenkomplex für Schwarzarbeit ist die Regulierung des Wirtschaftens. Je mehr detaillierte Vorschriften zu beachten sind, desto teurer und unflexibler wird die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, desto eher lohnt es sich, in den Schattensektor auszuweichen. Von dieser Ursache für Schwarzarbeit ist in der Antwort der Landesregierung gar nichts zu lesen; Gegenmaßnahmen sind auch nicht angeführt. Das geht ja auch nicht, denn die Landesregierung tut ja nichts dagegen. Ich erinnere nur an die Diskussion um die Standardöffnung.

Fazit: Bundes- und Landesregierung bekämpfen die zweitwichtigste Ursache der Schwarzarbeit nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wird die Schwarzarbeit bekämpft? Das Menü der Maßnahmen reicht von erhöhten Bußgeldern über stärkere Informationspflichten von Anbietern und Arbeitnehmern bis hin zu höherem Personaleinsatz für Kontrollen vor Ort und Steuerfahndung. Alle diese Maßnahmen haben eines gemeinsam: Sie richten sich gegen das Symptom Schwarzarbeit, nicht aber gegen seine Ursachen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Minister, es ist ganz interessant, auch wenn man die Universität schon lange verlassen hat, ab und zu ein Lehrbuch zur Hand zu nehmen. Sie werden darin beispielsweise folgenden Lehrsatz finden:

„Repressive Maßnahmen sind bei Behörden und Politikern am beliebtesten. Nicht weil Repression erfahrungsgemäß wirkungslos ist, sondern weil man den Anschein erweckt, es werde energisch gegen das Übel vorgegangen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht falsch verstanden werden: Schwarzarbeit ist rechtswidrig und muss natürlich verfolgt werden. Aber es steht dem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht, die Menschen erst durch Abgaben und Regulierungsdruck in die Schwarzarbeit zu treiben und sich hinterher der verstärkten Bekämpfung der Tatsachen zu rühmen, die der Staat selbst maßgeblich geschaffen hat.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf des Abge- ordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Lieber Herr Kollege Hentschel, ich weiß, dass Sie bei jeder Gelegenheit erzählen, Sie seien aus der Wirtschaft. Aber ich muss Ihnen sagen: Manchmal frage ich mich bei Ihrer Argumentation, ob Sie da mehr als nur ein Schnitzel gegessen haben.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU)

Alle neu erlassenen Gesetze zur vermeintlichen Entlastung des Arbeitsmarktes stärken die Anreize zur Schwarzarbeit: Die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung, zur Scheinselbstständigkeit, zu befristeten Arbeitsverhältnissen und zur Mitbestimmung verstärken die Verkrustung des deutschen Arbeitsmarktes. Ich glaube, da sind wir uns sogar ziemlich einig, dass das so ist. Diese Gesetze treiben die Kosten des Faktors Arbeit in die Höhe. Besser gestellt werden höchstens diejenigen, die schon Arbeit haben. Arbeitslose werden dadurch noch schlechter gestellt, weil ihnen der Zugang zum offiziellen Arbeitsmarkt weiter erschwert wird. Damit wird selbstverständlich auch der Anreiz verstärkt, schwarz zu arbeiten.