Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Es gab angeblich viele Sieger, aber einen stillen Verlierer - oder besser: viele stille Verlierer. Dieser Verlierer ist der Steuerzahler, dem noch zwei Jahrzehnte lang der Solidaritätszuschlag zugemutet wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement räumte dann ja auch ganz selbstkritisch ein, dass die Neuregelung keineswegs eine Glanzleistung gewesen sei, Frau Simonis. Merkwürdigerweise schienen aber doch alle am Ende zufrieden gewesen zu sein. Ich frage mich: War das wegen der Planungssicherheit oder war das letztlich deshalb, weil der Bund und damit der Steuerzahler dem unsäglichen Gezerre der Länder ein Ende bereitet hat? Ich denke, die zusätzlichen Bundesmittel von 1,5 Milliarden DM, die dann noch einmal um 1 Milliarde DM aufgestockt wurden,

(Martin Kayenburg)

weil die Tilgung für den Fonds Deutsche Einheit ausgesetzt wurde, haben zu dieser Zufriedenheit beigetragen. Aber nachdem dann der Bundesfinanzminister auch noch für die Jahre 2005 bis 2019 für den Solidarpakt II 306 Milliarden DM zusätzlich zugesagt hatte, waren plötzlich auch die ostdeutschen Länder zufrieden.

Man muss sich doch nun wirklich fragen: Was steckt dahinter? 206 Milliarden DM sind fest zugesagt, 100 Milliarden DM sind nichts als reine Ankündigung, Herr Möller, und ich frage Sie wirklich, ob diese Absichtserklärung trägt oder ob der Solidarpakt dann nicht doch zu dünn ausgestattet ist,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

vor allem wenn man weiß, dass die Bundesregierung selbst von erforderlichen Mitteln in Höhe von mindestens 250 Milliarden DM ausgegangen ist. Ich glaube also, Freude auf allen Seiten, scheinbar kein Raum für Parteienstreit, aber die Finanzprobleme mit Sicherheit nicht gelöst!

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei genauerem Hinsehen herrscht auch bei SPD und Grünen nicht eitel Freude über den Kompromiss. So ist auch gerade der Vorsitzende des Sonderausschusses Finanzausgleich des Deutschen Bundestages, der SPDAbgeordnete Volker Kröning, wegen der seiner Meinung nach von den Ländern erzwungenen Befristung bis 2019 von seinem Amt zurückgetreten, Herr Möller. Der Haushaltsexperte der Grünen, Oswald Metzger, stellte zum Ergebnis ganz richtig fest: Es kreißte der Berg und gebar eine Maus. Die strukturellen Veränderungen - so Metzger - seien mit der Lupe zu suchen und dies sei das eigentliche Problem.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist der Grund, warum die FDP im Bundestag dage- gen gestimmt hat!)

- Herr Kubicki, auch wenn dieses Thema - wie schon gesagt - kaum Raum für Parteienstreit hergibt, will ich doch ein paar Anmerkungen zu diesem so genannten Jahrhundertkompromiss machen. Ich denke, wir hätten an strukturellen Veränderungen und wirklichen Reformen mehr erwarten können. So sind doch, genau genommen, die Probleme nur auf die künftigen Generationen verlagert worden. Wirkliche Mühe hat sich niemand gemacht, Frau Simonis. Auch Sie nicht. Aber mit der Verlagerung der Probleme auf die Zukunft haben Sie ja schon reichlich Erfahrungen und ich denke, wir werden darauf beim Tagesordnungspunkt Nachtragshaushalt zurückkommen.

Bemerkenswert fand ich an Ihrer Rede, dass Sie schon eifrig gerechnet haben, dass das Land 2005 um

50 Millionen DM entlastet wird und die Kommunen um 20,7 Millionen DM entlastet werden. Sie gehen also davon aus, dass Schleswig-Holstein bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag ein Nehmerland im Länderfinanzausgleich sein wird. Dies ist weiß Gott keine Glanzleistung. Von eigenen Anstrengungen also keine Spur!

(Beifall bei CDU und FDP)

Hauptsache, die anderen zahlen, damit unsere rotgrünen Spielwiesen immer wieder neue Blüten treiben können.

Ihr Stolz, Geberland zu sein, war auch nur von kurzer Dauer. 1998 haben Sie sich daraus immerhin mit der bemerkenswerten Summe von 330.000 DM verabschiedet. Dann war nämlich wieder alles vorbei, Herr Möller. Manche Ihrer Genossen ziehen aber heute noch durch das Land und erzählen das Märchen vom Geberland und glauben auch, dass sie mit dem Märchen von den angeblichen Steuereinbrüchen Entschuldigungen für die Finanzmisere dieses Landes finden können. Ich meine, auch jetzt haben Sie schon wieder eine Entschuldigung eingebaut, Frau Simonis, wenn Sie sagen, dass das Ergebnis dann positiv wäre, wenn es eine entsprechende Entwicklung der Konjunktur gäbe. Ich meine, wenn Sie überhaupt nichts dazu tun, dass wir im Lande eine eigene Konjunktur, die wachstumsorientiert ist, bekommen, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie mit diesen Mitteln und mit diesem Föderalismuspakt scheitern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Solidarpakt II, der den ostdeutschen Ländern mehr Geld bescheren wird, als diese ursprünglich in den Verhandlungen überhaupt erwartet hatten, hat nach unserer Auffassung mit 19 Jahren eine viel zu lange Laufzeit. Dass dies auch andere so sehen, zeigt die Äußerung der Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundestages, der grünen Abgeordneten Christine Scheel, die die Laufzeit des Solidarpaktes ebenfalls für zu lang hält.

Die ostdeutschen Länder werden also noch 20 Jahre lang am Tropf der anderen Länder hängen und dem deutschen Steuerzahler den Solidaritätszuschlag noch lange erhalten. Der Versuch, endlich wieder auf eigenen Beinen zu stehen, wird also gar nicht erst gemacht. Wie im Norden so im Osten - immer auf Kosten anderer leben. Zahlen können doch die im Süden der Republik.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Frau Simonis, wie der „Süddeutschen Zeitung“ zu entnehmen war, haben Sie gefordert, dass auch im

(Martin Kayenburg)

Osten - ebenso wie im Westen, wo Programme gestrichen und gestreckt werden sollen - Effizienzkriterien angelegt werden. Ich meine, dass es vor allem Effektivitätskriterien sein müssten. Als Diplomvolkswirtin werden Sie das sicherlich bestätigen. Im Grundsatz teilen wir aber Ihre Auffassung. Ich halte es aus pädagogischer Sicht für völlig falsch, über einen so langen Zeitraum Mittel festzuschreiben, weil diese dann in den Haushalt eingebaut werden, verfrühstückt sind und mit Sicherheit keine wachstumsfördernden Effekte mehr auslösen werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Lassen Sie mich ein paar Worte zu der notwendigen Reform des Föderalismus in Deutschland sagen: Frau Simonis, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement hat zwar ein paar zaghafte Versuche gemacht, dieses Thema in die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich einfließen zu lassen, aber der Versuch, eine Föderalismusreform, die ihren Namen verdient, jetzt einzuleiten, ist noch nicht einmal im Ansatz gelungen. Stattdessen will man bis 2004 mit der Entscheidung darüber warten, ob sich etwas ändern soll. Bis dahin will man überlegen. Ich kann nur sagen: Die Bundestagswahl lässt grüßen!

Dass ich mit meiner Meinung hier nicht allein stehe, können Sie daraus ersehen, dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einer Stellungnahme für das Bundesfinanzministerium zu verstehen gegeben hat, dass er den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Weg für eine Reform für gescheitert hält. Für eine wirkliche Reform schlägt der Sachverständigenrat eine begrenzte Besteuerungsautonomie der Länder vor, die ein Zuoder Abschlagsrecht bei der Einkommen- und der Körperschaftssteuer umfassen sollte. Zudem sollten die Länder bei jenen Steuern autonom über die Tarife entscheiden können, bei denen ihnen das Aufkommen allein zusteht. Dies wäre ein erster Schritt zum Föderalismuswettbewerb gewesen, Frau Simonis.

(Beifall bei CDU und FDP)

Als Beispiele können wir hier die Erbschaftsteuer sowie die KFZ-Steuer nennen. Die Fünf Weisen haben Bund und Länder schließlich aufgefordert, bei den Beratungen über das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Maßstäbegesetz nicht den Weg zu einer wettbewerblich orientierten Reform zu verbauen. Leider wurden auch diese Chancen verpasst. Der so notwendige Wettbewerbsföderalismus hatte am 23. Juni bei den Ministerpräsidenten jedenfalls keine Lobby. Hauptsache, jeder Provinzfürst hatte seine Pfründe gerettet. Was geht uns schließlich die Zukunft unserer Kinder in einem wettbewerbsorientierten Europa und einer globalisierten Welt an! Hauptsache ist, dass

unsere Pfründe gerettet werden. Das ist sicherlich der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU)

Kaum hatten Clement und Stoiber ihre Reformvorschläge ausgesprochen, kam heftiger Protest aus Kiel. Ein solcher Schritt hätte - so die Ministerpräsidentin Simonis - gerade für die ärmeren Länder weniger Steuereinnahmen zur Folge. Sie müssten noch höhere Steuern erheben und wären noch unattraktiver. Unabhängig davon, dass dies nun wirklich ein Schlechtreden des Landes bedeutet, ist es schlimm, dass Sie, Frau Simonis, Schleswig-Holstein von vornherein für unattraktiv halten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist auch falsch!)

Wirklich falsch ist auch, dass Steuerautonomie geringere Steuereinnahmen zur Folge hätte. Gerade geringere Steuersätze bei den Landessteuern würden dazu führen, dass Schleswig-Holstein - zusätzlich zu den guten Lebensbedingungen - auch wirtschaftlich attraktiver würde.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn wir wirtschaftlich attraktiver werden, wenn es zusätzliche Investitionen gibt, dann werden wir schließlich mehr Steuereinnahmen in unsere Landeskassen spülen. Das aber scheint der Diplomvolkswirtin Simonis völlig fremd zu sein.

Der Föderalismus in Deutschland ist jedenfalls in die Jahre gekommen. Die Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern ist verkümmert. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben Bundestag und Bundesrat nach und nach fast alle Kompetenzen übernommen und so den Gestaltungsspielraum der einzelnen Länder immer mehr eingeengt. Um wieder mehr regionalen Wettbewerb zu haben, müssen wir vor allem die Steuerkompetenz des Bundes beschneiden, die Mischfinanzierung abbauen und den wettbewerbshemmenden Finanzausgleich ernsthaft reformieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

In der Bundesrepublik Deutschland ist der Steuerwettbewerb zwischen den Regionen so gut wie ausgeschaltet. Um das in einem Agrarland landwirtschaftlich auszudrücken: Die Länder sind nicht die Bullen, sondern die Ochsen auf der Steuerwiese. Diesem weit gehenden Verzicht auf eigenständige Steuerkompetenz kommt auf dem internationalen Parkett nur Weniges gleich. Lediglich das Beispiel Österreich ist zu nennen.

(Glocke des Präsidenten)

Als gute Vorbilder können demgegenüber die USA, Kanada und die Schweiz dienen. Die Vorteile dieses

(Martin Kayenburg)

Wettbewerbs liegen auf der Hand: Steuerdisziplin, Effektivität und Effizienz, weniger Ausgaben und vor allem mehr Haushaltsdisziplin. Frau Simonis, das ist für Sie natürlich ein Fremdwort. Lassen Sie uns endlich Schluss machen mit dem Hin- und Hergeschiebe von Steuer- und Fördermitteln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden! Lassen Sie uns in einem wettbewerbsorientierten Föderalismus mit klaren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten den Ländern zusätzliche Chancen geben! Die Entflechtung der Mischfinanzierung, die übrigens auch Bundesfinanzminister Eichel fordert, wäre ein erster Schritt. Herr Möller, mehr Steuerautonomie sollte folgen, um das Paket rund zu machen.

Das Ergebnis des monatelangen Gezerres um den Länderfinanzausgleich ist reine Augenwischerei. Alle können mit dem Kompromiss vom 23. Juni zufrieden sein, nur leider nicht die Bürger und auch nicht die Steuerzahler. Ich glaube, es war keine Sternstunde des Föderalismus und in Schleswig-Holstein würde man sagen: „Dat blifft allns so, as dat is.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich vorsorglich darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, die Beratungsfolge zwischen den Tagesordnungspunkten 5 und 6 zu verändern. Es wird also zunächst Tagesordnungspunkt 6 aufgerufen werden; dann folgt Tagesordnungspunkt 5.

Ich erteile jetzt der Frau Abgeordneten Kähler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht detailliert auf die Kritik des Oppositionsführers eingehen, weil sie mit Sicherheit eines feststellen lässt:

(Klaus Schlie [CDU]: Schade, es lohnt sich!)

Das Mikrofon hier im Saal hat zwar Ihre Stimme gestärkt, aber nicht Ihre Argumente.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh, oh!)