Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Und gerade in diesen Bereichen soll kein Wettbewerb der Länder stattfinden?

Wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es die entsprechenden Vorschläge für Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftssteuer nicht nur bei uns, nicht nur in Teilen der SPD, sondern vor allem auch bei den Grünen - nicht nur auf Bundesebene, sondern auch im Land. Ich habe eine entsprechende Erklärung der Grünen noch im Ohr, in der als Aussage gefordert worden ist, dass man auf diese Art und Wiese zu mehr eigener Finanzkraft im Lande beitragen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen sagen, warum die Ministerpräsidentin das nicht will: Wenn der Steuerwettbewerb in Teilen freigegeben würde, würde die schuldenfinanzierte Utopie von RotGrün zügig in den Mülleimer der Landesgeschichte wandern.

Frau Simonis sagt, die Landesregierung schulde den eigenen Bürgerinnen und Bürgern in Bezug auf den Solidarpakt II eine sorgfältige Mittelverwendung und die zeitliche Begrenzung dieser Maßnahme. Das ist richtig. Frau Ministerpräsidentin, Sie schulden den Menschen in Schleswig-Holstein aber vor allem auch eine sorgfältige Verwendung der Landesmittel. Ihre Politik ist das beste Beispiel für die neuen Länder, wie man es nicht machen sollte. Sie verpulvern Steuergelder und belasten zukünftige Generationen mit realsozialistischen Hirngespinsten und verschenken unnötig Milliardenwerte aus dem Landesvermögen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das sind Worthülsen!)

Sie sollten Ihre Aussagen zum Solidarpakt zur Messlatte Ihrer zukünftigen Politik machen, solange Sie noch im Amt sind.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Ach, Herr Kollege Fischer. Ich komme darauf gleich noch zurück. Entspannen Sie sich und warten Sie doch einmal den Debattenbeitrag ab! Er dauert 15 Minuten, er muss doch nicht in drei Minuten zu Ende sein. Ich weiß, dass Sie Kurzfristlösungen wollen, aber Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass Politik langfristiger und nachhaltiger sein muss.

Zum Finanzausgleich selbst! Schleswig-Holstein erhält mehr Geld für das Land und die Kommunen. Das ist das Ergebnis der Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich. Das soll gut sein, denn wichtig sei, was hinten herauskommt. Ich stimme dieser Feststellung nur bedingt zu. Unter sonst gleichen Bedingungen ist mehr Geld in der Kasse eindeutig besser als weniger, aber eben nur unter sonst gleichen Bedingungen. Ob das, was jetzt hinten herausgekommen ist, Schles

(Wolfgang Kubicki)

wig-Holstein wirklich nach vorn bringt, ist mehr als fraglich.

Fangen wir also noch einmal von vorn an. Der Länderfinanzausgleich alter Art stand unter einem alles beherrschenden Vorzeichen: Alle Länder sollten am Ende in Bezug auf die relative Finanzausstattung gleichgemacht werden, egal wie erfolgreich oder nicht erfolgreich die Politik in den einzelnen Ländern war oder ist; der Erfolg oder Misserfolg sollte sich nicht in der Landeskasse widerspiegeln. Ergebnis: Erfolgreiche Politik wurde durch Abzüge bestraft und erfolglose Politik durch Zuschüsse belohnt. Dieses Ergebnis führte in den erfolgreichen Ländern zu verständlichem Unmut und zur Verfassungsklage. Das Gericht gab den Klägern Recht und zwang den Bund und die Länder zur Neuregelung der Umverteilung.

Die Fronten waren von vornherein klar. Die Geberländer wollten weniger zahlen, die Nehmerländer wollten auf keinen Fall weniger bekommen und der Bundeskanzler brauchte eine Erfolgsmeldung, weil sein Image zusammen mit der Konjunktur gerade untergeht. So trafen sich 17 Regierungschefs zum Kuhhandel auf Kosten des Steuerzahlers. Innerhalb weniger Stunden war alles geregelt. Der Bund zieht 1,5 Milliarden DM aus dem Skat; damit werden die Nachlässe für die Geberländer finanziert und die Geberländer haben nichts dazugezahlt. Friede, Freude, Eierkuchen: Eine Sternstunde des Föderalismus wird proklamiert und Frau Simonis freut sich über eine weitere schwarze Null. - Eine kleine Nebenbemerkung an die CDU: Ich an ihrer Stelle würde mich über den Begriff „schwarze Null“ nicht zu sehr freuen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Zurück zum Thema! Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist für mich keine Sternstunde des Föderalismus. Das grundlegende Prinzip der Gleichmacherei wurde nicht abgeschafft. Die Fehlanreize des alten Systems bestehen weiter. Schlechte Politik wird weiterhin übermäßig subventioniert. Einziger Unterschied zu vorher: Die Last der Subventionszahlung wurde marginal von den Geberländern auf den Bund verschoben. Dieser Erfolg der Geberländer wird allerdings dadurch abschwächt, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den Geberländern die Nehmerländer jetzt über Steuerzahlungen an den Bund finanzieren. Fazit: Dieses Reförmchen stärkt den Föderalismus nicht.

(Beifall bei der FDP)

Die Regierungen haben die Chance vertan, durch eine konsequente Umstellung des Länderfinanzausgleichs die Weichen für mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern zu stellen. Der einzige Wettbewerb,

der hier erhalten wurde, ist der Wettbewerb um Subventionen für schlichte Landespolitik. Das ist das Problem für Schleswig-Holstein und das ist auch mein Vorwurf an Heide Simonis und die Landesregierung: Seit Jahren ziehen Sie durchs Land und proklamieren großspurig die Zukunft im eigenen Land. Ihr Beitrag zu dieser Zukunft besteht in erster Linie darin, die Chancen für diese Zukunft zu verschlechtern. Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist ein weiterer großer Schritt in Richtung schlechtere Zukunft für Schleswig-Holstein.

Ihre Finanzpolitik, Frau Simonis, hat das Land Schleswig-Holstein an den Rand der Pleite getrieben, so nah an diesen Abgrund, dass selbst der Koalitionspartner die Hoffnung auf die finanzpolitische Zukunft im eigenen Land schon aufgibt und - man höre und staune; der Kollege Hentschel hat das getan - die Zwangsbewirtschaftung der Landesfinanzen durch den Bund fordert. Ein größeres Eingeständnis des Versagens der eigenen Politik kann es gar nicht geben.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeord- neten Holger Astrup [SPD])

- Kollege Astrup, ich nehme das mit Wohlgefallen zur Kenntnis, aber nach wie vor ist die grüne Landtagsfraktion regierungstragende Fraktion. Ich gehe immer noch davon aus, dass der Kollege Hentschel weiß, was er sagt, oder dass er jedenfalls vorher darüber nachdenkt, was er sagt. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich lasse mich nicht provozie- ren!)

- Es ist auch gut so, Kollege Hentschel, dass Sie sich nicht provozieren lassen. Für eine Partei, die mit dem SSW um Platz fünf in der Landespolitik kämpft, nehmen Sie den Mund gelegentlich ganz schön voll.

(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in den Verhandlungen die Chance vertan, sich zumindest für bessere Zukunftschancen für Schleswig-Holstein einzusetzen. Für eine schwarze Null haben Sie eine Chance auf einen höheren Wachstumspfad für Schleswig-Holstein aufgegeben. Das ist Ihr Bärendienst an der Zukunft unseres Landes.

Die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs hätte zu einer Investition in den Standort Deutschland werden können, einer Investition, von der auch SchleswigHolstein profitiert hätte. Investitionen sind Projekte, bei denen man in der Gegenwart Nachteile in Kauf nimmt, um dafür später besser dazustehen als ohne diese Investitionen. Investoren gehen Risiken ein, weil

(Wolfgang Kubicki)

sie überzeugt sind, dass die Chancen größer sind als diese Risiken, weil sie überzeugt sind, im Wettbewerb bestehen zu können.

Ich wiederhole das: Investoren sind überzeugt, im Wettbewerb bestehen zu können. Echter Wettbewerb zwischen den Bundesländern wäre die entscheidende Investition in die Zukunft Deutschlands gewesen, ein Wettbewerb, in dem die Bundesländer unterschiedliche Politikkonzepte anbieten und sich um die Wette um die Gunst der Wähler und Investoren bewerben müssten, ein Wettbewerb, in dem schlechte Politik nicht bis auf 0,5 Prozentpunkte Ergebnisunterschied durch Subventionen abgesichert wird, ein Wettbewerb, in dem das Risiko des Misserfolgs den Anreiz zu guter Politik setzt. Sie haben es noch nicht einmal versucht, Frau Ministerpräsidentin, für diesen Wettbewerb einzutreten. Das zeigt, dass Sie von der Wettbewerbsfähigkeit Ihrer eigenen Politik nicht überzeugt sind.

(Beifall bei der FDP)

Gleichzeitig fordern Sie Investoren auf, in SchleswigHolstein zu investieren. Warum sollte man dort investieren, wo die Regierung von ihrer eigenen Politik nicht überzeugt ist und auch keine Erfolge vorweisen kann?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es noch einmal: Wäre die Landesregierung von der Wettbewerbsfähigkeit ihrer eigenen Politik überzeugt, dann hätte sie sich für eine echte Reform des Finanzausgleichs eingesetzt, eine Reform mit stärkerem Wettbewerb zwischen den Bundesländern, die zu besserer Politik in allen Bundesländern führen würde, weil Misserfolge merklich bestraft würden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Jetzt bekommt Schleswig-Holstein die schwarze Null, sprich knapp 51 Millionen DM im Jahre 2005, deren Gegenwert bei einem derzeitigen Zinsniveau von 5 % heute etwa 40 Millionen DM entspricht.

Ich nehme Ihre Frage vorweg, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen: Schlägt Kubicki ernsthaft vor, dass wir auf 40 Millionen DM angesichts der anstehenden Haushaltsprobleme verzichten sollen? Meine Antwort lautet: Ja. Um den Preis eines stärkeren Wettbewerbs zwischen den Bundesländern hätte die Landesregierung darauf verzichten sollen.

Ich sage Ihnen auch, wie wir diese Investition in die Zukunft Schleswig-Holsteins hätten finanzieren sollen. Die Stichworte lauten: Preussag-Wohnungen, Provinzial, LEG. Bei diesen Geschäften verschenkte und verschenkt die Landesregierung freiwillig und völlig unverständlich Milliardenbeträge und versucht, der Öffentlichkeit diese Vermögensverschleuderung als

Investition in die Zukunft des Landes zu verkaufen. Das ist schon für sich genommen ein Vergehen an der Zukunft der Menschen in Schleswig-Holstein. Jetzt setzt die Landesregierung noch einen drauf und verschenkt höhere Wachstumschancen für einen Gegenwert von 40 Millionen DM.

Frau Ministerpräsidentin, vielleicht hätten Sie es nicht geschafft, sich mit der Forderung einer wirklichen Reform des Länderfinanzausgleichs durchzusetzen. Aber Sie haben es noch nicht einmal versucht. Das wiegt schwerer als ein gescheiterter Versuch.

(Beifall bei FDP und CDU)

Denn gleichzeitig haben Sie die Menschen in den neuen Bundesländern ermahnt, sie dürften sich nicht daran gewöhnen, dass das Geld einfach kommt, wenn man ruft. Auch dort müsse man einsehen, dass das Geld nicht einfach aus dem Portemonnaie komme, sondern erst durch Leistung verdient werden müsse. Das ist blanker Zynismus, Frau Ministerpräsidentin. Sie und Ihre Regierung pfeifen finanzpolitisch aus dem letzten Loch und können Ihre verfehlte Politik nur noch mit der Ländersozialhilfe über den Tag retten. Und Sie werfen den Menschen in den neuen Ländern vor, dass diese versuchen, unter diesen Umständen nicht die Dummen im großen Umverteilungsspiel der Länder zu sein!

Sie hätten im Glashaus nicht mit Steinen werfen sollen, Frau Simonis. Wir werden Sie an diesen Worten und Ihren Taten messen. Freuen Sie sich mit uns, übrigens wie die vielen Demonstranten, die gerade die Solidaritätsadressen bei Ihnen abgeben, auf einen wirklich heißen Herbst.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die große Schlacht um den Länderfinanzausgleich ist geschlagen und hat wie erwartet mit einem Kompromiss geendet. Darüber kann man jammern, aber man kann auch feststellen: Die Länder haben gut verhandelt. Am Schluss hat der Bund Geld zugelegt und die Belastung aus dem Fonds Deutsche Einheit weitgehend allein übernommen. Das bringt für SchleswigHolstein eine Entlastung des Landeshaushaltes von 50,7 Millionen DM und - nicht zu vergessen - für die

(Karl-Martin Hentschel)

Kommunen von 20,7 Millionen DM. Dafür meine Gratulation an die Ministerpräsidentin.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Debatte über den Föderalismus, die während dieser Verhandlungen in den letzten Monaten eine erhebliche Rolle gespielt hat, ist damit natürlich nicht zum Abschluss gekommen. Das kann sie auch nicht. Eine wichtige Rolle spielte in den letzten Monaten der Begriff „aktivierender Finanzausgleich“. Meine Fraktion hat diesen Begriff in Berlin mit Empörung zurückgewiesen, denn kein Land strengt sich weniger an, seine Wirtschaft zu entwickeln, weil es mehr oder weniger Fördermittel bekommt. Im Gegenteil! Der Föderalismus hat in den 40 Jahren bis zur deutschen Einigung bewiesen, dass er dazu beiträgt, gleiche Lebensverhältnisse herzustellen.

Damit unterscheidet sich die Bundesrepublik erheblich von zentralistischen Ländern wie Frankreich und Großbritannien, in denen ganze Regionen von der ökonomischen Entwicklung abgehängt wurden. Das ist der eigentliche Erfolg des Föderalismus. An dem sollten wir festhalten.

Den Föderalismus mit Privathaushalten zu vergleichen, die man mehr oder weniger besteuert, ist Quatsch, Herr Kubicki. Da haben Sie irgendetwas verwechselt.