Viertens. Trotz der widrigen Umstände sind die Moral und das Engagement bei den Polizistinnen und Polizisten im Lande hoch. Die Grenzen des Zumutbaren sind allerdings schon überschritten.
Meine Damen und Herren, das Innenministerium hat uns bestätigt, dass Schleswig-Holstein bei der Aufklärungsquote der Straftaten mit 45,6 % im Ländervergleich an vorletzter Stelle liegt. Nur Hamburg hat für das Jahr 2000 schlechtere Zahlen vorzuweisen. Selbst Stadtstaaten wie Berlin und Bremen haben höhere
Aufklärungsquoten, obwohl zum Beispiel Berlin im Verhältnis zur Einwohnerzahl 78 % mehr Straftaten zu beklagen hat. Dies wird in der so genannten Häufigkeitszahl ausgedrückt.
Viele potenzielle Täter werden durch eine hohe Aufklärungsquote von der Begehung von Straftaten abgeschreckt. Was aber macht die Landesregierung? Sie baut mit dem Ergebnis, dass immer weniger Straftaten aufgeklärt werden, immer weiter Personal ab - frei nach dem Motto: Wo kein Ermittler, da keine Aufklärung! Besonders drastisch zeigt sich das am Beispiel Kiel: Obwohl die Einwohnerzahl zurückgegangen ist, hat sich die Zahl der gemeldeten Straftaten erhöht. Die Aufklärungsquote ging um ein Prozent auf knapp 44 % zurück. Nun sollen auch noch 30 weitere Beamte aus Kiel abgezogen werden.
Leider nimmt auch die Gewaltkriminalität drastisch zu. Dabei ist unter Gewalt nicht die einfache Körperverletzung zu verstehen, sondern - und nun hören Sie bitte genau zu - Folgendes: Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Kindestötung, Vergewaltigung, Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr. Insgesamt wurde in diesem Bereich ein Anstieg um 12,7 % ausgewiesen.
„Dramatisch“ ist eine harmlose Bezeichnung für den Anstieg der Gewaltstraftaten bei Kindern und Jugendlichen. Bei den unter 14-Jährigen beträgt der Zuwachs 290 %; bei den 14- bis 18-Jährigen hat sich die Gewaltkriminalität verzwei- bis verdreifacht. Unter RotGrün ist Schleswig-Holstein weiß Gott nicht kinderfreundlicher geworden. Da stellt sich die Frage, wie die Entwicklung aussähe, wenn es keine kriminalpräventiven Räte gäbe. Der Sinn dieser Einrichtungen wird offensichtlich nicht sehr hoch eingeschätzt, denn die Landeszuweisungen wurden in den letzten vier Jahren auf 23.000 DM reduziert und damit fast halbiert, Herr Minister.
Die Rauschgiftkriminalität hat im Zeitraum von 1991 bis 2000 um über 100 % zugenommen. Dabei ist herauszuheben, dass der Zuwachs der Erstkonsumenten 66 % beträgt und dass sich die Zahl der Erstkonsumenten von Ecstasy verzehnfacht hat. Gerade bei der Bekämpfung des Rauschgifthandels wird in der Antwort auf unsere Große Anfrage die Arbeit der vier Gemeinsamen Ermittlungsgruppen Rauschgift - die
Abkürzung lautet GER - von Polizei, BGS und Zoll hervorgehoben. Die GER sei eine wesentliche Säule bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Aber was passiert, wenn in Flensburg und Lübeck Standorte des Zolls geschlossen werden und die dort vorhandene Ausrüstung nicht mehr zur Verfügung steht?
Stichwort Kriminalpolizei! Wann ist in Pinneberg, einer so genannten A-Inspektion, mit der Einrichtung eines Kriminaldauerdienstes - also KDD - zu rechnen? Diese wurde 1999 durch Staatssekretär Wegener zugesagt. Nun aber müssen wir lesen, dass der KDD nur noch „angestrebt“ werde. Das sind kleine, meines Erachtens aber wesentliche Unterschiede.
Wie sieht es mit der Abarbeitung der zirka 10.000 DNA-Altfälle aus? Herr Minister, ich wünsche Ihnen nicht, dass es einmal heißt, ein Täter konnte nicht rechtzeitig ermittelt werden, weil die DNA-Daten zwar vorlagen, aber nicht ausgewertet waren. Wann wird die zweigeteilte Laufbahn bei der Kripo nicht nur im Stellenplan, sondern auch in der Besoldung verwirklicht? 125 Beamte der Kripo warten auf eine ihrer Stelle entsprechende Entlohnung.
Zum Thema Internetkriminalität, insbesondere zum Thema Kinderpornographie! Keine Kriminalpolizeidienststelle verfügt über einen eigenen Internetanschluss. Es kann also in diesem Bereich gar nicht ermittelt werden. Nebenbei: Bayern führt für den eigenen Zuständigkeitsbereich anlassunabhängige Internetrecherchen durch. Warum nicht auch SchleswigHolstein?
Ansonsten wissen wir selbstverständlich auch, dass diese Themen in den Zuständigkeitsbereich des BKA gehören. Es gibt zwar bei den Polizeiinspektionen zurzeit 27 Internetanschlüsse, diese dienen aber nicht Ermittlungszwecken.
Bei der Schutzpolizei lässt sich feststellen, dass ein immer größerer Rückzug der Polizei aus der Fläche erfolgt. Polizeireviere mit nachgeordneten Dienststellen wurden aufgelöst und an deren Stelle Polizeizentralstationen mit nachgeordneten Diensten eingerichtet, die nunmehr für die Schutzbereiche zuständig sind. Für diese Bereiche sind insgesamt 245 Dienststellen mit 1.818 Polizeibeamten zuständig. Das ergibt pro Schicht und Dienststelle eine durchschnittliche Besetzung von 1,8 Beamten. Auch kann der Antwort entnommen werden, dass nicht ständig sichergestellt ist, dass zwei Beamte pro Fahrzeug im Streifendienst sind.
Insgesamt geht der Personalbestand von Schutz- und Kriminalpolizei zurück. Waren 1999 noch insgesamt
8.372 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, so waren es im Jahre 2000 nur noch 8.137. Prognostiziert werden zum Jahresende 8.069 Mitarbeiter und im Jahre 2005 nur noch 8.036 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Sachausstattung ist oft mangelhaft. Ein Großteil der Ausrüstung ist bereits so alt, dass er abgeschrieben ist. So sind von den Booten der Wasserschutzpolizei bereits sechs über 30 Jahre alt. Die „Helgoland“ erreicht dieses Alter in drei Jahren. Der Fahrzeugbestand weist 215 Fahrzeuge mit jeweils über 200.000 gefahrenen Kilometern aus. Sie haben eben auf das „Leasing“ hingewiesen. Das ist eine alte FDPForderung und wir freuen uns, dass Sie unserer Forderung nachgegeben haben.
In den Jahren 1997 bis 2000 wurden insgesamt lediglich 58 schwere Schutzwesten beschafft. Sie sagten eben, es sei ein Schwerpunkt Ihres Programms, für jeden Beamten persönlich eine Weste zu beschaffen. Dazu möchte ich einen Otto-Witz heranziehen. Seinerzeit hieß es da von ihm: „Bei der Bundeswehr ist Wäschewechsel. Meier tauscht mit Lehmann und so weiter.“ Dieser Zustand besteht jetzt bei den Schutzwesten der Polizei, weil die Schutzwesten, die auf dem Leib getragen werden, nach Schichtende von einem Beamten der einen Schicht zu einem Beamten der nächsten Schicht weitergegeben werden müssen.
Meine Aufzählung muss unvollständig bleiben. Zehn Minuten Redezeit reichen einfach nicht zu einer vollständigen Auseinandersetzung mit einer solch umfangreichen Großen Anfrage aus.
Herr Innenminister, die Polizei spricht durchaus positiv über Sie. Das habe ich auf vielen Veranstaltungen vernommen. Auch ich bestreite Ihr entsprechendes Engagement nicht.
Was nützt es uns aber, wenn Sie sich beim Finanzminister oder im Kabinett nicht durchsetzen können, die erforderlichen Mittel einzuwerben? Gemessen werden Sie letztlich an Taten. Wir warten deshalb gespannt auf die nächsten Haushaltsberatungen. Unsere Unterstützung haben Sie in jedem Fall.
Loben - das ist mir ein besonderes Anliegen - möchte ich die vielen Polizeibeamtinnen und -beamten im Lande. Ihre hohe Motivation und Einsatzbereitschaft bei den miserablen Zuständen sind für mich nicht mehr nachvollziehbar. Nur diesen Beamtinnen und Beamten
haben wir es zu verdanken, dass innere Sicherheit und subjektives Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung noch in dem jetzigen Maße vorhanden sind.
„Es ist eklatant, welche Missstände es bei der Polizei gibt. Mit Steinzeitmethoden soll sie Hightech-Kriminalität bekämpfen. Die Haushaltsprobleme dürfen nicht auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes bewältigt werden. Die Beamten haben ihre Solidaritätsbeiträge geleistet.“
- Er klatscht schon Beifall. Dieses Zitat stammt von Rainder Steenblock, Landtagsabgeordneter der Grünen.
Die Aussage wurde am 5. Juli dieses Jahres bei der GdP in Halstenbek getätigt. Herr Steenblock, ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich natürlich auch dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministers anschließen, die diese umfangreiche und materialreiche Antwort auf die Große Anfrage der FDP gegeben haben. Hier ist wirklich ein aktuelles Nachschlagewerk zur Landespolizei erarbeitet worden.
Ich möchte einige Schlussfolgerungen zu Themen ziehen, die die Antwort der Großen Anfrage bearbeitet. Natürlich gehen diese in eine etwas andere Richtung als die, die Herr Hildebrand hier eingeschlagen hat.
Zur Kriminalitätsentwicklung! Grundlage für die Erkenntnisse zur Kriminalitätsentwicklung ist die polizeiliche Kriminalstatistik. Sie weist darauf hin, dass die Gewaltkriminalität kontinuierlich ansteigt,
auch Wirtschaftsverfahren zunehmen und Umweltdelikte - wie auch die Drogenkriminalität - Höchststände erreichen. Diebstahldelikte sind rückläufig und 71,2 % der Gewaltdelikte werden aufgeklärt. Die Statistik verrät uns allerdings nichts über die tatsächliche Anzahl der Straftaten. Sie ist abhängig vom Anzeigeverhalten. Ein gutes Verhältnis zwischen Bevölkerung und Polizei, das eine hohe Anzeigebereitschaft hervorruft, führt in der Presse - wie zum Beispiel zuletzt im „Stern“ - und natürlich auch in der Öffentlichkeit leider oft zu verzerrten und irreführenden Schlussfolgerungen.
Daher ist die Erstellung eines periodischen Sicherheitsberichtes erforderlich, der diesen Besonderheiten Rechnung trägt. Das ist bereits im Koalitionsvertrag von Rot-Grün vereinbart worden und der Bundesinnenminister ist dabei, Grundlagen dafür zu entwickeln. Das abzuwarten ist richtig und wichtig, denn nur eine bundesweite Vergleichbarkeit erlaubt tatsächlich fundierte Aussagen über die Wirkung der Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung. Danach können wir uns über die Aufklärungsquote unterhalten.
Zum Stellenwert der inneren Sicherheit! Hervorzuheben ist die Aussage in der Antwort auf die Große Anfrage, dass die innere Sicherheit haushaltsmäßiger Schwerpunkt für die Landesregierung ist. Für uns als SPD-Fraktion ist sie natürlich auch ein politischer Schwerpunkt und gewinnt weiter an Bedeutung. Daher werden wir auch im Nachtragshaushalt und im Haushalt 2002 sicherstellen, dass die polizeiliche Arbeit und damit die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nicht gefährdet wird. Dass dies so ist und weiter so sein wird, möchte ich mit drei Beispielen belegen:
Das KFZ-Leasing, das zur grundlegenden Erneuerung des Fuhrparks der Polizei führen wird, steht vor der Umsetzung. Das hat natürlich nicht nur erfreuliche Folgen für die Qualität der Fahrzeuge und damit die Arbeitsbedingungen der Polizeibeamten, die in diesen Fahrzeugen sitzen. Es hat auch Konsequenzen für den Betrieb und den Bestand der KFZ-Werkstätten. Der Innenminister hat schon darauf hingewiesen.
Weiter wurde auch der Bereich Ausstattung mit Schutzwesten angesprochen. Auch hier ist eine Lösung greifbar, aber es ist natürlich auch eine teurere - wenn auch bessere - Lösung. Die ersten Haushaltsmittel werden wir - in diesem Punkt sind wir uns wohl alle einig - bereits im Nachtrag bereitstellen. Gleiches gilt für die Verpflichtungsermächtigung für die nächsten zwei Jahre. Ziel bleibt eine Mann- beziehungsweise Frauausstattung für alle Beamtinnen und Beamten im Einsatzdienst. Damit sind wir in einer Dimension, die den derzeitigen Bestand weit überschreitet.