Der Prozess der Entwicklung einer Region mit 80 Millionen Einwohnern muss moderiert werden. Alle Ostseenachbarn müssen sich und ihre Interessen vertreten wissen. Dies ist eine der vornehmsten Aufgaben der Ostseeratspräsidentschaft. Kurz gesagt: Das Ziel einer erfolgreichen Ratspräsidentschaft ist das Voranbringen der gesamten Region.
Hier haben sich die Schweden stark auf die Themen Bürgernähe, Umwelt und Sozialpolitik konzentriert; die deutsche Ratspräsidentschaft hat schon wegen ihrer geographischen Lage stärker die EU-Osterweiterung berücksichtigt.
Der historische Zerfall einer Großmacht mit allen sich hieraus ergebenden Unwägbarkeiten, seine Chancen und Risiken und die rasante Entwicklung in Europa machen es erforderlich, dass nicht jene ausgegrenzt werden, die nicht nur in Bezug auf ihre Mitgliedschaft zur EU am Rande stehen. Sie sind nicht Zuschauer, sondern Mitspieler; sie sind nicht Voyeure, sondern Akteure; sie sollen an unseren Erfahrungen teilhaben und uns an ihren Erfahrungen teilhaben lassen, damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Ostseeraum, die im Antrag angesprochen wurde, eine Partnerschaft wird und keine Patenschaft.
So gehörte zu den inhaltlichen Schwerpunkten der deutschen Präsidentschaft zum Beispiel die Beseitigung von Handelsbarrieren, die Erstellung eines ITNetzwerkes für kleine und mittlere Unternehmen und die Organisation eines hochrangigen internationalen Wirtschaftsforums. Frau Ministerpräsidentin ist schon darauf eingegangen, dass solch ein großes internationales Wirtschaftsforum auf Einladung von Außenminister Fischer und Wirtschaftsminister Müller in Berlin stattgefunden hat, das sich explizit mit der Ostseeregion beschäftigt hat. Zum ersten Mal ist damit das Interesse der Wirtschaft auf die Ostseeregion fokussiert worden. Ein solches Forum stärkt die Position der norddeutschen Länder und damit natürlich auch die Position Schleswig-Holsteins.
Die Frage, wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze während der deutschen Präsidentschaft in SchleswigHolstein entstanden sind, geht daher völlig an der
Sache vorbei. Soweit sich das überhaupt messen lässt, könnte die Frage höchstens lauten: Ist es unter der deutschen Ostseeratspräsidentschaft gelungen, die Ostseekooperation weiterzuentwickeln und einen Aufschwung zu beflügeln? Welche Schwerpunkte sind gesetzt worden und liegen diese im schleswigholsteinischen Interesse?
Im Rahmen der Nördlichen Dimension stand die Erstellung regionaler Projekte im Ostseeraum auf der Agenda, einschließlich Kaliningrads, ebenso das Vorantreiben der Ostseeregion als einer aufstrebenden Wirtschaftsregion mit einer gemeinsamen kulturellen Identität und einer sehr aktiven Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen. Auch hierzu hat es in Lübeck eine sehr erfolgreiche internationale Konferenz gegeben.
Eine von der deutschen Ostseeratspräsidentschaft beauftragte Expertengruppe formulierte im Jugendund Bildungsbereich Vorschläge wie diese: Investiert in die Köpfe! Gebt der Jugend die bestmögliche Ausbildung! Beseitigt Hindernisse, die ihre Mobilität im Ostseeraum noch behindern! Ich nenne die Stichworte: Ostsee-Sommeruniversität, Entwicklung gemeinsamer Curricula, gegenseitige Anerkennung akademischer Grade. Der Aufbau von Eurofakultäten, wie sie bereits in Tartu, Riga und Vilnius bestehen, ist in Kaliningrad fortgesetzt worden. Damit wird auch unsere Arbeit unterstützt und ergänzt, und zwar die Arbeit, die wir in diesem Parlament einstimmig beschlossen haben.
Meine Damen und Herren, wir verstehen die Ostseeratspräsidentschaft falsch, wenn wir sie als Aufbauprogramm für Schleswig-Holstein sehen. Die Ostseeratspräsidentschaft ist übergegangen auf die Russische Föderation. Machen wir es in unserem eigenen Interesse zu unserer Aufgabe, die Russen in ihrer Präsidentschaft zu unterstützen, dazu beizutragen, Gemeinsames gemeinsam voranzubringen, und zu helfen, Brücken zu bauen.
Messen wir die Bundesregierung gerade nach ihrer Ostseeratspräsidentschaft daran, wie sie ihr Engagement fortsetzt und die Ostseepolitik zu ihrer eigenen Sache macht! Hier sind wir mit der jetzigen Bundesregierung einen guten Schritt vorangekommen.
In Schleswig-Holstein gilt es unsere Vorreiterrolle in der Ostseepolitik wieder stärker zu behaupten und nicht darin nachzulassen, ein aktiver Motor in der Ostseekooperation zu sein. Ich schließe mich meinem
Kollegen Ritzek an: Es ist sehr begrüßenswert, dass unser Landtagspräsident, Heinz-Werner Arens, mit dem Standing Commitee das Gespräch mit Außenminister Fischer gesucht hat, um auch den Herrn Außenminister der Bundesrepublik auf unsere Region aufmerksam zu machen.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, als Parlament - nicht nur als Regierung - auf diesem Wege noch viele Schritte nach vorn zu gehen, damit die positiven Auswirkungen auf Schleswig-Holstein irgendwann auch die letzten Skeptiker einer Osteuropa- und Europapolitik erreichen.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Frau Ministerpräsidentin, vielen Dank für Ihren Bericht. Dennoch, wir halten die Bilanz des deutschen Vorsitzes im Ostseerat für äußerst mager. Es hat sich bestätigt, was der „Focus“ der Bundesregierung schon im vergangenen Sommer bescheinigte: Die deutsche Prioritätenliste für die Zeit ihres Vorsitzes ist eine von Selbstverständlichkeiten ohne Überraschungen, ohne Innovation und ohne Inspiration. Das einzige Konkrete, die inzwischen erfolgte Gründung einer Eurofakultät in Kaliningrad, offenbare eher Hilflosigkeit. Der „Focus“ bringt es auf die nach wie vor geltende Formel: Deutschland muss aus seiner Mitläuferrolle herausfinden.
Dabei sind die Perspektiven geradezu glänzend. Nirgendwo in Europa gibt es bessere Voraussetzungen für eine friedliche und prosperierende Zukunft. Doch die politische Beachtung dieser Region fällt immer noch eher dürftig aus. In Brüssel spielt die so genannte Nördliche Dimension der Europäischen Gemeinschaft keine große Rolle. Die Chance, Russland über den Ostseerat näher an den europäischen Integrationsprozess heranzuführen, wurde lange nicht gesehen und auch unter der deutschen Präsidentschaft nur unzureichend genutzt.
Jetzt komme ich zu einer Passage, die ich mit den Kollegen und Vorrednern nicht abgesprochen habe, die sich aber dennoch ähnelt. - Hier hat der Europaausschuss des Landtages und auch die schleswigholsteinische Präsens in der Ostseeparlamentarierkonferenz gegengesteuert und sich auch durch die Aktivitäten unseres Landtagspräsidenten Heinz
Werner Arens wirkungsvoll eingebracht. Dies erkennt die FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich an. Auch die Aktivitäten unserer Vizepräsidentin Dr. Kötschau will ich bei dieser Gelegenheit nicht vergessen.
Der bescheidene politische Stellenwert, den die Bundesregierung der Ostseeregion trotz aller wortgewaltigen Rhetorik beimaß, war daran zu erkennen, dass Staatsminister Zöpel die Ostsee sozusagen als Trostpreis dafür überlassen wurde, dass man ihn aus der Regierungskonferenz über die Reform der Europäischen Union herausgenommen hatte. Die „Neue Züricher Zeitung“ schrieb hierzu, auf westeuropäischer Seite sei ein Bewusstsein für die europäische Dimension der Ostsee kaum zu erkennen. Dies gelte vor allem für Deutschland.
Kaum eine Region in Europa hat sich in den letzten Jahren zu einem derart dynamischen Handelsraum entwickelt wie die Ostseeregion. Aber innerhalb dieses Konglomerats aus EU- und Nicht-EU-Staaten, Beitrittswilligen und einer kontinentalen Macht wie Russland sind die Unterschiede in Wirtschaftspotenzial, technischer Entwicklung, Infrastruktur und Umweltstandards dramatisch. Hierin liegt eine große Herausforderung für den Ostseerat.
Vor diesem Hintergrund hatte die FDP-Bundestagsfraktion zu Beginn des deutschen Vorsitzes einen Antrag für eine kohärente Ostseepolitik gestellt und die Bundesregierung mit einer Großen Anfrage veranlasst, sich über ihre Ziele im Rahmen des Ostseeratsvorsitzes Gedanken zu machen und hierüber Auskunft zu geben.
Dazu gehören die von Außenminister Fischer zu Beginn des deutschen Vorsitzes angekündigten Impulse für die Umsetzung der Nördlichen Dimension ebenso wie die Umsetzung des beim Europäischen Rats in Feira verabschiedeten Aktionsplans.
Von der von der Bundesregierung angekündigten Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Ostseeraum ist bislang ebenfalls wenig zu sehen. Dies gilt auch für die von der Bundesregierung angekündigte weitere Zusammenarbeit für einen aktiven Umweltschutz in der Ostsee.
Vor kurzem haben zwei EU-Wissenschaftlerkomitees für Lebensmittel vor den unter anderem von Fischen ausgehenden Dioxingefahren für den Menschen ausdrücklich gewarnt. Am schwersten belastet sei Fischmehl und Fischöl aus Fischen der Ostsee. Dies ist ein Thema, dem sich die Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee vorrangig widmen sollte. Auch hier gab es dringenden Handlungsbedarf für den deutschen Ostseeratsvorsitz. Wenn EU-Verbraucherkommissar
David Byrne hierzu vermerkt: „Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit auf BSE nicht weitere Krisen folgen“, so war dies in erster Linie eine Forderung an die Bundesregierung.
Der Landesfischereiverband stellte auf seiner Mitgliederversammlung am 4. Juli in Burg auf Fehmarn fest, dass im östlichen Bereich der Ostsee keine Fischbrut mehr aufwächst, weil die Schadstoffeinträge dort einfach zu groß sind.
Meine Damen, meine Herren, Sie sehen, es hätte viel getan werden können. Aus unserer Sicht hat die Bundesregierung dies leider weitgehend versäumt.
Vielen Dank, Herr Behm. Ich möchte Ihnen im Namen des Hauses ganz herzlich zur Vollendung des 60. Lebensjahres gratulieren.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Rainder Steenblock das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich einmal die Intention des CDU-Antrages anschaut, dann muss ich sagen: Ich finde es schon bemerkenswert, welches Verständnis von Außenpolitik und welches Verständnis vom Vorsitz in einem internationalen Gremium dahinter steht; denn es geht darum, was der Vorsitz in internationalen Gremien quasi als Förderinstrument für die regionale Entwicklung im eigenen Land bewirken kann. Dass Außenpolitik so verstanden wird, dass wir in einem halben Jahr fragen, ob die Russen ihre Präsidentschaft hauptsächlich so verstanden haben, dass sie die Wirtschaftsförderung für die Region Kaliningrad und St. Petersburg zum Schwerpunkt gemacht haben, macht deutlich, wie provinziell das Verständnis von Außenpolitik ist, das hinter dem Antrag steht. Ich meine, dass wir die internationalen Bemühungen der Bundesregierung nicht auf diesem Niveau diskutieren dürfen und dass wir sofort in eine Sackgasse kommen, wenn wir mit einem so egozentrischen Weltbild versuchen, Außenpolitik zu machen.
Richtig ist sicherlich - Kollege Behm, dem stimme ich zu -, dass die Bedeutung dieses Themas für die Integration Europas und die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen EU-Staaten, Beitrittsstaaten und Russland nicht erkannt wurde; denn wenn sie am
Anfang schon so wie am Schluss gesehen worden wären, gerade auch von Außenminister Fischer, dann hätte er sich dafür eingesetzt, statt der Botschafterkonferenz eine Ostseeparlamentarierkonferenz anzuberaumen. Das wäre vernünftig gewesen. Das ist ihm mittlerweile auch klar.
Dies war am Anfang ein Problem. Aber wenn wir uns einmal die Bilanz der internationalen Bemühungen während der deutschen Präsidentschaft im Ostseerat anschauen, dann muss man sagen, dass doch sehr viel Bewegung und Dynamik in diesen Prozess hineingekommen ist.
- Auch von Herrn Fischer unterstützt, der im Laufe des Prozesses immer sensibler für diese Themen geworden ist.
Dann möchte ich, wenn Sie es gern hören wollen, noch Folgendes sagen: Was die Vergangenheit der Ostseepolitik angeht, so ist festzustellen, dass bislang alle Bundesregierungen - egal, welcher Couleur - immer mit der rückseitigen Körperhälfte zur Küstenregion sei es Nordsee, sei es Ostsee - gestanden und nach Süden geschaut haben, wenn es um die Schwerpunkte europäischer Politik ging. Dies haben wir geändert.
Das ist ein großer Schritt, den diese Regierung jetzt gemacht hat. Der Umzug nach Berlin ist als Chance genutzt worden, um über die Ostsee hinaus die Nördliche Dimension in Europa stärker in das Bewusstsein zu integrieren und auf ihre Bedeutung im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses hinzuweisen. Das ist außerordentlich positiv.
Die Schwerpunkte der Präsidentschaft - der Bericht der Ministerpräsidentin hat das bereits gezeigt - liegen im Bereich Zivilgesellschaft - das ist ein zentraler Integrationspunkt, den wir gerade aus Deutschland heraus stärken müssen -, Schiffssicherheit in der Ostsee, Umweltschutz und Stärkung der Wissensgesellschaft. Auch diesbezüglich ist eine Reihe von Initiativen ergriffen worden. In Bezug auf die ökonomische Kooperation sind mit der Konferenz in Berlin, glaube ich, sehr klare Schwerpunkte gesetzt worden.