Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/1084, und den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache
15/1110. Für beide Anträge ist Ausschussüberweisung beantragt. Darf ich fragen, welcher Ausschuss federführend sein soll?
Das heißt, federführend ist der Sozialausschuss, mitberatend sind der Bildungs-, der Wirtschafts- sowie der Innen- und Rechtsausschuss. Wer die beiden genannten Anträge in dieser Form an diese Ausschüsse überweisen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit sind die Überweisungen bei Stimmenthaltung der Abgeordneten Kähler einstimmig so beschlossen.
Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung beantragt. Deshalb erteile ich zunächst der Frau Ministerpräsidentin das Wort. Frau Ministerpräsidentin Simonis, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den Tag vor einem Jahr habe ich in diesem hohen Haus gesagt: Ostseekooperation wird von der Bundesregierung nicht mehr als schleswigholsteinisches oder norddeutsches Steckenpferd angesehen. Wer nach einem Jahr die Bilanz des deutschen Ostseeratsvorsitzes liest, wird dem nur zustimmen können. Gesprächspartner aus Schweden und Finnland, die anfangs skeptisch waren, haben mir am Rande des Außenministertreffens Anfang Juli in Hamburg bestätigt: Ostseepolitik ist heute endgültig als notwendiges Thema in Berlin angekommen. Für dieses engagierte Vorgehen gebühren der Bundesregierung ausdrücklich Dank und Anerkennung.
Eine engagierte Ostseepolitik des Bundes ist auch ein gutes und ein notwendiges Signal für die Zukunftschancen unseres Landes. Wenn man heute ganz genau hinschaut, kann man sicherlich auch diesem deutschen Ostseeratsvorsitz einzelne Punkte kritisch vorhalten. Aber so ist das nun einmal in der Politik: Wo viele gleichberechtigt mitreden, mahlen die Mühlen mitunter langsamer, als es uns recht ist, gibt es manchmal Vorbehalte, muss man Rücksicht nehmen.
Vor einem Jahr hatten wir als Anforderungen an den deutschen Vorsitz formuliert, dass die Rolle des Ostseerats neu definiert werden muss. Entschiedener als bisher müsse er eigene politische Ziele für die Entwicklung der Region formulieren und festlegen, welche Projekte dafür vorrangig sind. Nur so kann es gelingen, die gemeinsamen Interessen der Region in Brüssel kraftvoll zu vertreten. Es ist klar, dass diese Aufgabendefinition nicht in dem einen Jahr des deutschen Vorsitzes abgeschlossen werden konnte. Also müssen weitere Weichen für die nächste Zukunft und die Entwicklung der Region gestellt werden. Gemessen an diesen - im Namen aller drei norddeutschen Länder - formulierten Forderungen kann man jedoch sagen: Der deutsche Ostseeratsvorsitz ist seiner Aufgabe gerecht geworden.
Als einzige regionale Organisation hat der Ostseerat einen aktiven Beitrag zum Aktionsplan „Nördliche Dimension der EU“ geleistet. Mit der Berliner Wirtschaftskonferenz des deutschen Ostseeratsvorsitzes ist die Aufmerksamkeit der deutschen Wirtschaft für den Wirtschaftsraum Ostsee erheblich gestärkt worden. Das stärkt auch den norddeutschen Ländern für ihre Aufgabe den Rücken und ist eine Tatsache, die uns allen eines Tages zugute kommen wird.
Schon heute exportiert die deutsche Wirtschaft Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als 98 Milliarden DM in diese Region. In den vergangenen Jahren sind zwischen 15 und 20 % der schleswigholsteinischen Exporte in diese Länder gegangen. In Berlin hat der Ostseerat auch den Anstoß gegeben, zukunftsweisende Themen auf seine Tagesordnung zu setzen, zum Beispiel die Informationstechnologien und die Chancen der Informationsgesellschaft. Hier hat die Ostseeregion exzellente Standortvorteile, die zum Nutzen aller besser erschlossen werden könnten.
Das gilt auch für die von Schleswig-Holstein angeregte Initiative „Wissensregion Ostsee“. Mit einem ersten Expertenworkshop hat Berlin den Startschuss gegeben, der von Schweden und Finnland bereits aufgegriffen worden ist. Beim Umweltschutz hat der Ostseerat auf deutsche Initiative hin Schiffsverkehrssicherheit in der Ostsee zu seinem Thema gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass die Ostseeregion weiter eigene Anstrengungen unternimmt, und nicht den schwarzen Peter an die EU oder andere internationale Organisationen weiterschiebt.
Mit der Organisation des ersten NGO-Forums Ende Mai in Lübeck hat der Ostseerat Neuland betreten. Er hat einen Prozess der Kooperation zwischen ostseepolitisch engagierten Regierungen und Nichtregierungs
organisationen in Gang gebracht. Dadurch wird die Weiterentwicklung der Ostseekooperation spürbar profitieren, weil hier eine Entwicklung von unten nach oben und nicht von oben nach unten stattfindet.
Es hat sich schon nach dieser kurzen Auflistung gezeigt, dass es sich gelohnt hat, dass die Landesregierung den deutschen Ostseeratsvorsitz in den vergangenen zwölf Monaten inhaltlich, mit personeller Verstärkung und mit der gemeinsamen Organisation von Veranstaltungen unterstützt hat.
In Ihrem Antrag haben Sie nach den Auswirkungen der deutschen Ostseeratspräsidentschaft auf SchleswigHolstein gefragt und gleich eine Reihe von Spezifizierungen angefügt. Ich kann mir schon vorstellen, wie eine solche Diskussion darüber aussehen könnte. Ich mahne aber zu Zurückhaltung. Wer den Ostseerat und seine Gesamtverantwortung für die Region mit der Werkbank für die Interessen Schleswig-Holsteins allein gleichsetzt und verwechselt, kann sich leicht blamieren.
Nur wer es schafft, zum gemeinsamen Vorteil aller zusammenzuarbeiten, wird in der Summe auch den eigenen Nutzen mehren können. Wir laden deshalb ausdrücklich andere mit ein, sich in dieser Wachstumsregion zu engagieren. Davon haben wir alle Gutes. Wir in Schleswig-Holstein wissen: Die Zukunft unseres Landes hängt auch von der Stärkung des Nordostens in Europa ab. Jede Mühe, die in die Weiterentwicklung der gesamten Region investiert wird, nützt über kurz oder lang den Interessen SchleswigHolsteins. Deswegen bleibt die Ostseekooperation ein wesentlicher Pfeiler für die Zukunftssicherung unseres Landes. Ich bin sicher, wir werden gemeinsam noch recht viele gute Programme auf den unterschiedlichsten Gebieten erarbeiten und versuchen durchzusetzen.
Ich eröffne die Aussprache. Für den Antragsteller, die Fraktion der CDU, hat Herr Abgeordneter Manfred Ritzek das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Peter Lehnert hat mich gebeten, seine Rede, die er hier halten wollte, vorzutragen. Herr Lehnert musste wegen eines schweren Krankheitsfalls dringend
- Wegen der Kürze der Zeit! Das liegt daran, dass man auch in der Europapolitik und auch innerhalb der eigenen Fraktion durchaus etwas unterschiedliche Schwerpunkte und Ansichten haben kann.
Wir Schleswig-Holsteiner haben ein vitales Interesse daran, die Ostseezusammenarbeit weiter zu aktivieren. Dabei hatte Deutschland in den letzten zwölf Monaten die besondere Chance, durch die Ostseeratspräsidentschaft eigene Akzente zu setzen. Schleswig-Holstein mit seiner wichtigen strategischen Lage sowie den guten Kontakten zu dem Ostseeraum - hätte eine wichtige Schlüsselrolle spielen können und hatte hierbei einst ja auch Unterstützung angeboten. Doch was ist daraus geworden? Welche konkreten Initiativen gingen von der deutschen Ratspräsidentschaft aus? Inwieweit gingen Initiativen von Schleswig-Holstein aus? Hat Bundesaußenminister Fischer das erforderliche Engagement gezeigt und welche Auswirkungen hatte sein Wirken?
Trotz großer Ankündigungen und einer dadurch geschaffenen hohen Erwartungshaltung sind die Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft eher dürftig. Fischers Interesse erschien sehr gering und war nach außen hin nicht erkennbar. Gerade wir SchleswigHolsteiner hatten so viel erwartet und sind deshalb besonders enttäuscht! Natürlich kann man mit einer Ratspräsidentschaft keine Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen oder die Verkehrsinfrastruktur ausbauen. Man kann aber Rahmenbedingungen schaffen, die die Grundlage für diese wichtigen politischen Entscheidungen bilden.
Man kann konkrete Schritte der Sicherheitszusammenarbeit nicht nur vereinbaren, sondern auch umsetzen. Man kann die Sicherheit des Schiffsverkehrs auf der Ostsee verbessern und man kann vor allen Dingen den Jugendaustausch fördern. So wäre zum Beispiel die Einrichtung einer Jugendstiftung im Ostseeraum ein wichtiges politisches Signal - gerade an die jungen Menschen in dieser Region - gewesen. Doch dazu fehlte scheinbar der politische Wille oder auch nur die Kraft, sich mit diesen wichtigen Themen auseinander zu setzen. Diese einmalige Chance ist nun leider vertan.
Wir wollen und sollten aber aus Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Wenn von der heutigen
Debatte ein Signal ausgeht, dass Schleswig-Holstein künftig wieder eine aktivere Rolle übernehmen will, dann hätte sich unser Antrag schon gelohnt. Wir haben in den vergangenen Monaten des Öfteren Signale vernommen, allerdings immer wieder die ausreichenden Taten vermisst. Seit Björn Engholm und Gerd Walter die Brücke der Ostseezusammenarbeit verlassen haben, scheint das Schiff bei der SPD und in der Staatskanzlei nicht mehr mit voller Kraft für die Ostseezusammenarbeit weiterzukommen. Dies wird im Augenblick Gott sei Dank wenigstens teilweise durch die Aktivitäten unseres Landtagspräsidenten HeinzWerner Arens ausgeglichen, der uns mit seiner durchaus lobenswerten Arbeit in der Ostseekooperation vertritt.
Doch gerade wir als Landtag müssen darauf achten, dass auch die Regierung ständig und wirkungsvoll ihren Teil dazu beiträgt, Schleswig-Holstein fit zu machen für die europäische Zukunft. Erlauben Sie mir deshalb, an dieser Stelle einige wichtige Forderungen an die Regierung zu formulieren!
Erstens. Schleswig-Holstein braucht eine Strategie zur Vorbereitung des bevorstehenden Beitritts Polens, Estlands, Lettlands und Litauens zur Europäischen Union.
Zweitens. Schleswig-Holstein braucht eine Strategie zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Ostseeraum.
Drittens. Schleswig-Holstein muss eine stärkere Vorreiterrolle bei der Förderung des Jugendaustausches übernehmen und die Europäische Union in dieses Konzept aktiv einbinden.
Was unsere Forderungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zu Verkehr und Sicherheit betrifft, müssen unverzüglich Maßnahmen zur praktischen Umsetzung eingeleitet werden. Wenn wir uns alle gemeinsam vornehmen, in den nächsten Monaten aktiv an der Umsetzung dieser Punkte zu arbeiten, können wir es schaffen. Frau Simonis, packen Sie es an! Mit Volldampf voraus!
Ostseerat? Welche Aufgabe hat er? Herr Kollege Ritzek, schade, dass Sie nur zitiert haben. Ich hätte hierzu gern auch noch einmal Ihre Meinung gehört.
Antwort: Der Ostseerat ist ein Gremium, das in einzigartiger Weise EU-Mitgliedstaaten, Beitrittsstaaten und Nichtmitgliedstaaten zu seinen Mitgliedern zählt und in seiner Arbeit vereint. Er ist ein Bindeglied für alle Ostseeanrainerstaaten, ein Bindeglied zur EU.
Der Prozess der Entwicklung einer Region mit 80 Millionen Einwohnern muss moderiert werden. Alle Ostseenachbarn müssen sich und ihre Interessen vertreten wissen. Dies ist eine der vornehmsten Aufgaben der Ostseeratspräsidentschaft. Kurz gesagt: Das Ziel einer erfolgreichen Ratspräsidentschaft ist das Voranbringen der gesamten Region.