Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

Landtagsbeschluss vom 24. Januar 2001 Drucksache 15/680 (neu) - 2. Fassung

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1093

Ich erteile der Frau Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Moser, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht wird gemäß Beschluss des Landtags vom 24. Januar 2001 vorgelegt. Der zugrunde liegende Antrag ist - laut Begründung - stark auf die Verbraucherzentrale ausgerichtet, stellt aber begrifflich -

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit, auch ganz hinten rechts!

Lassen Sie mich nicht so schreien, indem sie etwas leiser sind!

Der zugrunde liegende Antrag ist ausweislich der Begründung stark auf die Verbraucherzentrale ausgerichtet, stellt aber begrifflich auf Verbraucherschutz im weiteren Sinne ab. Die BSE-Krise hat der bereits seit Jahren - auch in Schleswig-Holstein - geführten Diskussion um die Reorganisation der Verbraucherarbeit einen neuen Schub gegeben, aber auch einen ande

(Ministerin Heide Moser)

ren Akzent. Das heißt, an diesen Bericht knüpfen sich doppelte Erwartungen: Zum einen soll die längst überfällige Lösung einer Neukonzeption für die Verbraucherzentrale vorgestellt werden, zum anderen geht es offenbar auch um die Neukonzeptionierung des Verbraucherschutzes insgesamt. Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass nach wenigen Wochen Zuständigkeit bei beiden Erwartungen nur ein Teil erfüllt werden kann. Es kann nur im Sinne von Bodenbereitung und ersten neuen Bausteinen ein Bericht abgegeben werden.

Zur Bodenbereitung gehörte die Feststellung: Der Verbraucherschutz wird im Bund wie im Land Querschnittsaufgabe bleiben müssen. Eine Konzentration aller politischen Handlungsfelder aus diesem Bereich in einem Ressort, wie es offenbar Frau von Wedel in ihrem Bericht vorschwebt, macht keinen Sinn und ist auch nicht möglich.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen keine Zuständigkeitsdebatte führen, sondern wir wollen handeln. Wir wollen auch kein Wettrennen um den Verbraucherschutz, wie es neulich das „Handelsblatt“ sagte. Wir wollen schon gar kein Wettrennen zwischen Rot und Grün. Wir setzen die politischen Schwerpunkte in diesem Bereich und verzahnen und koordinieren sie über unvermeidbare Schnittstellen hinweg. Darin besteht die Kunst. Klare Kommunikationsstrukturen sind die Voraussetzungen. Die Landesregierung hat mit der Einführung des Weges durch die Qualitätstore diesen Weg deutlich gemacht und beschreitet ihn. Als erste Bausteine für ein umfassendes Verbraucherschutzkonzept stellt der Bericht zunächst Vorstellungen zur Neukonzeption der Verbrauchzentrale und - als Konsequenz aus der Verunsicherung im Bereich Ernährung und Lebensmittel das Netzwerk Ernährungsberatung vor.

Zur Verbraucherzentrale! Als zentrale Verbraucherorganisation im Lande muss auch die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ihre Arbeit neu definieren, ihre Strukturen und Instrumente überdenken und neue Wege beschreiten, um vorsorgenden Verbraucherschutz auch näher an die Verbraucherinnen und Verbraucher zu bringen. Mit Schreiben vom 11. Juni hat mir der Vorstand der Verbraucherzentrale ein Konzept zur Fortentwicklung der Arbeit vorgelegt, das nach einer ersten Bewertung als Einstieg in eine Neuorganisation geeignet ist - ich formuliere bewusst „als Einstieg in eine Neukonzeption geeignet“. Dem Konzept ist deutlich anzumerken, dass um es gerungen wurde, dass es nicht der erste Anlauf war. Es ist auch immer noch so, dass wir in einigen Fragen weiter streiten und ringen müssen. Da geht es insbesondere um die finanziellen Forderungen. Die im Konzept

genannten Forderungen liegen über dem verfügbaren Rahmen. Die Landesregierung schlägt vor, das Konzept in modifizierter Form zur Grundlage für eine zweijährige Evaluations- und Konsolidierungsphase zu machen.

Bisher fehlt es uns an Daten für eine wirklich feste Neukonzeptionierung. Deshalb ist zentraler Bestandteil der Evaluationsphase die Erhebung von Evaluationsdaten, die es uns dann ermöglichen, nach den zwei Jahren eine klare und zukunftweisende Zielvereinbarung über die Arbeit der Verbraucherberatung im Lande abzuschließen.

Ich habe die Verbraucherzentrale am 4. Juli gebeten, ihre Vorstellungen im Hinblick auf einen Zuschussbetrag des Landes von nicht mehr als 1,65 Millionen DM anzupassen. Das ist die Ebene, auf der bisher - vor der Kürzung des letzten Jahres - gearbeitet wurde. Diese Ebene für die Zeit von zwei Jahren Konsolidierung wieder einzuführen, macht Sinn.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass vor diesem Hintergrund das Konzept derartig überarbeitet werden muss, wie es die Verbraucherzentrale jetzt offenbar vorhat, Standorte zu beschneiden. Damit kann ich mich nicht einverstanden erklären. Es gibt noch Effizienzreserven an fünf Standorten, um das Limit von 1,65 Millionen DM einzuhalten.

(Glocke des Präsidenten)

Für die neue Schwerpunktsetzung im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes -

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Herr Präsident, Entschuldigung, ich habe noch ein paar Sekunden und ich habe das Netzwerk Ernährung noch vorzustellen.

Im Moment verwechseln Sie etwas die Farben.

Für eine neue Schwerpunktsetzung im Sinne des gesundheitlichen Verbraucherschutzes brauchen wir als Einstieg die Ernährungsberatung und hier insbesondere mehr Koordinierung, mehr konzeptionelle Verklammerung und Nutzung von Synergieeffekten der

(Ministerin Heide Moser)

Akteure im Lande. Das soll das Netzwerk Ernährungsberatung übernehmen.

Um den Präsidenten jetzt nicht allzu sehr zu verärgern, verweise ich Sie auf den Text des Berichts und füge hinzu: Das Netzwerk Ernährung ist ein Beitrag zum vorsorgenden Verbraucherschutz. Bewusstes Ernährungsverhalten, bewusstes Konsumverhalten, bewusstes Verbraucherverhalten brauchen als Basis für ihre Wirksamkeit eben auch Wissen und Verhaltensänderung in punkto Ernährung. Ich füge hinzu: Die Agrarwende, die wir eben diskutiert haben, allein schafft nicht automatisch bewusstes Verbraucherverhalten

(Beifall bei der FDP)

und das entsprechende Interesse an Produktsicherheit und Produktionstransparenz. Es muss beides zusammenkommen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst der Frau Abgeordneten Sassen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der seit einer Woche vorliegende Bericht der Landesregierung zum Thema Verbraucherschutz in SchleswigHolstein zeigt deutlich, dass die Landesregierung unter dem Druck der BSE-Krise den Spagat schaffen will, all die guten Geister, denen man wegen der schlechten Haushaltslage die Zuweisungen kürzte und die man damit verschreckt hatte, nun wieder als Verbündete ins Boot zu holen. Die Landesregierung kann auf die besseren Konzepte der basisbezogenen Verbraucherzentrale, der Landwirtschaftskammer, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und anderer Beratungsstellen nicht verzichten.

(Beifall bei der CDU)

Wir begrüßen daher, dass alle bereits im Verbraucherschutz tätigen Kräfte gebündelt und mit einbezogen werden, so zum Beispiel auch das Projekt Fachfrauen für Ernährung, da die Weiterbildung von Landfrauen für die Ernährungsberatung wegen der Praxisnähe besonders überzeugend ist.

Die im November 2000 von der Landesregierung formulierten sechs Leitsätze, die die Basis für die weitere Konzeptentwicklung bilden sollen, beziehen sich hauptsächlich auf eine Neustrukturierung im Sinne von Effizienzsteigerung und Kostenersparnis, kurz gesagt: mehr Leistung für weniger Geld. Angesichts eines Haushaltskraters eine typische Reaktion; der Druck wird weitergegeben.

Die sechs Leitsätze, erstens die Aufgabe überprüfen und Mehrfachangebote abbauen, zweitens die flächendeckende Beratung neu definieren, drittens neue Medien nutzen, viertens die Einnahmen verbessern, fünftens die Effizienz der Angebote überprüfen und sechstens die aufsuchende Beratung organisieren, sind nach meiner Auffassung nicht umfassend genug und müssten ergänzt beziehungsweise überarbeitet werden. Es fehlen Anforderungskriterien zur Verbraucherbildung und Prävention, zur Kontrolle und Forschung, wie auch im gemeinsamen Antrag gefordert.

Die Landesregierung hat mit diesen rein auf die Struktur und Effizienz bezogenen Leitsätzen und den Maßnahmen im Zuge der Kürzungen und der Sperre von 500.000 DM nicht dazu beigetragen, Verbraucherschutz für Verbraucher wirkungsvoller zu machen. Ausgerechnet während der BSE-Krise gab es auch noch die Diskussion um die Schließung von Verbraucherzentralen und anderen Beratungsstellen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Heute Morgen haben Sie das Sparen gefordert!)

Und nun rühmt sich die Landesregierung in ihrem Bericht, mit der Sperre von 500.000 DM der Forderung nach Vorlage eines lange ausstehenden Konzepts unter Berücksichtigung eines effektiven Ressourceneinsatzes Nachdruck verliehen zu haben. So kann man auch Arbeit einfordern, die man eigentlich selbst machen müsste.

(Beifall bei der CDU)

Mit Schreiben vom 11. Juni 2001 hat der Vorstand der Verbraucherzentrale ein gemeinsam von Vorstand und Betriebsrat getragenes Konzept vorgelegt, ein bemerkenswertes Konzept, ein Konzept, das beweist, wie gut es ist, in Krisenzeiten auf die Erfahrung und Flexibilität einer Verbraucherzentrale und anderer mit der Verbraucherberatung befassten Institutionen und Personen zurückgreifen zu können.

Es zeigt auch, dass das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und - neuerdings - Verbraucherschutz den Zusatz „Verbraucherschutz“ noch nicht verdient hat. Noch schmückt man das Ministerium mit einem Begriff, der in anderen Gremien mit Leben erfüllt wird. Klare Zielvorgaben über Art und Umfang des Verbraucherschutzes macht die Landesregierung nicht. Sie überlässt diese Arbeit den im Bericht zitierten Institutionen nach dem Motto: Wie viel Verbraucherschutz gibt es für die verfügbaren Fördermittel? Dies ist von einer verlässlichen Basisfinanzierung unter Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Anlehnung an die EU - § 153 Amsterdamer Vertrag - noch weit entfernt.

(Ursula Sassen)

Das Konzept der Verbraucherzentrale hat mehr zu bieten, als den dürftigen Leitsätzen der Landesregierung zu entsprechen. Es ist praxis- und zielgruppenorientiert. Es berücksichtigt ebenso wie die Ausführungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung den Bereich der Prävention im Sinne von gesundheitspolitischer Erziehung und Bildung und die fängt im Kindesalter an. Daher ist die Bewertung des Konzepts entsprechend der Leitsätze fragwürdig und nicht antragskonform.

Ich vermisse auf Seite 13 des Berichts zum Punkt Finanzierung, wie das Konzept der Verbraucherzentrale an eine maximale Förderung in Höhe von 1.650.000 DM anzupassen ist beziehungsweise worauf konkret verzichtet werden kann, wenn der Mindestbedarf der Verbraucherzentrale schon um 135.000 DM höher liegt.

(Beifall bei der CDU)

Ferner frage ich, welche Daten aus Sicht der Landesregierung fehlen, um über ein endgültiges Konzept inhaltlich und finanziell entscheiden zu können.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Stärkung der Verbraucherzentrale ist wegen der Losung „weg vom Reparaturbetrieb hin zum vorbeugenden Verbraucherschutz“ eine Investition in die Zukunft. Dies führt langfristig zu Einsparungen und sichert Arbeitsplätze.

Ein letzter Satz, Herr Präsident! - Fazit: Es liegt ein Bericht vor, ein Zwischenbericht einer Landesregierung, die sich des Themas Verbraucherschutz angenommen hat, wenig eigene Ideen einbringt, zum Glück über hervorragende Partner verfügt, aber selbst noch nicht genau weiß, wohin die Reise mit dem Sparticket gehen soll.