Protokoll der Sitzung vom 13.07.2001

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Es ist mehr!)

Für Hektik besteht kein Anlass. Die Lage ist übrigens besser als die Stimmung. Das zeigen verschiedene Befragungen der Wirtschaft. Der Frühindikator der „Wirtschaftswoche“ deutet darauf hin, dass spätestens im vierten Quartal dieses Jahres die Konjunktur wieder anzieht.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir wieder in einen richtigen Wachstumstrend kommen. Dafür brauchen wir strukturelle Maßnahmen, dafür brauchen wir vor allem den Ausbau des Wirtschaftsstandorts Schleswig-Holstein, das heißt die Fortsetzung unseres Kurses, Verkehrswege auszubauen,

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Qualifizierungsmaßnahmen und neue Technologien zu fördern. Darauf sollten wir uns gemeinsam konzentrieren.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen und schließe die Beratung. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Bereitschaftsdienst der Ärztinnen/Ärzte in Krankenhäusern

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1071

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überbelastung von Klinikärzten macht seit geraumer Zeit bundesweit Schlagzeilen. Es ist überfällig und an der Zeit, dass dieses Thema auch auf die politische Tagesordnung kommt.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Nicht nur die Vorgänge am Städtischen Krankenhaus in Kiel haben dies überdeutlich gemacht. Wir können dieses Thema nicht mehr ignorieren.

Dauerstress von Klinikärzten, 32 Stunden durchgehende Belastung, Höchstbelastungen: Diese Fragen sind sowohl für die Patienten, die behandelt werden müssen, wichtig als auch für die Ärzte selbst, die diese Hochleistungen ständig erbringen müssen und selbst hohen gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt sind.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen wundert es mich sehr, dass zu einem solchen Thema, bei dem aus Schleswig-Holstein so negative Schlagzeilen kommen, von der Frau Sozialministerin nichts, aber auch gar nichts zu hören ist.

(Beifall bei der CDU - Lars Harms [SSW]: Von der CDU ist doch keiner da, der zuhört!)

Frau Moser, Wegschauen ist keine Politik.

(Beifall bei der CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Solche Anträge sind das aber auch nicht!)

- Herr Kollege Dr. Garg, das möchte ich mir für einen möglichen Dreiminutenbeitrag vorbehalten; warten Sie mal!

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger - wie ich dargelegt habe - und die Ärzte - der Marburger Bund, der Ärztetag, die Ärztekammer haben übereinstimmend Alarm geschlagen - zumal die Belastungen immer größer werden.

Ich möchte drei kurze Hinweise für die Klinikärzte geben: Es ist der zunehmende medizinische Fortschritt, der die Belastungen höher macht, es ist der Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit und es sind auch die zunehmenden Dokumentationspflichten - ich nenne das Stichwort DRG-Systeme -, die zusätzliche Arbeitsbelastungen verursachen.

Zeit zum Handeln! Wir als CDU-Landtagsfraktion haben einige Vorschläge unterbreitet, die allesamt das Ziel haben, die Überbelastungen zu reduzieren. 24 Stunden durchgehende Dienstbereitschaft sollte und muss die höchste zulässige Grenze sein. Heute sind 32 Stunden durchgehende Arbeitsbelastung häufig noch der Regelfall. Ich möchte Ihnen einmal kurz in Erinnerung rufen - wahrscheinlich haben Sie alle heute Nacht gut geschlafen, zu Hause oder im Hotelbett -, dass Ärzte, die dies leisten müssen, gestern vor uns angefangen haben und bis heute Mittag durchgehend unter Hochbelastung arbeiten - um Ihnen einmal die Dramatik der Situation vor Augen zu halten.

(Beifall bei der CDU)

Die Reduzierung der maximalen Bereitschaftsdienste auf fünf - dabei dürfen nach unserem Vorschlag Freizeitausgleich und Urlaubszeiten nicht angerechnet werden - wäre durchaus eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem jetzigen Stand.

Dass dies alles nicht ohne mehr Stellen geht, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren beziehungsweise dies muss im Zuge der Gesundheitsreform diskutiert werden.

Diese Dienstbelastungen werden erbracht von den Ärzten in der Weiterbildung, den Assistenzärzten, aber auch von den Ärzten im Praktikum, die die Allerersten sind, die als Ärzte tätig werden müssen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass ein Arzt, der die Approbation hat, ein Arzt im Praktikum, mit sechs Diensten auf monatlich netto 2.200 DM kommt, muss ich einfach feststellen: Das ist zu wenig; so kann man jemanden, der durchgehend arbeitet und sechs Dienste

(Werner Kalinka)

macht, nicht entlohnen. Dieses Thema dürfen wir nicht ignorieren.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern eine zügige Umsetzung unserer Vorschläge.

Ich will gern eines hinzufügen: Die Grunddiskussion, ob Bereitschaftsdienste Arbeitszeit sind oder nicht, ist eine Frage, die vor Gerichten anhängig ist. Ich persönlich bin gegen einen Schichtdienst in den Krankenhäusern, weil es nicht gut ist, wenn die Patienten nicht durchgehend von Ärzten behandelt werden können. Ich halte es auch für nicht gut, wenn Ärzte praktisch nur noch acht Stunden ihren Dienst machen können, aber eine kontinuierliche Patientenbetreuung in den Krankenhäusern nicht möglich ist. Es ist für die Weiterbildung problematisch, wenn wir zu einer solchen Regelung kommen würden. Ein Schichtdienst in den Krankenhäusern - wenn Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit eingeordnet wird - kostet zudem viel Geld. Deswegen sind Kompromisse notwendig, Kompromisse, die eine Finanzierbarkeit und eine Machbarkeit der Regelung ermöglichen.

Wir haben Vorschläge gemacht. Wir bitten die Landesregierung, uns dazu im ersten Quartal 2002 einen Bericht vorzulegen und dabei auch die Themenbereiche der Pflegekräfte mit einzubeziehen. Wir wünschen uns nicht, dass wir in Krankenhäusern möglicherweise bald in der gleichen Diskussion sind wie in den Altenund Pflegeheimen. Wir würden uns freuen, wenn wir im Sozial- und Gesundheitsausschuss sachlich darüber diskutieren können. Ich freue mich auf eine Diskussion zu einem Thema, dessen Diskussion längst überfällig ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jahner.

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Rede von Herrn Kalinka habe ich immer zu meinem Kollegen Heiner Garg herübergeguckt: Ich habe ihn dort selten so lange mit offenem Mund sitzen sehen. Ich sehe es fast genauso. Immer wenn es einen Antrag oder eine Landtagsinitiative meines Kollegen Kalinka gibt und ich aufgefordert bin, dazu Stellung zu nehmen, dann weiß ich, dass es eine Geschichte ist, geprägt von Populismus und Nähen mit der heißen Nadel. Wenn Sie hier so vom Rednerpult weggehen, hat man wirklich in ganz Schleswig-Holstein das Gefühl, Sie sind der Retter des Abendlandes. Das ist

schon eigenartig und das passt meistens immer; auch heute wieder.

(Beifall des Abgeordneten Wilhelm-Karl Malerius [SPD])

Herr Kalinka bringt einen Antrag ein, ohne sich Gedanken über die Umsetzungsmöglichkeiten und das nötige Handling zu machen.

(Beifall bei SPD, FDP und SSW)

Herr Kalinka weckt Hoffnungen, schürt Ängste und verunsichert die Beteiligten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Fachlich und inhaltlich - jetzt haben Sie gleich die Möglichkeit; der Dreiminutenbeitrag wird kommen ist uns klar, dass sich die Belastung von Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern von Krankenhaus zu Krankenhaus und innerhalb der Krankenhäuser von Abteilung zu Abteilung sehr unterschiedlich darstellt. Regelhaft bestehen keine Probleme, wenn dem normalen Tagesdienst ein Bereitschaftsdienst folgt, der auch angemessene Ruhezeiten beinhaltet.

Herr Kalinka, sehr viele Ärzte, die ich kenne, halten diese Belastbarkeit für akzeptabel und wünschen eine unveränderte Fortsetzung solcher Regelungen,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

auch unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung von Vergütungen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Herr Kalinka, das sagen selbst Vertreter des Marburger Bundes sehr deutlich.

Sie sagen: Die Lösung des Problems kann nur durch Schaffung weiterer Stellen durch den ärztlichen Dienst erfolgen, und zwar immer dann, wenn eine übermäßige Belastung im Bereitschaftsdienst beziehungsweise durch den folgenden Einsatz im Tagdienst erfolgt. Herr Kalinka, das ist durch die Krankenhäuser nicht kostenneutral zu leisten. Ihre Idee, die Finanzierung über Umschichtung innerhalb der Gesundheitsausgaben zu leisten, ist nicht möglich. Ich nenne das Stichwort gedeckeltes Budget. Herr Kalinka, da ist wieder Ihr Schnellschuss und die eindeutige Schwäche Ihre Antrags. Sagen Sie uns doch bitte, wo und wie Sie umschichten wollen. Wollen Sie im Arzneimittelbereich, im Personalbereich der Pflegekräfte oder in anderen sektorenübergreifenden Bereichen umschichten? Wer eine solche Forderung stellt, macht deutlich, dass er offensichtlich das System nicht kennt, denn wer höhere Kosten für den ärztlichen Dienst im Krankenhaus will und akzeptiert, sollte dies nicht ohne konkrete Finanzierungsvorschläge machen.