Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

Zur Erreichung dieser Ziele, Herr Minister Rohwer, reicht es nicht, unverbindliche Absichtserklärungen abzugeben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gefordert ist die Durchsetzung und aktive Kontrolle der Intentionen und der gesetzlichen Regelungen der VOB. Das ist der Auftrag des Parlaments an Sie, Herr Minister Rohwer, und der Wirtschaftssausschuss wird die Umsetzung dieses Auftrages durch die Landesregierung kritisch begleiten.

Mit dieser Vorgeschichte und auch vor dem Hintergrund der Demonstration der Bauwirtschaft vor dem Landeshaus ist es schon ein starkes Stück, das für mich die Schmerzgrenze zur Peinlichkeit überschreitet, wenn die Landesregierung in ihrem Bericht kundtut: „Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Verwaltungen in den Kommunen beziehungsweise in den Ministerien die Regelungen der VOB unterlaufen beziehungsweise unterlaufen haben.“

Was man nicht feststellen will, kann man auch nicht feststellen.

(Beifall bei CDU und FDP - Hermann Benker [SPD]: Unsinn!)

Wenn alles bestens ist, Herr Minister, wozu dann das Fünf-Punkte-Programm, wozu dann die Initiative des Parlaments und wozu eine weitere Informationsbroschüre? Das ist die Frage, die beantwortet werden muss.

(Beifall bei CDU und FDP und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt die Landesregierung bezüglich der Tariftreue ausdrücklich in der Erkenntnis, ein Bundesvergabegesetz abzuzwarten und dass ein Landesvergabegesetz nicht notwendig und auch nicht geplant ist. Nur, Herr Minister, hier bekommen Sie ein Problem mit Ihrer eigenen Fraktion. Mit der Geschmeidigkeit des Medienmenschen die Wunschlage der Bauverbände ortend, hat der Herr Kollege Müller auf der Nordbau zum Tag der Bauwirtschaft fröhlich verkündet, dass nunmehr auch die SPD vehement für ein Landesvergabegesetz eintrete, und so stehen Sie, Herr Minister, mit Ihrer Position leider im Regen.

Die CDU-Fraktion sieht den diesbezüglichen Beratungen mit Interesse entgegen und Herr Kollege Müller, auf Ihre tief schürfenden Kenntnisse in der Sache freue ich mich besonders.

Einig sind wir uns darin, dass das Hauptübel für das Handwerk in der ausufernden Schwarzarbeit besteht. Die Ursache hierfür sind die viel zu hohen Lohnzu

satzkosten. Einig sind wir uns auch, dass mittels Kontrolle, Aufdeckung und Ahndung nur die Spitze des „schwarzen Bergs“ zu erreichen ist.

Vordringlich muss daher die Senkung der Lohnzusatzkosten sein. Gibt es dazu eine Initiative der Landesregierung? Fehlanzeige! Anstatt neue Riesenbeträge in das so genannte „Job-Aqtiv“-Gesetz zu pumpen, ist es zielführender, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu senken und wenn ich das richtig weiß, ist das eines der Ziele der Grünen, von denen im Augenblick nicht viele anwesend sind.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind doch ein paar hier! Ich frage Sie, in welchen ersten Arbeitsmarkt sollen denn die vielen Arbeitslosen vermittelt werden, wenn gerade hier die Arbeitsplätze massiv wegbrechen? Die Frage, wie das gehen soll, müssen Sie uns beantworten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Senkung der Arbeitslosenversicherung um 1 % reicht aber bei weitem nicht. Also müssen weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden, aus denen sich Potenziale der Schattenwirtschaft insbesondere für das Bau- und Ausbaugewerbe gewinnen lassen. Alle reden von der Schwarzarbeit, aber keiner tut etwas. Der steuerliche Abzug von Handwerkerrechnungen, auch für Private, kann hier eine Menge bewirken und würde sich durch eine höhere Wertschöpfung selbst finanzieren.

(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW] - Unruhe)

- Ich bedanke mich ausdrücklich für den Beifall von der linken Seite des hohen Hauses. Wir werden einen solchen Antrag hier einbringen und dann können wir ihn alle gemeinsam Richtung Bundesregierung schikken.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung beschränkt sich mit ihrem Bericht auf die Beschreibung des Elends und verweist das Handwerk im Übrigen auf Flexibilität und Mut zu kreativen und innovativen Lösungen. Herr Minister Rohwer, mit Verlaub, in Teilen ist das zynisch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Benker.

(Holger Astrup [SPD]: Nun sag mal, wie es wirklich ist!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns in größeren Zeitabständen nicht nur mit der Wirtschaftspolitik generell, sondern auch konkret mit der Situation des Handwerks beschäftigen. Auch wenn die Rahmenbedingungen größtenteils auf Bundesebene bestimmt werden, ist die Landesregierung dem Wirtschaftsbereich Handwerk bei der zukünftigen Weiterentwicklung ein verlässlicher Partner.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Die steuerfreie Rücklage für Reinvestitionen ist zum Beispiel ein solcher Erfolg der Landesregierung, den sie auf Bundesebene durchgesetzt hat.

(Holger Astrup [SPD]: Ja, so ist das!)

Der Bericht von 1999 und der heutige gehören zusammen. Der Satz „Für Schleswig-Holstein hat das Handwerk einen besonderen Stellenwert; es ist ein zentraler Bereich schleswig-holsteinischer Wirtschafts- und Mittelstandspolitik“ wird von allen Parteien dieses hohen Hauses getragen.

(Zuruf von der CDU)

Aber auch folgenden Vergleich muss man sehen: Während im Bundesdurchschnitt 11,5 % der Erwerbstätigen im Handwerk zu finden sind, sind es in SchleswigHolstein 20 %. Auch ein Drittel aller Ausbildungsplätze ist in Schleswig-Holstein im Handwerk zu finden, wie bereits gesagt worden ist. Dafür gilt es dem Handwerk auch ausdrücklich Dank zu sagen.

Wenn ein weiterer Satz Gültigkeit haben soll, nämlich „Das Handwerk ist und bleibt eine stabilisierende Kraft für die Wirtschaft, den Arbeits- und Ausbildungsmarkt und für die gesamte Gesellschaft“, dann müssen wir diesen Herausforderungen Rechnung tragen.

(Zurufe von der CDU)

Dazu gehört erstens Folgendes: Das Handwerk ist eine nachfrageorientierte Dienstleistung. Es ist im Wesentlichen regional tätig und hat einen überschaubaren Einzugsbereich. Dies ist lebensentscheidend auch für eine gesunde Struktur im ländlichen Raum. Aber wir beobachten, dass die Güterproduktion und die Produktion von Dienstleistungen nationale Grenzen zu überschreiten und Entfernungen an Bedeutung zu verlieren beginnen. Bei Aufträgen an Generalunternehmen werden häufig Klein- und Kleinstbetriebe zu Unterauftragsnehmern, die nicht aus Schleswig-Holstein sind, Firmen, die oft während oder nach dem Auftrag gar nicht mehr existieren. Ich weise hier besonders auf die

Verantwortung derjenigen hin, die für die Auftragsvergabe zuständig sind. Das ist nicht allein das Land.

Zweitens. Im Handwerk sind nach wie vor Familienbetriebe oder Personengesellschaften zu finden. Daher werden die neuen innerbetrieblichen Organisationsformen der Großunternehmen auf das Handwerk noch stärker ausstrahlen als bisher.

Das gilt sowohl für das Outsourcen bestimmter Bereiche als auch für die Übernahme von Serviceleistungen durch die Großbetriebe. „Just in time“ wird in Zukunft auch für Reparaturen gefordert werden. Das kann nur handwerksintern gelöst werden.

Drittens. Das Handwerk hatte bisher eine kontinuierliche Entwicklung sowohl in der Produktion als auch häufig in den verwendeten Materialien und Werkzeugen. Aber der beschleunigte technische Fortschritt sowie die Notwendigkeit, auch für Umweltfragen Lösungen anzubieten - ich nenne hier nur die Einsparung von Strom und Wärme -, erfordern eine noch schnellere Anpassung. Hier werden in der Regel die Grenzen für die Handwerksbetriebe, insbesondere in der Liquidität, deutlich. Günstige Finanzierungshilfen, Zuschüsse zu Qualifizierungen, Investitionsbank, Bürgschaftsbank und Sparkassen sind hier die wichtigsten Partner für die Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein. Diese haben wir mit geschaffen und tragen sie weiterhin.

(Beifall bei SPD und SSW)

Viertens. Nicht nur im Bereich der öffentlichen Auftraggeber beobachten wir die Neigung, nur noch Generalunternehmer zu verwenden; auch private Kunden fordern zunehmend Komplettlösungen. Allein dieser letzte Bereich erfordert neue unternehmerische Vorgehensweisen wie die Bildung von Arbeitsgemeinschaften, das Anbieten von Leistungen aus einer Hand oder durch Kooperation durch einen angebotenen Verbund.

„Fit für die Zukunft“, unter diesem Motto haben wir eine Reihe von Hilfen für das Handwerk anzubieten. Ich erinnere nur an die Fortsetzung der Maßnahme Meister-BAföG, bezuschusste überbetriebliche Ausbildung für Qualifizierung und die Nutzung neuer Technologien. Denn dies ist wichtig für den Zukunftsbestand.

Wir teilen hier nach wie vor die Auffassung der Landesregierung, an dem großen Befähigungsnachweis, das heißt an der Meisterprüfung, festzuhalten. Nach wie vor sind die Meisterprüfungen das größte Existenzgründungsprogramm, das wir haben. Denn immerhin lassen sich jährlich 60 % aller Absolventen als Selbstständige nieder.

(Hermann Benker)

Mit 20.000 Ausbildungsplätzen ist das Handwerk der ausbildungsintensivste Bereich der schleswigholsteinischen Wirtschaft. Erfreulich ist, dass inzwischen 30 % der Auszubildenden den Realschulabschluss haben. Aber warum soll es nicht durch eine Imageverbesserung des Handwerks auch Abiturienten schmackhaft gemacht werden, ein Handwerk zu erlernen?

Es ist aber nicht allein der noch immer ungebrochene Trend zu einem Weißkittelberuf, der Abiturienten von einem Handwerk abhält, sondern es ist auch die Belastung der Familien, die in mittelständischen Unternehmen und insbesondere im Bereich des Handwerks mit der Selbstständigkeit einhergeht.

Nie gibt es eine Familie im Handwerk mit einer 38Stunden-Woche. Immer ist die Ehefrau betroffen häufig auch mithaftend oder im Beruf tätig. Meistens sind es auch die Kinder, die bei Engpässen helfen müssen. Diese familiäre Belastung lässt viele davor zurückschrecken, selbstständig zu werden.

Das gilt auch für die Nachfolgeregelung, für die der Bericht allerdings keine Zahl aufweist. Dort ist nur ein Hinweis auf den Bericht von 1999 zu finden. Bei Weiterführung und Betriebsübernahme wird nach wie vor von Schwierigkeiten berichtet.

Man kann nicht über das Handwerk sprechen, ohne auch über Schwarzarbeit zu reden. Frau Strauß, hier teile ich Ihre Auffassung. Ursachen für die Schwarzarbeit mögen zwar in erster Linie die hohen Lohnnebenkosten sein. Aber das Grundübel für die Schwarzarbeit ist deren gesellschaftliche Akzeptanz. Es gilt eher als clever denn als Betrug, Schwarzarbeit organisiert zu haben oder Schwarzarbeit zu leisten. Der Blick auf den Schwarzarbeiter ist zu einseitig. Denn es gibt immer auch Schwarzarbeitgeber. Dieser gesellschaftlichen Akzeptanz der Schwarzarbeit gilt es entgegenzuwirken.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wir unterstützen daher weiter die gesetzgeberischen Initiativen zur Verfolgung der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Dies ist auch ein Teil der vom Minister angeführten fünf Punkte, die wir mit der Bauwirtschaft vereinbart haben.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Verdingungsordnung strikt einzuhalten ist. Deshalb haben wir die Aufforderung an alle öffentlichen Auftraggeber: Bauleistungen und so weiter sind möglichst in Teil- und Fachlose aufzuteilen. Die Bewilligungsbescheide des Ministeriums werden zukünftig mit einer Informationsschrift für die Vergabevorschriften versehen. Ich halte das für den richtigen Weg.

Das, was Sie angesprochen haben, Frau Strauß, ist ausschließlich die rechtliche Seite. Dort gibt es nur zwei Fälle; ansonsten wird die VOB eingehalten. Aber in der Auslegung muss man den Kommunen und allen Auftraggebern helfen, dass die Lose vor Ort und in der Region bleiben.