Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

Wir wissen, dass alle Verkehrsprognosen große Steigerungsraten aufweisen. Wir wissen, dass die Belastung auf den Straßen zunehmen wird. Deswegen werden wir langfristig nicht darum herumkommen, entsprechende Straßenerweiterungsmaßnahmen durchzuführen. Ich glaube, Herr Minister, da sind wir uns im Ergebnis einig. Ich wünsche Ihnen im Interesse unseres Landes viel Erfolg bei der Durchsetzung der entsprechenden Maßnahmen im Kabinett.

(Beifall bei der CDU)

Es ist festzustellen, dass die Frage, wer die aktuellsten Staumeldungen hat, mittlerweile zum Wettbewerb zwischen den Hörfunksendern geworden ist. Daher stellt sich die Frage, wie wir Abhilfe schaffen können.

Da kann man natürlich sagen: Wir haben kein Geld. Wir können nichts tun. - Ich finde es prima, dass der Verkehrsminister eine Denkblockade dahin gehend durchbrochen hat, dass er gesagt hat: Zumindest im Sommer möchte ich einmal einen Modellversuch machen, um zu verhindern, dass die A 7 zu touristischen Spitzenzeiten der größte bekannte Parkplatz im Lande ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Verkehrsminister hat im Sommer ein Modellprojekt durchgeführt.

(Klaus Schlie [CDU]: Das nennt man Inno- vation!)

- Das nennt man Innovation. Dieser Versuch wird jetzt ausgewertet werden; das ist richtig. Diese Auswertung wird aber sicherlich nicht zu dem Ergebnis führen, die Nutzung der Standspur habe zu einer Verfestigung beziehungsweise nicht zu einer Verbesserung des Verkehrsflusses geführt. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Sie nicken. Wir haben heute also zum Teil bereits ein positives Ergebnis feststellen können.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn wir dies heute schon feststellen können, dann müssen wir überlegen, wie wir solche positiven Erfahrungen ausweiten können. Ich sage Ihnen: Bleiben Sie

(Thomas Stritzl)

nicht stehen bei den Bemühungen zur Abwendung von verkehrschaotischen Verhältnissen auf der A 7 zu Ferienzeiten; denn wir haben - das ist die leidige Erfahrung von vielen Tausend Menschen in diesem Land - bei den Fahrten zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause täglich die gleiche Situation. Zu den volkswirtschaftlichen Verlusten, also dazu, was es bedeutet, wenn Menschen täglich viele Stunden im Stau verbringen, will ich gar nichts sagen. Aber ich meine, wir sollten diesen Modellversuch ausweiten und sagen: Wenn die A 7 ein besonderer Brennpunkt ist, dann lasst uns gemeinsam eine Spur neu denken. Versuchen wir doch einmal, zu Verkehrsspitzenzeiten den Standstreifen als Fahrgemeinschaftsspur zu öffnen.

Ich hoffe, dass auch die Grünen den Charme, der in diesem Vorschlag liegt, erkennen; denn Fahrgemeinschaften sind ökologisch sinnvoll. Sie führen im Zweifel dazu, dass man mehr Fluss in den sonst stehenden Verkehr bekommt.

Ich sehe, dass der eine oder andere bereits die Stirn runzelt. Wenden wir uns daher einmal der Frage zu, was wir angesichts der vorhandenen Gegebenheiten, auch was die restriktive Haushaltslage angeht, noch gemeinsam bewegen können. Versuchen wir einmal, Politik dahin gehend zu gestalten, dass wir etwas wollen. Wir sollten nicht dahin kommen, dass jeder von uns zu einer kleinen Verkehrsbehörde wird: Jeder hat sein privates Bedenken. So etwas brauchen wir nicht. Ich würde mich freuen, wenn wir uns durch eine konstruktive Diskussion im Sinne einer Lösung des Problems im Rahmen eines Modellversuchs näher kommen könnten. Das ist das Anliegen meiner Fraktion.

Es ist auch nicht so, dass wir uns nicht umgetan hätten. Vielmehr haben wir gefragt, ob es so etwas nicht schon irgendwo gibt, sodass man von den Erfahrungen profitieren kann. Wir haben festgestellt, dass so etwas in Los Angeles schon gemacht wird.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber doch nicht auf der Standspur!)

- Nein, gnädige Frau. Ich bin sofort Ihrer Meinung, Frau Heinold. Offensichtlich waren Sie auch schon in Los Angeles. Da nimmt man die linke Spur. Dort gibt es aber auch acht Fahrstreifen. Wir können uns sofort darauf einigen, die A 7 auf acht Spuren auszubauen. Dann nehmen wir die ganz linke Spur für die Fahrgemeinschaften.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf von der SPD)

- Das habe ich nicht gesagt. Ich wollte nur deutlich machen, dass man sich bei den Überlegungen auf das konzentrieren sollte, was man tun kann. Wir müssen schauen, welche Mittel wir zur Verfügung haben. Mir

geht es darum, eine Option im Rahmen eines Modellversuchs zu nutzen. Ich sehe schon, dass die Grünen anfangen zu überlegen, wer das kontrollieren kann.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich will nur nicht von links und von rechts überholt werden!)

- Das ist klar. Wir wollen, dass es dabei bleibt, dass links überholt werden kann und dass man rechts zum Arbeitsplatz kommt.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Bei der Frage der Kontrolle, Frau Kollegin, bin ich guten Mutes. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass man sogar den Leuten, die im Auto ihr Handy benutzen, auf die Spur kommen will. Da sind sie sehr intensiv hinterher. Die Frage der Kontrolle wird in Deutschland also kein Problem sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Jetzt hat der Abgeordnete Müller das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich - auch im Auftrag meines Arbeitskreisvorsitzenden - sagen, warum ich zu Verkehrsfragen spreche. Das liegt daran, dass wir miteinander vereinbart haben, dass ich ihn vertrete, solange er gesundheitlich angeschlagen ist.

Der Antrag des Kollegen Thomas Stritzl und der CDU-Fraktion stellt eine Bestätigung unseres Verkehrministers Bernd Rohwer dar. Dieser hat im Sommer die Nutzung des Standstreifens auf der A 7 angeordnet. Der Erfolg kann sich in der Tat sehen lassen; das hat Herr Stritzl eben bestätigt. „Kleiner Aufwand große Wirkung“, resümierte der NDR. Auch der ADAC war voll des Lobes für den Verkehrsminister.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Wunderbar, anhaltender Beifall bei der Opposition!

Insoweit ist es auch sinnvoll, das Pilotprojekt an dieser Stelle einmal kurz zu bewerten und dem Minister die Unterstützung des Hauses für die Fortsetzung der Nutzung des Standstreifens der A 7 in den Sommermonaten zu signalisieren.

Die Anregung des Kollegen Thomas Stritzl, den Standstreifen zu den Hauptverkehrszeiten als Fahrstreifen für Fahrgemeinschaften zu nutzen, ist offen

(Klaus-Dieter Müller)

bar der untaugliche Versuch, sich bei unserem grünen Koalitionspartner einzuschmeicheln.

(Beifall bei der FDP)

Unsere grünen Kolleginnen und Kollegen, lieber Thomas Stritzl, haben naive Schnellschüsse durch pragmatische Ansätze ersetzt. Aber das ist eine Lücke, in die ihr sicherlich stoßen könnt.

Eine Partei, die allerorts glauben machen will, sie setze sich für einen Abbau an Bürokratie ein, macht sich nun daran, überprüfen zu lassen, ob den noch zu definierenden Kriterien für eine wirkliche Fahrgemeinschaft auf der Standspur der A 7 im Einzelfall Genüge getan wird. Ich sehe schon Thomas Stritzl in seiner Freizeit die Leute fragen, ob sie sich denn auch gut genug kennen, um als Fahrgemeinschaft gelten zu können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wirkliche Problem ist Folgendes: Ich sehe schon die PKWs an den auf der Mittelspur fahrenden LKWs links auf der Überholspur und rechts auf der Standspur der A 7 vorbeibrausen, je nachdem - Fahrgemeinschaft hin oder her - wo mehr Platz ist. Vor allem die kleinen und kleinsten Fahrgemeinschaften gewöhnen sich schnell an das Rechtsüberholen von LKWs. Nein, meine Damen und Herren, dieser Schnellschuss zielt ins Leere.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte einen weiteren falschen Ansatz des Antrages zum Anlass nehmen, mich kurz mit den sinnvollen Modalitäten einer Fortsetzung des begonnenen Modellversuchs auseinander zu setzen.

Ich habe in Vorbereitung dieses Tagesordnungspunktes mit Max Stich vom ADAC und Herrn Schwarz von der Polizeidirektion in Neumünster telefoniert. Beide begrüßen die Initiative des Ministers sowie deren Fortsetzung, wollen eine solche Maßnahme aber nicht auf die Hauptverkehrszeiten beschränkt sehen, wie die CDU es in ihrem Antrag fordert. Dies nämlich führe zu einer erhöhten Gefährdung der Verkehrsteilnehmer. Es sollte ein längerer, durchgehender Zeitraum gewählt werden, also etwa die Sommermonate, was sicher am sinnvollsten ist, und es sollte eben nicht auf die Wochenenden begrenzt werden. Denn viele Verkehrsteilnehmer würden die schnell wechselnde Beschilderung nicht aufmerksam genug wahrnehmen und weiter auf dem Standstreifen fahren. Beim Spurwechsel käme es dann zu Gefährdungen.

Grundsätzlich ist die Fortsetzung des von Minister Rohwer begonnenen Versuches zu begrüßen. Der

Versuch hat im Sommer zu weniger Staus geführt und - wie die Polizei in Neumünster sagt - auch zu weniger Aggressionen bei den Verkehrsteilnehmern.

Der Versuch sollte aber für einen festen Zeitraum durchgehend fortgesetzt werden. Nachts muss die Maßnahme noch besser erkennbar, also beleuchtet sein.

Vielen Dank, Bernd Rohwer, vielen Dank auch Thomas Stritzl; du hast es uns ermöglicht, mit einem nicht zu Ende gedachten Antrag die gute Arbeit unseres Verkehrsministers zu würdigen. So stellen wir uns eine kooperative Opposition vor.

(Beifall und Heiterkeit bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jetzt erwarten wir aber Beistand für die CDU!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Stritzl, welch eine bestechende Idee! Das war sicherlich bei vielen - so auch bei mir - der erste Eindruck, als ich Ihren ungewöhnlich kurzen und präzisen Antrag las