Protokoll der Sitzung vom 12.05.2000

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Der Hinweis darauf, Frau Ministerin, dass das früher anders gewesen sei, ist sachlich unrichtig. Hier wird wirklich eine Neidkampagne betrieben. Ich kann nicht nachvollziehen, ob ein KV-Vorsitzender eine fünfstellige Entschädigung bekommt oder nicht. Aber wenn Sie in das alte Gesetz hineinschauen - EStG § 3 Nr. 26 -, sehen Sie, dass es eine Begrenzung auf 2.400 DM im Jahr gibt. Sie ist nach der Neuregelung auf 3.600 DM heraufgesetzt worden. Darüber hinaus ist die Sache steuerpflichtig. Ich weiß gar nicht, wo Sie das Problem sehen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Hier wird wirklich versucht, die Öffentlichkeit dumm zu halten, weil Sie nicht zugeben wollen, dass Sie mit dem 630-Mark-Gesetz eine totale Fehlentscheidung getroffen haben, die die Ehrenamtler hier im Land belastet.

(Starker Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort nach § 58 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Hentschel.

(Zuruf von der CDU: Oh nein!)

Glauben Sie nicht, dass Sie so leicht das letzte Wort kriegen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, die Debatte ist tatsächlich schräg. Sie ist wirklich schräg.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Martin Kay- enburg [CDU]: Das kann man sagen!)

Sie ist deswegen schräg, weil Ehrenamt zunächst einmal bedeutet, dass Menschen ehrenamtlich arbeiten.

Sie reden aber gar nicht über die vielen tausend Menschen in unserer Gesellschaft - es sind vor allem Frauen -, die sich gerade im sozialen Bereich ehrenamtlich engagieren, ohne etwas dafür zu bekommen. Wenn Sie es mit Ihrem Anliegen ernst meinen würden, dann würden Sie sich zunächst einmal Gedanken darüber machen, ob es nicht auf steuerlichem Gebiet oder in sonstigen Bereichen Möglichkeiten gibt, Erleichterungen zu schaffen, um genau diejenigen zu unterstützen, die ehrenamtliche Arbeit leisten.

Wir reden auch darüber, dass Menschen, die geringe Einkünfte haben, Ehrenämter nutzen, um etwas hinzuzuverdienen. Das ist auch ein solcher Bereich. Hier bin ich dafür, dass wir von unserem Sozialversicherungssystem, das einen festen Prozentsatz für alle Einkommen festlegt, herunterkommen. Wenn wir das tun, dann landen wir logischerweise bei dem, was in Dänemark praktiziert wird, nämlich bei einem steuerfinanzierten Grundsicherungssystem, bei einem steuerfinanzierten Sozialversicherungssystem. Dann haben wir nicht das Problem, dass wir für die unteren Einkommen hohe Sozialversicherungsbeiträge haben. Das ist die logische Konsequenz.

Dann müssen wir auch die Konsequenz ziehen, wie es Parteifreund Biedenkopf seit langem vorgeschlagen hat. Das rechne ich ihm hoch an und werde es hier auch immer betonen. Durch ihre Politik hingegen haben diejenigen Vorteile, die ohnehin hohe Einkünfte haben und nebenbei ein Ehrenamt leisten. Diejenigen aber, die niedrige Einkommen haben, haben bei Ihren Lösungen nur geringe Vorteile.

Deswegen haben wir gesagt: Was Sie hier produziert haben, ist im Grunde eine erneute Debatte über das 630-DM-Gesetz. Die Debatte über dieses Thema ist eine andere Debatte als die über das Ehrenamt. Ich finde es falsch, diese Dinge unzulässig miteinander zu vermengen. Deswegen, lieber Herr Maurus, war das, was Sie hier vorgetragen haben, schlicht schräg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Heinz Maurus [CDU]: Sie haben keine Ahnung!)

Nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kayenburg, wenn Sie sich hier hinstellen und behaupten, dass vernebelt wird, dann haben Sie sich damit verraten, dass Sie sagten, es ginge Ihnen um die 630DM-Debatte. Die wollen Sie wieder aufleben lassen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das habe ich überhaupt nicht gesagt! - Heinz Maurus [CDU]: Hören Sie doch mit dieser Dialektik auf! - Martin Kayenburg [CDU]: Lesen Sie das Protokoll nach!)

- Sie haben damit angefangen. Sie haben gesagt, dass davon abgelenkt werden soll. Lesen Sie im Protokoll nach, was Sie gesagt haben, vielleicht glauben Sie sich dann ja selber.

Entscheidend ist dabei: Wenn Sie diese Diskussion wieder aufleben lassen wollen, dann müssen Sie einmal die neuen Zahlen des Arbeitsamtes ansehen. Wir sind von 1,8 Millionen dieser 630-DM-Jobs ausgegangen. Jetzt haben wir allein schon durch die offizielle Zählung des Arbeitsamtes 3,6 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich. Dass es notwendig war, dies zu regeln, steht außer Zweifel.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Deshalb sollten Sie aufhören, diese beiden Aspekte miteinander zu vermengen. Wer das Ehrenamt fördern und vernünftig gestalten will, wird sich tatsächlich um eine Abgrenzung von regulärer und ehrenamtlicher Arbeit bemühen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

- Herr Maurus, Sie machen die Abgrenzung nicht. Sie hauen pauschal rein und sagen: Jeder, der ehrenamtliche Arbeit macht, ist auch ein Ehrenamtler. Das ist aber nicht der Fall. Es kommt darauf an, hier genau zu differenzieren. Das leistet weder Ihr noch der bayrische Antrag und daher ist es notwendig, diese Frage noch einmal im Ausschuss zu beraten.

(Unruhe bei der CDU)

Wenn man den Ehrenamtlern in unserer Gesellschaft richtige Unterstützung zukommen lassen will, dann ist es wichtig, nicht nur über Geld zu reden, sondern auch darüber, wie die rechtliche Stellung dieser Menschen gestärkt werden könnte und wie wir die Stellung der ehrenamtlich Tätigen auch durch eine gesellschaftliche

Anerkennung ihrer Arbeit stärken können. Erwerbsarbeit darf damit nicht vernebelt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es wurde sowohl Ausschussüberweisung als auch Abstimmung in der Sache beantragt. Wer der Überweisung des Antrags der CDU-Fraktion federführend an den Sozialausschuss zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen aus der F.D.P.Fraktion und Enthaltungen aus der CDU-Fraktion haben wir mehrheitlich beschlossen, den Antrag an den Sozialausschuss zu überweisen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Hilfekonzepte für Eltern im Umgang mit „Schreikindern“

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/81

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/91

(Unruhe)

Ich würde gern fortfahren. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Geerdts das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der ruhigen Debatte von eben kommen wir jetzt zu den Schreikindern.

(Beifall bei F.D.P. und SSW)

Nachdem die Medien im März über den Tod von Kindern infolge eines Schütteltraumas berichteten und von Familientragödien die Rede war, hielten Experten die geschilderten Fälle nur für die Spitze des Eisbergs. Die Kinderschutz-Zentren in Schleswig-Holstein sprechen sich seit geraumer Zeit für die Einrichtung von so genannten Schreiambulanzen aus.

Ich weiß, welche Schwierigkeiten bestehen, für ein solches Thema auf Gehör zu stoßen. Da kommen

(Torsten Geerdts)

schnell die Vorbehalte, Kleinkinder haben doch schon immer geschrien, die Problematik wird nur aufgebauscht und Sozial- und Jugendpolitiker suchen nur ein neues Betätigungsfeld.

Dabei mag es richtig sein, dass die Problematik überhaupt nicht neu ist. Richtig ist allerdings auch, dass die medizinischen Erkenntnisse über die Folgen von Schütteltraumen wesentlich größer geworden sind. Trotzdem sind die Vorbehalte spürbar, da sich das Thema angeblich nicht für die Politik eigne. Wer so argumentiert, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob es nicht früher bei anderen Problematiken genau solche Vorbehalte gab. Wir haben in diesem Landtag in der Vergangenheit - zum Beispiel beim Thema Missbrauch von Kindern - gute Debatten geführt und gemeinsam Anträge verabschiedet. Daraus ist konkretes Handeln für Schleswig-Holstein geworden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erinnert sei hier an die gemeinsame Initiative zur Einrichtung des Kinderschutz-Zentrums an der Westküste.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [F.D.P.])

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KinderschutzZentrums in Lübeck schätzen, dass die Dunkelziffer von Schütteltraumen sehr viel höher liegt und dass es sich bei den Lübecker Vorfällen nicht um Ausnahmen handelt.

Sicher ist der Einwand richtig, dass es für solche Fälle Gesetze und Strafverfolgungsorange gibt. Genau wie beim Thema Missbrauch eines Kindes kommt es aber erst, nachdem das Opfer körperlich und seelisch schwer verletzt wurde, zur Strafverfolgung. Politik muss aus meiner Sicht immer noch für eine Gesellschaft kämpfen, die präventiv handelt und nicht nur auf Strafe und Abschreckung setzt.

(Beifall bei CDU, F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)