Wir haben in unserem Antrag die Ministerin gebeten, einmal zusammenzustellen, welche Möglichkeiten bereits heute an den unterschiedlichen Orten bestehen. Ich kann mir vorstellen, Frau Ministerin, dass aus diesem Bericht auch eine Broschüre erstellt werden kann, die zukünftigen Interessenten an dem zweiten Bildungsweg aufzeigt, welche Möglichkeiten sie haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die geplante Abschaffung der Abendschulen ist ein bildungspolitischer Offenbarungseid der SPD.
Das Zitat von Björn Engholm aus seinem Brief an Schüler der Lübecker Abendschulen habe ich natürlich auch in meinem Redemanuskript. Ich brauche es nicht zu wiederholen.
Entgegen den - das ist für mich der zentrale Punkt beschönigenden Aussagen des Kultusministeriums bedeutet das Vorhaben der Landesregierung, alle Abendrealschulen bis 2005 zu schließen, tatsächlich das Aus für den zweiten Bildungsweg. Es ist geradezu lächerlich, dass das Kultusministerium auf angebliche Ersatzangebote oder Alternativen im Bereich des berufsbildenden Schulwesens verweist. Das gilt insbe
sondere vor dem Hintergrund der Entwicklung, die uns auf diesem Sektor in den kommenden Jahren bevorsteht.
Wir wissen doch aus den Zahlen, die uns das Ministerium Jahr für Jahr vorlegt, wie die Entwicklung im berufsbildenden Schulwesen in diesem Jahrzehnt sein wird. Im letzten Schuljahr hatten wir dort 82.000 Schülerinnen und Schüler. Ende des Jahrzehnts werden es 102.000 sein, also 20.000 mehr im Laufe der zehn Jahre, die jetzt vor uns liegen. Das ist ein Zuwachs um etwa ein Viertel der bisherigen Schülerschaft. Wir wissen, welche enormen Probleme die berufsbildenden Schulen haben, die altersbedingten Abgänge in ihren Lehrerkollegien durch qualifizierte Lehrkräfte zu ersetzen. Die berufsbildenden Schulen stehen vor der schwierigsten Phase ihrer Entwicklung, die sie in den letzten Jahrzehnten gehabt haben. Das ist die schwierigste Phase ihrer Entwicklung und da sollen sie eine zusätzliche Aufgabe, nämlich für einen zweiten Bildungsweg zu sorgen, noch extra obendrauf schultern? - Diese Vorstellung ist geradezu absurd.
Die Vorstellung, dass das in den nächsten Jahren möglich sein wird und dass dazu die Ressourcen vorhanden sein sollen, ist absurd. Daraus dass ein Journalist auf eine Rückfrage beim Ministerium erfahren hat, dass man überlege, den berufsbildenden Schulen für die Bewältigung dieser zusätzlichen Aufgabe sechs Lehrerstellen zusätzlich zukommen zu lassen, können Sie alle erkennen, wie hohl die Versprechungen sind, es werde einen überhaupt nur nennenswerten Ersatz für den Wegfall der Abendrealschulen geben.
Tatsächlich läuft die Entscheidung von SPD und Grünen auf die Abschaffung von allgemein bildenden Weiterbildungsangeboten für berufstätige Erwachsene hinaus. Sozialdemokraten und Grüne betätigen sich hier als bildungspolitische Abbruchunternehmer.
Abgesehen davon, dass von einem halbwegs funktionsund zukunftsfähigen Ersatz für die Realschulen keine Rede sein kann, betrifft die Aufgabe der Abendschulen auch in anderer Hinsicht die Qualität des Bildungsangebotes. Ich verweise auf die berufliche Kompetenz der Lehrkräfte der Abendschulen, die in langer beruflicher Tätigkeit speziell Erfahrungen mit erwachsenen Schülerinnen und Schülern gesammelt haben. Das ist nun einmal etwas anderes, als Unterricht für Jugendliche und Kinder zu erteilen. Ein sehr großer Anteil der Schülerschaft der Abendschulen - das gilt insbesondere für die Abendrealschulen - sind berufstätige Frauen. Sie streben hier eine höhere Bildungsqualifikation an. Für sie wird es genauso wie für die ausländischen Schülerinnen und Schüler der Abendschulen, die dort
mit dem Erwerb von Bildungsabschlüssen auch die Voraussetzungen für eine bessere Integration in unserer Gesellschaft erwerben - für diese wichtigen Gruppen und die Aufgabenbereiche, die damit zusammenhängen -, in Zukunft kein angemessenes Bildungsangebot mehr geben. Die Landesregierung realisiert hier das Programm eines fortgesetzten Bildungsabbaus, wenn sie in der Weise, wie es geplant ist, die Axt an die Abendschulen legt.
Ich unterstütze den Antrag der CDU-Fraktion nachdrücklich. Ich halte es für einen sinnvollen Weg, die mit der Angliederung der Abendschulen an Tagesschulen verbundenen Einsparungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das ist durchaus eine beachtenswerte Alternative, die aber in der Qualität des Bildungsangebotes für den zweiten Bildungsweg keine Verschlechterung mit sich brächte. So können wir uns auf eine Reform einigen, aber nicht mit dem, was die Regierung vorschlägt.
Herr Kollege Höppner - das zum Schluss gesagt -, wenn Sie davon sprechen, dass die Zulassungsvoraussetzungen und die tatsächliche Zusammensetzung der Schülerschaft jetzt nicht mehr übereinstimmen, muss man vielleicht auch eines erwähnen: Als die Abendschulen gegründet wurden, waren sie ausschließlich als Schulen für Berufstätige gedacht. Aber heute gibt es nun einmal eine größere Zahl an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Brauchen wir für die nicht etwa auch Möglichkeiten, sich im zweiten Bildungsweg weiter zu qualifizieren?
Was Sie gesagt haben, ist für mich kein Grund, für die Abschaffung der Abendschulen zu stimmen. Was die Nichtschülerprüfung angeht, da geht es um die Frage, mit welchen Möglichkeiten man sich auf eine solche Nichtschülerprüfung vorbereiten kann und mit welchen Kosten das verbunden ist. Können gerade die Problemgruppen, das Klientel, das heute die Abendschule besucht, das finanziell schultern?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Abendschulen - wir brauchen eine zukunftsweisende Lösung. Angesichts der Notwendigkeit lebenslangen Lernens; angesichts der immer höheren Anforderungen in vielen Berufen, in denen früher der Hauptschulabschluss reichte - heute ist Abitur oder Realschulabschluss häufig die Eingangsvoraussetzung -; angesichts des beklagten Fachkräfte- und Akademikermangels ist der Staat verpflichtet, so viele Angebote wie irgend möglich zu weiterführenden Schulabschlüssen zu machen. Zukünftig soll oder wird es eher mehr als weniger Menschen geben, die sich neben ihrer Berufstätigkeit oder in einer intensiven Phase der Familienarbeit weiter qualifizieren. Deshalb ist es richtig, dass die Landesregierung begonnen hat, mehr Gelegenheiten zu schaffen, mit verschiedenen Berufsschullaufbahnen auch weiterführende Abschlüsse zu erreichen. Diesen Weg gilt es weiter zu gehen und bekannt zu machen. Insofern ist die Anregung von Herrn Höppner, die Angebote zu veröffentlichen, nur zu unterstreichen.
Die Krux aber besteht nun darin, dass diese Angebote bisher nicht in den Abendstunden oder an den Wochenenden stattfanden. Diese Lücke füllen bisher die Abendgymnasien oder Abendrealschulen, die zwar räumlich oder organisatorisch in die bestehenden Tagesschulen integriert sind - insofern widersprechen wir hier dem Rechnungshofbericht, der das bestreitet -, aber dennoch eine eigene didaktische Einrichtung darstellen. Ohne große Werbung erfreuen sie sich nach wie vor einer großen, teilweise wachsenden Nachfrage. Ich möchte hier noch einmal auf den Bericht des Bildungsministeriums zum Rechnungshofbericht verweisen. Darin schreiben Sie, Frau Erdsiek-Rave, es sei zu erwarten, dass die Zahl der Schulentlassungen ohne Hauptschulabschluss weiter ansteigen wird, voraussichtlich werde sich dadurch auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler besonders an den Abendrealschulen erhöhen. Es wird dann davon ausgegangen, dass selbst wenn man keine Erhöhung mit einrechnet, sondern nur die Zahlen fortschreibt, die es in den letzten Jahren gegeben hat - auch bei den Abendrealschulen jährlich 450 Absolventinnen und Absolventen zu erwarten sind.
Aussagen, die Schülerinnen und Schüler wären das falsche Klientel, zu jung, zu lange arbeitslos oder vernachlässigten ihre Anwesenheitspflicht, teilen wir in dieser Pauschalität nicht. Wer sich freiwillig und trotz langer Berufsarbeitszeit, Schichtdienst und Arbeitslosigkeit und weil er oder sie eben Familien
pflichten hat, abends, in den Abendstunden um einen Schulabschluss bemüht, dem sollten keine Steine in den Weg gelegt werden.
Die Organisationsform des bisherigen Angebots gehört allerdings auf den Prüfstand. Insofern verschließen wir uns nicht einer engeren Angliederung an die Berufsschulen. Allerdings muss angesichts der von Herrn Dr. Klug gezeigten Planungsprognosen aufgezeigt werden, wie das funktioniert. Der Verweis auf Volkshochschulen oder private Anbieter als Ideallösung wäre zwar eine scheinbare Nulllösung für das Land, wirft aber doch Fragen auf. Nur Wedel und Norderstedt haben bisher ein Realschulabschlussangebot an der Volkshochschule. Wenn das ausgeweitet würde, würden die Kommunen im Rahmen der Konnexität Zuschüsse erwarten. Auch hier zeigt sich, dass Weiterbildungsangebote an Volkshochschulen, die zu Schulabschlüssen führen können, häufig doch bedeuten, dass der Staat, in diesem Fall das Land, bei Mittellosen Zuschüsse für den Schulbesuch geben muss.
Denn: Warum sollen gerade diejenigen, die Abendschülerinnen und Abendschüler sind, Geld für etwas bezahlen, was andere, nämlich die, die die Möglichkeit hatten, in ihrer ersten Schullaufbahn zum Realschulabschluss oder zum Abitur zu gelangen, kostenlos erhalten? Gerade die Abendschülerinnen und Abendschüler haben es ja nicht dicke im Portemonnaie. Insofern gibt es eine Bildungsungerechtigkeit, wenn wir hier automatisch sagen, sie müssen dafür bezahlen.
Wieso unterstützen wir dann nicht den CDU-Antrag? Er ist gut gemeint, aber schlampig formuliert, Herr de Jager.
Bisher ist das staatliche Angebot der Abendschulen leider noch nicht flächendeckend. Insofern ist er ein bisschen euphemistisch. Wie der Antrag außerdem suggeriert, ist die Abendschule nicht der Garant für die Durchlässigkeit des gegliederten Schulwesens. Glücklicherweise gibt es da noch ein paar andere Garantien.
Wir erwarten allerdings vom Bildungsministerium ein neues, zukunftsweisendes Konzept für berufsbegleitendes Lernen, das auch Angebote für diejenigen macht, die nur am Abend oder am Wochenende zur Schule gehen können. Ich denke, es wird auch zunehmend Druck geben, das Wochenende einzubeziehen. Im Sinne des lebenslangen Lernens wird es viel mehr Angebote für unterschiedliche Arbeitszeiten und unterschiedliche Lebenssituationen geben müssen. Wir erwarten, dass uns dieses Konzept rechtzeitig im November vorliegt, damit wir bei der Haushaltsberatung wissen, was wir tun.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Antrag der CDU, denn es ist wichtig, dass wir als Landtag uns in die Diskussion über die Zukunft der Abendschulen hier im Land einbringen.
Seitdem die ersten Vorschläge der Landesregierung Ende Mai veröffentlicht wurden, gibt es zwar eine breite öffentliche Diskussion über dieses Thema, aber im Bildungsausschuss haben wir über das neue Konzept der Landesregierung zum Beispiel noch nicht geredet.
Für den SSW bleibt es wichtig, dass die Landesregierung auch in der Weiterbildung dafür sorgt, dass Quantität und Qualität der Angebote erhalten bleiben.
Deshalb ist der SSW unmittelbar von dem Konzept der Landesregierung - zur Neuordnung des Abendschulwesens, soweit wir es denn kennen - nicht überzeugt. Für uns bleibt es das A und O einer zukunftsorientierten und einer gerechten Bildungspolitik, dass der Zugang zur Weiterbildung beispielsweise durch den nachträglichen Erwerb des Realschulabschlusses und der Hochschulreife für jedermann einfach und unkompliziert möglich ist, also auch regional angeboten wird.
Gerade vor einigen Wochen wurde in der so genannten Kieler Runde darauf hingewiesen, wie wichtig Ausund Weiterbildung nicht zuletzt auch für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist. Wenn jetzt die Abendschulen in Flensburg, Lübeck und Kiel, wo diese Grundvoraussetzungen erfüllt waren, teilweise stark reduziert werden, findet dies nur unsere Zustimmung, wenn der Ersatz flächendeckend dieselben Angebote zusichert.
Auf den ersten Blick scheint es, dass das Konzept der Landesregierung dies eben leider nicht gewährleisten kann. Zum Vorschlag der Landesregierung, den Realschulabschluss nachträglich an den Berufsfachschulen zu erwerben, ist zu sagen, dass der Zugang dorthin dadurch erschwert wird, dass Voraussetzung dafür