Protokoll der Sitzung vom 28.09.2001

Meine Damen und Herren, besonders bedroht durch das am 29. August vorgestellte Konzept des Bildungsministeriums sind die Abendrealschulen. Besagtes Konzept sieht einen Aufnahmestopp für Februar 2002 vor und ein Auslaufen - auf Deutsch gesagt: eine Schließung - im Jahr 2005. Vor allem die Abendrealschüler selbst haben sich dagegen gewehrt. Wer in den vergangenen Wochen und Monaten Gelegenheit hatte, mit ihnen darüber zu diskutieren, muss beeindruckt sein von dem Engagement und von der Ernsthaftigkeit, mit der sich diese überwiegend jungen Erwachsenen für den Erhalt ihrer Schulen eingesetzt haben, nicht - wie man meinen könnte -, um selber ihre Abschlüsse noch zu machen - das stand von vornherein gar nicht zur Debatte -, sondern um nachfolgenden Generationen von Abendschülern die gleiche Chance zu eröffnen. Wer mit ihnen diskutiert hat, konnte er

(Jost de Jager)

fahren, dass Abendschüler bildungswillig und leistungsbereit sind.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Damit erfüllen sie all das, was die Politik von den Menschen fordert und erwartet. Herr Fischer, das sind überwiegend Menschen, die solche Angebote nur abends wahrnehmen können und die deshalb auf Abendschulen wirklich angewiesen sind,

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Herr Fischer, und die im Übrigen dafür, dass sie diese höheren Abschlüsse machen können, eine erhebliche Einschränkung ihres Privatlebens, lange Fahrzeiten und so weiter in Kauf nehmen. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Deshalb liegt im Erhalt der Abendschulen und vor allem auch der Abendrealschulen auch eine soziale Komponente und soziale Verpflichtung. Da können auch Sie klatschen, Herr Fischer.

(Beifall bei der CDU)

Die Schließung von Abendrealschulen ist keineswegs der einzig mögliche Rückschluss aus dem Bericht des Landesrechnungshofs, wie immer behauptet wird. Vielmehr glaubt die CDU-Fraktion, dass man für die Abendrealschulen zu einer Organisationsform kommen kann, die das Angebot aufrechterhält und gleichzeitig sehr wohl Sparmaßnahmen beinhaltet. Wir glauben, dass man die Abendrealschulen an die Tagesschulen anbinden kann und damit den Einspareffekt erzielt, dass man die Schulleiterstelle einspart.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ein solches Modell würde für die Abendrealschulen jährlich eine halbe Million DM einsparen; wenn man es auf alle Abendschulen anwendet, beträgt die Einsparsumme inklusive der Gymnasien etwa 1 Million DM. Dass dieses Modell realistisch ist, kann man daran erkennen, dass die Landesregierung genau diesen Weg für die Abendgymnasien in Betracht zieht. Damit stellen wir uns die Frage, warum das, was für die Abendgymnasien recht ist, für die Abendrealschulen nicht billig sein kann.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bis auf das Gymnasium in Heide sollen die Abendgymnasien nach dem Regierungsmodell zwar erhalten werden, aber mit erheblichen Einschränkungen, sodass es beinahe sicher ist, dass auch die irgendwann auslaufen werden, und Sie beginnen ja erstaunlicherweise

auch mit der Schließung des Abendgymnasiums in Heide.

(Ministerin Erdsiek-Rave: 25 Schüler!)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das diesen Weg geht. Frau Erdsiek-Rave, ich sage Ihnen an dieser Stelle, dass Sie auf dem Weg von einer Bildungsministerin zu einer Ministerin für Bildungsabbau sind.

(Beifall bei der CDU)

Darin werde ich auch durch das bestätigt, was Grüne sagen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja, das ist mein letztes Zitat. - Ich zitiere aus der Debatte in der Lübecker Bürgerschaft, in der die grüne Abgeordnete Susanne Hilbrecht wortwörtlich sagte:

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da können Sie auch die SPD zitie- ren!)

„Wir schauen fassungslos zu, wie unsere Landesregierung den zweiten Bildungsweg abwickelt.“

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie da auch noch einmal die SPD zitieren?)

Das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren! Wir glauben an die zweite Chance durch den zweiten Bildungsweg. Wir wollen auch weiteren Generationen von Abendrealschülern diese Möglichkeit eröffnen und würden uns freuen, wenn auch die Sozialdemokraten auf die Grünen rechne ich sowieso - den Weg mitgehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Höppner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Abendschulen des Landes ist ausgelöst worden durch den Bericht des Landesrechnungshofs und einen Kabinettsbeschluss über die Eckwerte des Haushaltes 2002. Abendschulen haben entsprechend

(Dr. Henning Höppner)

ihrer schulgesetzlichen Bestimmung den Auftrag, jungen Menschen neben der Berufstätigkeit das Angebot für den Erwerb eines weiterführenden Schulabschlusses zu geben.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und vereinzelt bei der CDU)

Der Bericht des Landesrechnungshofs hat uns sehr deutlich gezeigt, dass dieser Grundsatz für die Aufnahme an einer Abendschule sehr unterschiedlich beachtet wird. Während an den Abendgymnasien diese Voraussetzung durchweg erfüllt wird, sieht es an den Abendrealschulen des Landes ganz anders aus: Rund 30 % der Schülerinnen und Schüler an den Abendrealschulen sind nach den Erhebungen des Landesrechnungshofs, da sie unter 18 Jahre alt sind, noch schulpflichtig für den Besuch einer allgemein bildenden oder berufsbildenden Schule. Insgesamt - so der Landesrechnungshof - erfüllen 72 % der Abendrealschülerinnen und Abendrealschüler nicht die Voraussetzungen der Berufstätigkeit.

Selbst wenn wir den Aussagen der Abendrealschulen Glauben schenken, dass die Erhebungen des Landesrechnungshofs in einigen Fällen nicht richtig sein mögen, müssen wir dennoch feststellen, dass es an den Abendrealschulen des Landes ein dramatisches Missverhältnis zwischen Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungspraxis gibt. Wenn das so ist, dann dürfen wir als Parlament, das ein Schulgesetz verabschiedet hat, das Ziele und Aufträge von Schulen bestimmt, eine solche Entwicklung nicht hinnehmen.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Ich sehe dies auch aus der Sicht der betroffenen Schulträger, die Tagesrealschulen und berufliche Schulen und Fachschulen vorhalten und erleben müssen, dass viele schulpflichtige junge Menschen nach freier Wahl lieber abends zur Schule gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht in unserem Sinne sein.

Die SPD-Landtagsfraktion gibt an dieser Stelle ein klares Bekenntnis zum zweiten Bildungsweg ab.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine die Geschichte der Sozialdemokratie bestimmende Maxime, die Bildungswege für alle nach oben offen zu halten und Chancengleichheit im Bildungsbereich zu gewährleisten und zu verwirklichen. Hierzu haben wir seit der Novellierung des Schulgesetzes 1990 zahlreiche Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen.

Herr de Jager, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass das Angebot von Abendschulen flächendeckend erhalten werden und in Schleswig-Holstein offen sein müsse, müssen wir, was diese Schularten betrifft feststellen, dass es in Schleswig-Holstein ein flächendekkendes Netz von Abendrealschulen nicht gibt und auch zu keiner Zeit gegeben hat, auch nicht in Zeiten, als die CDU die Regierungsverantwortung hatte.

(Zuruf des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Wir müssen aber feststellen, dass sich die Möglichkeiten des Erwerbs eines Schulabschlusses oder auch die Anerkennung oder Zuerkennung einer höherwertigen schulischen Qualifikation durch andere schulische Ausbildungsgänge in den vergangenen Jahren erheblich verbessert haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben nicht nur die Möglichkeiten von Schulabschlüssen durch Nichtschülerprüfungen in allen möglichen Stufen verwirklicht, von der Hauptschule über die Realschule die Fachhochschulreife, und kürzlich auch im Rahmen der Prüfungsordnung für Fachgymnasien eine Nichtschülerprüfung an Fachgymnasien zum Erwerb einer allgemeinen Hochschulreife eingeführt. Diese Formen des Erwerbs von Schulabschlüssen geben vielen privaten schulischen Trägern, aber auch den Volkshochschulen unseres Landes die Möglichkeit, Vorbereitungskurse auf entsprechende Nichtschülerprüfungen anzubieten. Ich darf daran erinnern, dass wir in den 80er-Jahren weit verbreitete Lehrgänge dieser Art hatten. So konnten wir Realschullehrgänge in Husum, in Meldorf, in Preetz oder auch in Geesthacht anbieten. Wir müssen darüber hinaus zur Kenntnis nehmen, dass es an den beruflichen Schulen unseres Landes zahlreiche Möglichkeiten gibt, weiterführende Schulabschlüsse zu erwerben. Das haben Sie in Ihrem Beitrag in der Tat unterschlagen.

(Caroline Schwarz [CDU]: Das ist doch kein Ersatz!)

In der laufenden Diskussion um den Erhalt des zweiten Bildungsweges wird uns von den Lehrkräften und Abendschülern immer deutlich gemacht, dass für die Beschulung von Erwachsenen und Berufstätigen eine besondere pädagogische Eignung erforderlich ist. Die Lehrerinnen und Lehrer an den Abendschulen müssen diese in besonderem Maße mitbringen.

Wenn wir diese Überlegungen anstellen und vor allem die gesamte Fläche unseres Landes mit einem solchen Angebot versorgen wollen, kommen wir nicht umhin, auf der Suche nach geeigneten Bildungseinrichtungen auf die beruflichen Schulen zurückzugreifen. Ich denke vor allen Dingen an die Stärke der beruflichen Schu

(Dr. Henning Höppner)

len in den Flächenkreisen. Gerade hier finden wir wohl organisierte und starke schulische Einrichtungen. Ich darf daran erinnern, dass zum Beispiel in Niebüll und Husum die wohl stärksten beruflichen Schulen des Landes existieren. Wir müssen ehrlich zugeben, dass es ein flächendeckendes Netz nicht gibt. Weil es dieses Netz aber nicht gibt - bisher gibt es das nur im Verdichtungsraum Rendsburg/Büdelsdorf-, müssen wir wenn wir den zweiten Bildungsweg im Land entwikkeln wollen - insbesondere auf den Bereich der beruflichen Schulen zurückgreifen.

(Zuruf der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])