Wir wollten Klarheit darüber gewinnen, was wir im Zuge der Stammzellenforschung gesetzlich regeln müssen. Kollege Weber hat darauf hingewiesen, welche Problematik jetzt entsteht, wenn die DFG auf einer nicht vollständigen Basis Entscheidungen treffen will oder treffen muss. Herr Kollege Klug, wir waren uns einig darüber, dass wir eine intensive und zielführende Diskussion führen müssen. Herr Dr. Wadephul hat in der letzten Debatte völlig zu Recht festgestellt, dass wir uns bei einer verantwortungsbewussten politischen Entscheidung eben nicht unter Druck setzen lassen wollen und dürfen.
Aus diesem Grund glaube ich, dass wir nicht zwangsläufig in diesem Jahr noch eine Entscheidung herbeiführen müssen, die wir später gegebenenfalls bereuen könnten. Dies vor allem vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Entscheidung in Berlin.
Herr Dr. Klug, ich kann verstehen, dass die FDP unter dem Aspekt der Heilung schwer kranker Menschen und mit dem Ziel, gute Forscher im Lande zu halten, sowie aus Sorge, dass der Forschungs- und Entwicklungsstandort im Lande noch schlechter werden könnte, mit Ihrem heutigen Antrag Druck auf den Bundestag ausüben will. Das ist gut und legitim. Allerdings glaube ich auch, dass es nicht zwingend so sein wird, dass der Bundestag bis zum Jahresende zur Entscheidung kommt. Die Denkpause, die sich der Bundestag auferlegt hat, scheint noch nicht zu Ende zu gehen. Selbst wenn der Bundestag in diesem Jahr noch eine gesetzliche Regelung festlegen wird, glaube ich nicht, dass dies zwingend dazu führen wird, dass der Schutz der Menschenwürde vor bio- oder gentechnologischen Entwicklungen gesichert ist. Im Gegenteil: Wir werden auch dann weiter Fehlentwicklungen haben, weil wir im Ausland mit der Forschung an embryonalen Stammzellen längst viel weiter sind. Das gebe ich gern zu. Angesichts der internationalen Verflechtungen in der Forschung brauchen wir dringend eine einheitliche Schutzbestimmung zur Lösung der Problematik. Das ist die eigentliche Herkulesaufgabe, die der Bundestag zu leisten hat.
Bevor wir jedoch über gesetzliche Rahmenbedingungen entscheiden, müssen wir die Grundfrage, wann zu schützendes Leben beginnt, beantworten. Das muss jeder für sich tun.
Die CDU-Fraktion hält dabei an der philosophischnaturwissenschaftlichen Position fest, dass jeder menschliche Embryo von Anfang an - von der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an - ein menschliches Wesen ist. Jeder menschliche Embryo hat Anspruch auf Unantastbarkeit der Menschenwürde. Dies ist auch in § 8 Abs. 1 des Embryonenschutzgesetzes verankert. Herr Kollege Klug, ich gebe zu, dass Forschung ohne Zweifel Freiraum braucht, wenn wir eine Fortentwicklung im Bereich der Bio- und Gentechnologie haben wollen. Die Grenze muss aber dort sein, wo die Menschenwürde beginnt.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein paar kurze Worte zur Präimplantationsdiagnostik sagen. Die CDU lehnt diese Diagnostik nicht grundsätzlich ab. Ich akzeptiere sie zum Beispiel bei Paaren mit Kinderwunsch, bei denen ein hohes Risiko schwerwiegender genetisch bedingter Erkrankungen des Babys gegeben ist, wenn anderenfalls später mit einer Abtreibung zu rechnen wäre. In diesem Zusammenhang bin ich mir durchaus der Gefahr bewusst, die von PID ausgehen kann, nämlich dass wir eine neue Art Erbgesundheitslehre heraufbeschwören könnten. Wir würden unter Umständen zu einer umfassenden Qualitätskontrolle des werdenden Menschens kommen. Hier sehe ich die Hauptproblematik.
Wir als CDU sehen aber auf der anderen Seite auch die Chance, dass medizinische Handlungsansätze verstärkt von der Therapie auf die Prävention verlagert werden. Bisher unheilbare Krankheiten könnten heilbar werden. Nebenwirkungen von Therapien könnten minimiert werden. Deshalb begrüßen wir die Fortschritte bei der Erforschung des therapeutischen Potenzials adulter Stammzellen einschließlich der Stammzellen aus Nabelschnurblut. Allerdings lehnen wir die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken und zu therapeutischen oder gewerblichen Zwecken ebenso entschieden ab wie das therapeutische Klonen.
Der Umgang mit Embryos aus künstlicher Befruchtung, die nicht eingepflanzt werden, zwingt uns schließlich unter ethischen und rechtlichen Aspekten zu einer neuen Diskussion. Einer unvoreingenommenen Analyse müssen wir uns unter den bisher gültigen Prinzipien, Normen und Methoden in sittlicher Verantwortung stellen. Herr Dr. Klug, ich glaube, dass nicht allein Verantwortungsethik entscheiden kann. Vielmehr stehen wir hier in dem Dilemma zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Das sind unsere Entscheidungsparameter. Eine Gewissensentscheidung muss jeder für sich selbst treffen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein ethisch und wissenschaftlich begründetes Ziel, Heilungschancen für schwere Erkrankungen zu entwickeln. Das gilt vor allem für
solche Krankheiten, die bisher gar nicht oder nur unzureichend behandelt werden können. Insofern stimmen wir dem ersten Punkt des FDP-Antrags zu.
Ebenso können wir dem zweiten Punkt zustimmen. Der Respekt, die Akzeptanz und auch die Toleranz und der Wille zur Integration von Menschen mit Behinderungen müssen erhalten und sogar ausgebaut und verbessert werden. Diesem Ziel ist aber meines Erachtens der restliche Teil des vorgelegten FDPAntrags nicht gerade zweckdienlich. Der Import embryonaler Stammzellen widerspricht dem Geist und dem Ziel des Embryonenschutzgesetzes. Insofern hat der Kollege Weber Recht, wenn er sagt: Der Import ist rechtens und kann nicht untersagt werden.
Meines Erachtens ist er im Geist und Sinn des Gesetzes nicht rechtens. Das ist meine Einschätzung. Er kann aber nicht untersagt werden, weil das Embryonenschutzgesetz den Tatbestand des Imports zur damaligen Zeit gar nicht berücksichtigen konnte, weil diese Frage nicht aktuell war. Das haben wir im Verlauf der damaligen Debatte bereits ausgeführt.
Trotzdem sind Geist und Ziel des Gesetzes eindeutig. Ein Gesetz wird durch seine Bestimmung ausgemacht und nicht durch das Fehlen aus der Historie begründbarer Detailaussagen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch ein Embryo im frühen Entwicklungsstadium hat die Anlage, ein Mensch zu werden. An ihm selbst und an aus ihm gewonnen Zellen darf nicht zu wissenschaftlichen oder medizinischen Zwecken geforscht und experimentiert werden. Hier ist es vollständig irrelevant, ob es sich um totipotente embryonale Stammzellen handelt, aus denen theoretisch wieder ein eigenständiger Embryo erwachsen könnte, oder ob es sich bloß um multipotente Stammzellen handelt, aus denen lediglich anderes menschliches Gewebe kultiviert werden kann. Das ist aus unserer Sicht gleichgültig.
Im Embryonenschutzgesetz geht es um den Schutz des einzelnen, des ursprünglichen Embryos. Das heißt, es widerspricht bereits dem deutschen Schutzstatus, wenn Stammzellen aus dem Embryo gewonnen und entnommen werden, egal, ab welchem Zellstadium, egal ob sie toti- oder multipotent sind. Bei den hier infrage kommenden Fällen werden Embryonen in vitro erzeugt, um eine Schwangerschaft zu ermöglichen, um ein Kind zu werden, nicht um als Materiallager benutzt zu werden.
litätsprüfung entweder besteht oder nicht besteht. Embryonen mit nachweisbarer Behinderung dürfen durch einen solchen Qualitätstest nicht automatisch aussortiert werden. Leben hat Würde ohne Vorbedingung, Leben ist Vielfalt, Leben ist Anderssein, Leben ist Toleranz, Leben ist Gemeinsamkeit in Vielfalt.
Die einzige Rechtfertigung für Eltern, sich gegen ein behindertes Kind zu entscheiden, ist nicht sein Behindertsein, sondern vielmehr die aus der spezifischen Belastungssituation resultierende Überforderung der werdenden Eltern. Diese Entscheidung darf nicht durch gesellschaftliche Vorgaben beeinflusst werden. Sie muss in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen und getroffen werden und dies ist schon schwer genug. Aus der Würde des Menschen an sich resultiert das Ansinnen, ihn zu schützen, als bereits geschlüpftes Individuum - sage ich einmal - ebenso wie als werdendes. Dies ist - hier schließt sich der Kreis - Ansinnen des Embryonenschutzgesetzes sowie der Regelungen zum Schwangerschaftskonflikt als auch der Vorgaben für pränatale und Präimplantationsdiagnostik.
Wenn das bestehende Recht diesen Schutzstatus nicht wirklich sicherstellt, muss der Buchstabe des Gesetzes entsprechend seinem Ziel geändert werden. Diese Grundsatzdebatte muss gesellschaftlich und politisch zu Ende geführt und entsprechende rechtliche Konsequenzen auf Bundes- und Landesebene müssen gezogen werden. Die notwendigen Entscheidungen dürfen nicht durch konkrete Forschungspraxis vorweggenommen beziehungsweise unterlaufen werden.
Moratorien und Appelle an Wirtschaft und Forschung mögen auf Bundesebene für den aktuellen Handlungsbedarf für einen gewissen Übergangszeitraum geeignet sein, letztlich muss aber eine eindeutige gesetzliche Regelung gegebenenfalls durch Präzisierung des Embryonenschutzgesetzes gefunden werden. Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben unsere Auffassung diesbezüglich bereits in der Debatte im Juli dieses Jahres in diesem Haus deutlich gemacht. An unserer Haltung dazu hat sich nichts geändert. Ich bin dagegen, jetzt einen neuen Druck aufzubauen. Ich werde mich nicht verschließen, das Thema weiter zu beraten, aber ich bin absolut dagegen, uns jetzt schon einen Termin zu setzen, etwa für die November-Tagung des Landtages. Das muss vielmehr das weitere Verfahren zeigen und dann sollten wir schauen, was die verschiedenen Entscheidungsträger auf Bundesebene zustande bringen, die uns an der Stelle fachlich ein Stück voraus sind.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich haben wir uns schon vor kurzer Zeit über das Thema Stammzellenforschung unterhalten. Dabei bestand in diesem Haus mehrheitlich die Ansicht, dass man den Entscheidungsprozess im Bundestag abwarten muss und nichts übers Knie brechen darf.
Es entsteht nun sehr stark der bedauerliche Eindruck, dass es der FDP-Landtagsfraktion mit dem vorliegenden Antrag allein darum geht, sich als Partei der Modernität zu verkaufen und damit gleichzeitig alle jene als verstaubte Ewiggestrige zu verdammen, die nicht ihrer Meinung sind. Der vorliegende Antrag trägt zur inhaltlichen Diskussion nichts Neues bei. Trotzdem werde ich mich bemühen, mich mit den vier Punkten des Antrages inhaltlich auseinander zu setzen.
Erstens. „Die mögliche Heilung schwer kranker Menschen muss auch in Zukunft als Ziel von hohem ethischen Wert staatliches Handeln bestimmen.“ Richtig! Das gilt aber selbstverständlich auch dann, wenn man sich gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen entscheidet. Sollte man zu dem Schluss kommen, dass das Lebensrecht von Embryonen genauso schwer wiegt wie die Bekämpfung schwerer Krankheiten, ist auch das legitim.
Zweitens steht im Antrag: „Es ist zu gewährleisten, dass der Respekt vor Menschen mit geistigen, seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen in vollem Umfang erhalten bleibt.“ - Auch dem können wir nur beipflichten. Das haben wir sicherlich auch alle schon im Zusammenhang mit der Bioethikkonvention und mit der Präimplantationsdiagnostik geäußert.
Drittens heißt es im Antrag: „Ein Ausstieg Deutschlands aus einem in vielen anderen Staaten geförderten Forschungsbereich wie der Stammzellenforschung hätte für unser Land unabsehbare negative Konsequenzen.“ - Zum einen reden wir hier von der Abwägung verschiedener Interessen, wenn der Bundestag wirklich zu dem Ergebnis kommt, dass die Forschung mit embryonalen Stammzellen nicht vertretbar ist, und zwar nicht, weil man verantwortungslos ist, sondern weil die Folgen dieser Technologien als noch gravierender angesehen werden als der von der FDP so genannte Ausstieg aus der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Zum anderen ist aber durchaus auch denkbar, dass die Antwort des Bundestages differen
Viertens steht als letzter Satz im Antrag: „Es bleibt daher als einzig sinnvolle, politisch und ethisch vertretbare Alternative die Forderung, Stammzellenforschung auch in Deutschland unter klar definierten Rahmenbedingungen zuzulassen, deren Einhaltung gewährleistet sein muss.“ - Dieser Satz ist in meinen Augen reiner Unsinn, denn es ist doch absurd, im Umkehrschluss zu behaupten, es wäre schon ethisch unvertretbar, wenn wir eine Technologie ablehnen, die es in anderen Teilen der Welt gibt. Wir könnten sicherlich auch mit der Forschung an modernsten Atomwaffentechnologien mehr Geld und Wissen an den Standort Deutschland holen, aber deshalb ist die Genehmigung hierfür auch nicht die einzig sinnvolle, politisch und ethisch vertretbare Alternative. Einmal ganz abgesehen davon, dass der Respekt vor dem Deutschen Bundestag und der Arbeit der Enquetekommission solche Anträge eigentlich verhindern müsste.
Der SSW bleibt dabei: Es ist legitim, ethische Fragen für den Schutz von ungeborenem Leben immer wieder neu zu verhandeln. Die Bedingung ist aber, dass diesem neuen Prozess der Konsensfindung auch genügend Zeit eingeräumt wird. Die Meinungsbildung darf nicht mit Argumenten totgeschlagen werden wie: „Die Zeit läuft uns davon, das Ausland ist schneller.“ Wir haben gestern über die Atomenergie gesprochen. Aus deren Geschichte müssten wir eigentlich lernen, dass man sich Gedanken machen muss, bevor neue Technologien eingeführt werden. Fehlentscheidungen sind menschlich, aber gute Politik sollte zumindest danach trachten, die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden.
Das sollten wir auch bei dem wichtigen Thema der Stammzellenforschung tun: Erst nachdenken, dann handeln!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ebenso heftige wie ernsthafte Debatte im Sommer dieses Jahres, die wir auch hier im Hause geführt haben, hat drei Dinge deutlich gemacht. Erstens. Es geht um ein Thema mit hoher gesellschaftli
cher Relevanz. Zweitens. Es geht um ein außerordentlich komplexes, auch kompliziertes Thema. Drittens. Es bedarf der Sachlichkeit und auch der Professionalität, wenn wir über dieses Thema reden.