Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Dr. Johann Wadephul)

gung dasteht. Das ist ein Wettbewerbsnachteil für unsere Schülerinnen und Schüler.

Wenn wir deswegen über Ganztagsschule reden, dann ist das erstens eine Frage, bei der es uns inhaltlich um eine ganztägige Betreuung geht. Zweitens muss es aber doch auch darum gehen, endlich für mehr Unterricht in Schleswig-Holstein zu sorgen. Anderenfalls versündigen wir uns an dieser Stelle ein weiteres Mal an der jungen Generation, an den Schülerinnen und Schülern in diesem Land. Deswegen verlangt die CDU - wir werden entsprechende Haushaltsanträge auch vortragen -, dass es endlich mehr Unterricht in Schleswig-Holstein gibt.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt noch einmal Frau Ministerin Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Eigentlich habe ich wenig Neigung, mich mit dem letzten Beitrag auseinander zu setzen. Ich muss sagen: Das war Polemik und Vernebelung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war auch wirklich total neben der Sache.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich warte noch immer auf Ihren Vorschlag, welche 15 von 1.000 Schulen gleichsam von oben herab zu Ganztagsschulen erklärt werden sollen.

(Widerspruch bei der CDU)

Da hilft ein Blick ins Schulgesetz, wonach Schulträger Ganztagsschulen beantragen müssen. Warum haben wir in Schleswig-Holstein eigentlich in den letzten Jahren keine solchen Anträge gehabt?

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das will ich Ihnen sagen: Weil die ganz andere Sorgen in der Bildungspolitik haben!)

- Sie erwarten nicht, dass ich Ihnen darauf antworte. Wir haben die Anträge deswegen nicht gehabt, weil reguläre Ganztagsschulen mit einem Angebot wie etwa am Hans-Geiger-Gymnasium in Kiel oder an anderen Ganztags- und auch Gesamtschulen, die Ganztagsschulen sind, für die Schulträger eine ganz erhebliche Beitragslast bedeuten. Das fängt beim Baulichen an und geht hin bis zu den Standards, die bei einem regulären Ganztagsangebot gewährleistet werden müssen.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Kosten für Bauten haben Sie sonst noch nie interessiert!)

- Frau Schmitz-Hübsch, nun lassen Sie mich doch einen Augenblick ausreden. Natürlich kann man sich darüber streiten - und das haben wir in der Vergangenheit doch auch getan -, ob wir mit den vorhandenen Mitteln - wir gehen doch im Grunde von demselben Volumen aus; machen Sie doch jetzt nicht so einen Popanz, als ob Sie Millionenbeträge in die Hand nehmen könnten

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben das Geld doch weggewirtschaftet!)

versuchen sollen, in die Breite zu wirken, um möglichst viele Schulen zu erreichen, oder ob wir die Mittel für wenige - maximal bis zu 15 - konzentrieren.

Sie sagen, das ist richtig so. Wir sagen, das ist zu wenig. Das wäre wirklich ein Exklusivangebot für ganz wenige. Wir wollen dabei - und ich bin sehr froh darüber, dass es hier eine breite Übereinstimmung gibt und Sie mit Ihrer Meinung im Grunde auf einsamen Posten stehen - die Hauptschulen und die Sonderschulen vorrangig berücksichtigen. Ich will die ganze Debatte dazu nicht wiederholen. Diejenigen, die dafür plädieren, haben gute Gründe. Unsere Richtlinien sehen vor, dass diejenigen Hauptschulen und Sonderschulen, die Anträge auf ein volles Angebot für die ganze Woche stellen, Vorrang bei der Förderung erhalten, damit wir wirklich Angebote schaffen können, die den Namen Ganztagsangebot auch verdienen.

Wenn es allerdings diesen Bedarf nicht in diesem Umfang bei den Schulträgern und Schulen gibt - der Bedarf soll von den Schulträgern erhoben werden, die Schulträger müssen zustimmen, damit ein solcher Antrag von uns bearbeitet wird -, dann bezuschussen wir auch Angebote, die geringer sind. Das ist ein vernünftiger Weg, der sowohl den Willen vor Ort als auch die finanziellen Möglichkeiten im Auge behält.

Zum Schluss möchte ich noch ein versöhnliches Wort sagen. Erstens bedanke ich mich bei Herrn Dr. Klug für die kongeniale Argumentation. Ich musste daher nicht alles wiederholen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Zweitens muss ich doch noch einmal darauf hinweisen, dass wir nach Jahrzehnten, in denen es ideologische Auseinandersetzungen über die Frage gab, ob die Familie oder die Schule und Jugendhilfe für die Kindererziehung zuständig ist, diese Gräben wirklich überwunden haben. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich begrüße jetzt auf der Tribüne zwei neue Besuchergruppen, und zwar die Besuchergruppe der städtischen Handelslehranstalt Flensburg und der Hauptschule Schäferberg, Bad-Bramstedt.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf:

Dezentralisierung der Lehrerpersonalverwaltung

Landtagsbeschluss vom 28. September 2001 Drucksache 15/1186

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1328

Das Wort erteile ich der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Frau Erdsiek-Rave.

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Übergang von diesem Thema zu dem jetzt folgenden bietet sich an. In beiden Fällen geht es um Eigenständigkeit und Autonomie von Schule. Sie haben vielleicht vor einigen Wochen die Überschrift und sogar den ganzen Artikel in der „Zeit“ gelesen: „Lasst die Schule von der Leine!“ Personalmanagement - so der Autor, der selbst Schulleiter ist - erfolge nach wie vor - in NRW wohl gemerkt - am grünen Tisch von Behörden und Ministerien mit der Folge, dass wichtige fachliche, inhaltliche und personelle Gestaltungsspielräume der Schulen eingeschränkt würden.

Genau an diesem vermeintlichen oder - das gestehe ich auch zu - tatsächlichen Defizit setzt unser Konzept der Dezentralisierung der Lehrerpersonalverwaltung in Schleswig-Holstein an, das darin besteht, die Gestaltungsspielräume von Schulen und Schulämtern im Sinne der Schulen zu erweitern, die zentrale Steuerung auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren und wichtige Entscheidungen da zu treffen, wo sie sich auswirken, nämlich in der Schule selbst.

Dezentralisierung der Lehrerpersonalverwaltung ist eine der Säulen unseres Konzeptes zur Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen. Die Grundlage dafür, gewissermaßen der Paradigmenwechsel vollzog

sich ja schon in der Novelle des Schulgesetzes im Oktober 1998. Vieles hat sich seitdem getan, was zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Schulen beiträgt. Ich glaube, dies ist eine Entwicklung, die übrigens nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit und - so könnte man sogar sagen - europaweit stattfindet. Sie ist eine sehr positive Entwicklung, die die Schulen stärken und auf Dauer nachhaltig verändern wird.

Die am Projekt beteiligten Schulen haben die Möglichkeit, zugewiesene freie Stellen auszuschreiben und die Personalauswahl eigenständig durchzuführen. So kann jede Schule ihr eigenes Schulprofil realisieren und stärken. Über die Festlegung von Anforderungskriterien kann sie steuern, welche Fächer, welche Fachrichtungen, welche zusätzlichen Qualifikationen, vielleicht auch welche Persönlichkeiten sie künftig in der Schule haben will und welche Merkmale sie mitbringen sollen. Die Schulämter koordinieren und begleiten die dezentralen Stellenbesetzungen der Grund-, Haupt-, Sonder- und Realschulen. Der grüne Tisch der Bürokratie - das wird man in Zukunft sagen können - hat ausgedient.

Wir haben unser Projekt zunächst 1997 in ausgewählten Grund-, Haupt- und Sonderschulen und in entsprechenden Schulämtern begonnen. Ab 2002 wird der Kreis Segeberg zusätzlich berücksichtigt werden. Im Bereich der berufsbildenden Schulen wurde die Dezentralisierung der Lehrerpersonalverwaltung inzwischen flächendeckend umgesetzt. Für alle Gymnasien und Gesamtschulen folgt dies mit Beginn des nächsten Jahres 2002.

Dieses dezentrale Verfahren wird die Vergabepraxis allerdings nicht vollständig ersetzen können. Ich glaube, das ist auch unmittelbar einsichtig. Dies geschieht nicht aus dirigistischen Motiven, wohl aber aus regionalen Unterschieden in der Schulversorgung und aus Gründen der Mangelfachbesetzung. Wir wollen natürlich eine ausgeglichene Versorgung im Lande behalten. Dazu bedarf es eines Restes an Steuerung auch aus dem Ministerium heraus.

Angesichts der aktuellen bundesweiten Entwicklung hinsichtlich des Bewerbermarktes von Lehrkräften glaube ich, dass das Besetzungverfahren noch an zusätzlicher Bedeutung gewinnt, denn nicht alle Interessenten, übrigens besonders aus anderen Bundesländern - das ist unsere Erfahrung -, bewerben sich ohne Einschränkung landesweit für Schleswig-Holstein. Es handelt sich in der Regel um gezielte Bewerbungen in bestimmten Regionen für sogar einen bestimmten Schulstandort. Allein schon vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbs um Nachwuchskräfte, wie auch um Lehrkräfte, die bundesweit auf dem Markt

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

sind, müssen wir diese gezielte Bewerbung unterstützen und die Möglichkeiten dafür schaffen.

Uns bestärken bei diesem ganzen Verfahren die positive Resonanz, die guten Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Dezentralisierung - das ist die Erfahrung- stärkt die Eigenverantwortung. Die Direktoren, die Schulleiter widmen sich dieser Aufgaben mit großer Sorgfalt, obwohl sie stärker belastet sowohl zeitlich wie natürlich inhaltlich rechtlich werden. Die Erfahrungen und die Berichte der Betroffenen sagen uns, dies verbessere das Schulklima, das verbessere die Zufriedenheit mit der Personalauswahl, das verbessere das Qualitätsprofil. Alle profitieren eigentlich nur davon.

Ich will allerdings nicht verschweigen, dass es natürlich auch Probleme gibt. Das werden Sie dem Bericht entnommen haben. Das ist immer so, wenn man solche Verfahren verändert. Natürlich wünschten wir auch noch mehr technische Unterstützung in diesem Prozess. Das ist ein teures Projekt, wenn man es mit der entsprechenden technischen Struktur unterlegt. Aber wir werden das Projekt trotz dieser natürlich auch finanziellen Probleme, die darin stecken, kontinuierlich fortsetzen und ausweiten. Die überzeugenden Projektergebnisse zeigen auch, dass die Schulen entschlossen sind, sich frei vom Gängelband in Richtung souveräne Bildungseinheiten zu entwickeln. Ich glaube, dass das ein guter Prozess ist, der es wert ist, breite Unterstützung zu erfahren. Diese Unterstützung erhoffe ich mir von Ihnen.

(Beifall von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich jetzt dem Antragsteller, Herrn Abgeordneten Hentschel.

Meine Damen und Herren! Die Dezentralisierung der Lehrerpersonalverwaltung ist ein Teil des Projektes autonome selbstverwaltete Schule. Wir haben diesen Bericht angefordert, weil ich in den Gesprächen, die ich in den letzten Monaten geführt habe - insbesondere in den Berufsschulen -, festgestellt habe, dass dieses Projekt auf sehr große Zustimmung und auf sehr großen Zuspruch in den Schulen gestoßen ist, in denen es eingeführt worden ist, und dass dieses Projekt sehr erfolgreich und mit sehr großer Begeisterung verfolgt wird.

Die Schulen selbstständiger zu machen, hat ja zum Ziel, dass die Probleme vor Ort gelöst werden und man

nicht immer alle Probleme, die es vor Ort gibt, ans Ministerium abschieben kann. Dadurch werden die Selbstorganisation und die Kompetenz sowie die Eigenverantwortlichkeit gestärkt wird. Eltern, Schüler und Lehrer arbeiten stärker zusammen und die Schulen sind dadurch erfolgreich in dem, was sie wollen, nämlich den Schülern eine gute Bildung für ihren Bildungsweg zu ermöglichen.

Zu diesem Projekt gehört auch die Dezentralisierung der Personalverwaltung. Das heißt, dass die Schulen eigenständig Personalpolitik machen sollen. Ich glaube nämlich, dass dann, wenn die Lehrer nach ihrer Examensnote ausgesucht werden, dies nicht immer zu jeder Schule passen muss. Es muss nicht so sein, dass die Hobbys, die der Lehrer teilweise sehr intensiv in die Schule hineinträgt, unbedingt zu der Schule passen, zu der er geschickt wird. Es führt manchmal dazu, dass Lehrer sich darüber ärgern, dass sie in die falsche Stadt geschickt wurden. Wenn sie sich aber selber bewerben, dann kommen sie gar nicht dazu, sondern freuen sich, wenn sie eine Stelle bekommen haben. Es führt auch dazu, dass die Schulen sich ihre Leute genau angucken und zum Beispiel Erkundigungen einziehen, Erfahrungen bewerten oder ihre eigenen Referendare beurteilen können. Manchmal ist es auch so, dass ein Lehrer, der keine so gute Note hat, einfach besser mit Kindern umgehen kann. Deshalb nehmen die Schulen diesen lieber, weil er erfolgreicher sein wird. Der andere hat zwar eine „Eins“, aber er hat andere Probleme. Auch das gehört zu einer Beurteilung, die ich den Schulen selber überlassen möchte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)