Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Kollege Neugebauer, die 5 % könnten sogar noch mehr wert sein. Bis zu 5 % sind 200 Millionen DM wert. Dann sind bis zu 40 % 1,6 Milliarden DM. Fünf mal acht sind 40, da kannst du sogar folgen! 200 mal acht sind 1,6 Milliarden.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich in meinen Haushalt reinschreibe, von welchem Wert ich ausgehe, dann kann ich einen potenziellen Verkäufer nicht mehr reduzieren. Das nenne ich eine unglaubliche Geschichte bei der Wahrung der Interessen des Landes Schleswig-Holstein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Auf weitere Punkte in diesem Zusammenhang will ich gar nicht eingehen. Das ist wirklich Verhandlungsgeschick, wie man es sich kaum vorstellen kann. Die Käufer können sich die Hände reiben. Wozu brauchen wir noch ein Wertgutachten?

Im Zusammenhang mit der Landesbank und den Sparkassen muss ich etwas einfügen, was sehr bedenklich ist. Hier erwarte ich irgendwann von der Regierung und allen Beteiligten eine Antwort. Als Strafverteidiger habe ich sehr viel dafür übrig, dass man mit Straftätern sehr sorgsam umgeht. Wenn sich das Folgende herausstellen würde, hätte ich dafür aber überhaupt kein Verständnis. Es würde mich an die Grenze meiner intellektuellen Leistungsfähigkeit bringen und mich sehr böse machen, wenn das, was bisher erklärt wurde, wahr wäre, dass die Kommunalaufsicht des Landes, die Sparkassenaufsicht und der Sparkassengiroverband einer Transaktion zugestimmt hätten, die darin besteht, dass die Geldstrafen und Bußgelder, die gegen Straftäter verhängt worden sind, übernommen wurden. Ich kann es mir nicht vorstellen. Kollege Neugebauer, wenn das so wäre, ist es mehr als ein Skandal, dass das Institut diese Strafen bezahlt. Ich werde dann weitere Fragen über Ihr Verhältnis - und auch das der Ministerpräsidentin - zur Landesbank stellen, die auch den Sparkassen- und Giroverband betreffen werden. Denn, Herr Minister, unabhängig von der Frage, wie man Steuerhinterziehung bewertet, sind es Straftäter,

und zwar verurteilte Straftäter, zumindest in einem Fall.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Das ist eine Frage an die Justizministerin: Wenn Sie als Land dem zugestimmt hätten, dann erwarte ich, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Auch künftig dürfen Geschäftsführer von Unternehmen, die an Umweltstraftaten beteiligt sind, um ihr Unternehmen zu retten, diese künftigen Geldstrafen als Betriebsausgaben absetzen. Ich will dann, dass Sie hier hinkommen und sagen: Dann dürfen auch künftig die Geschäftsführer der Unternehmen, die von korrupten Beamten gezwungen worden sind, sie zu bestechen, die Bußund Strafgelder als Betriebsausgaben absetzen. Wenn nicht, werden sie vollständig unglaubwürdig. Mein Rechtsempfinden ist an dieser Stelle erheblich gestört.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich kann es dann auch nicht mehr vertreten, obwohl ich das will, dass auf der einen Seite man Verbänden und Initiativen, über deren Arbeit man streiten kann, zum Beispiel Initiativen zur Beratung in Frauenhäusern oder was auch immer, Gelder im 10.000 DMBereich kürzt, auf der anderen Seite aber 300.000 DM an Kundengeldern oder Geldern der öffentlichen Hand auf diese Art und Weise verarbeitet.

(Beifall bei FDP und CDU)

Daher die Bitte, darauf hinzuwirken, dass man dies nicht einfach mit dem Mantel des Vergessens und der Nächstenliebe zu Weihnachten zudeckt.

Herr Minister, der Verkauf von nur 5 % der Anteile führt dazu, dass das Land jeglichen Einfluss auf die strategische Planung der Bank verliert und dass das Land für seine restlichen Anteile nur noch einen Trostpreis bekommt. Sie sagen, der SGV erwirbt dies. Ich weiß gar nicht, woher der das Geld nehmen will. Das werden wir noch sehen. Wenn wir demnächst feststellen, dass er sich in ein oder zwei Jahren mit dem niedersächsischen SGV verbündet oder mit ihm fusionieret - das ist ein tolles neues Wort - und wenn Sie sich die wirklichen Mehrheits- und Machtverhältnisse angucken, dann kann ich Ihnen sagen, wohin Sie mit Ihrer strategischen Überlegung gelangen. Früher kam Macht aus den Gewehrläufen, heute kommt sie vom Bankkonto. Die anderen haben auch strategische Überlegungen. Im Zweifel haben die die größere Potenz. Die haben mehr Fleisch auf den Rippen. Deren nicht unsere - strategischen Überlegungen werden sich als überlegen erweisen. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir die entsprechenden Regelungsmechanismen einbauen.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Minister, das gilt im Übrigen auch für die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Sie wissen, dass Sie dann, wenn Sie unter 75 % landen, bei der Gestaltung der Umwandlung in die Aktiengesellschaft vergleichsweise wenig Möglichkeiten haben, auf die vertraglichen Regelungen, die Satzung, Einfluss zu nehmen. Ich sage das, weil ich glaube, dass die Überlegung, die ganze Welt wartet auf den Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein, etwas provinziell zu sein scheint, um an dieser Stelle Peer Steinbrück zu zitieren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir müssen verhindern, dass wir unsere Sperrminorität verlieren, oder wir müssen unsere Sperrminorität als Ganzes in die Verkaufsverhandlungen einführen. So einfach ist strategische Finanzplanung. Das macht übrigens jedes Unternehmen. Es gibt auch in den Reihen der Sozialdemokraten einige Unternehmensberater oder Anwälte: Das macht jedes Unternehmen, weil es weiß, dass es dann, wenn es diese Schwelle unterschreitet, bei den Preisverhandlungen eine schlechtere Position hat.

Herr Minister, am besten holt man sich zuvor noch den Vermögenswert zurück, der vor sechs Jahren an die WestLB verschleudert wurde. Die Erlöse, die wir erzielen, sollten die Neuverschuldung senken. Wir stellen nur etwas über 80 % des geplanten Erlöses für diesen Zweck ein. Wollten wir die vom Finanzminister schon zur Haushaltsdeckung eingeplanten 100 Millionen € auch in die Schuldensenkung stecken, würden wir die Rezession mit massiven Kürzungen der Staatsausgaben verstärken. Das ist, wie gesagt, unangebracht.

Nun zu den Ausgaben: Wir wollen das Bildungssystem, die innere Sicherheit und die Investitionen stärken. Die PISA-Studie führt uns wieder einmal vor Augen, wie schlecht es um unser Bildungssystem bestellt ist. Ich will keine Schuldzuweisung betreiben, weil ich das albern finde. Wir müssen nach vorn und dürfen nicht nach hinten gucken. Die Debatte um die Stammzellenforschung verdeutlicht, wie Deutschland sich von der Spitze der Forschungswelt abzumelden droht. Dabei sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Menschen der entscheidende Faktor, der unseren Wohlstand sichert. Dieses Humankapital ist auch der entscheidende Faktor für die Bewältigung der Folgen der demographischen Entwicklung.

Damit dieses Kapital in einigen Jahren auch da ist, müssen wir jetzt etwas für das Bildungssystem tun. Deshalb schlagen wir vor: Wir wollen die Volkshochschulen stärken, damit sie die Aufgaben der Abendschulen übernehmen können und das Konzept des

lebenslangen Lernens noch besser mit Inhalt füllen können. Daher ergibt dies bei uns ein Plus von 2,1 Millionen €. Wir wollen die Tragödie des Unterrichtsausfalls mildern und deshalb mehr Lehrer für Haupt- und Berufsschulen einstellen. Da sind die Probleme am massivsten. Bei uns gibt es hier ein Plus von 50 Lehrerstellen.

Wir wollen den privaten Schulen die gleichen Möglichkeiten geben wie den staatlichen Schulen: plus 1,7 Millionen €. Teilweise ist es durch die Änderungsanträge von Sozialdemokraten und Grünen aufgefangen worden, für die ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken will.

Wir wollen einen Unterrichtsergänzungsfonds für die Berufsschulen gründen, damit das duale Ausbildungssystem leistungsfähig bleiben kann: plus 2 Millionen €. Wir werden noch im Jahr 2002 erleben, wie dringend notwendig dies sein wird, weil wir entsprechenden Nachwuchs für die Berufsschulen zur Gewährleistung des Unterrichts gar nicht generieren können.

Wir wollen den Wissenschaftsstandort SchleswigHolstein stärken und erhöhen deshalb die Forschungsmittel für unsere Universitäten, im Schwerpunkt bei den Universiätsklinika: plus 4,1 Millionen €. Zusätzlich entlasten wir das Umweltministerium von kaum zu bewältigenden Aufgaben gentechnischer Art und geben das Geld lieber dorthin, wo auch lohnender Output zu erwarten ist - an die Universität in Kiel -: plus 360.000 €.

(Beifall bei der FDP)

Dies ist ein Investitionspaket für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die innere Sicherheit verbessern, und zwar nicht durch immer neue Anforderungen an Polizei und Justiz. Die Sicherheitsbehörden sind schon zu schwach ausgestattet, um die jetzigen Aufgaben zu erfüllen. Die Bugwelle der Überstunden wird immer größer. Wie sollen zusätzliche Aufgaben dann die Sicherheit der Menschen im Lande erhöhen?

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Herr Kollege Hay, auch wir schließen uns selbstverständlich dem Dank an die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an. Aber wohlfeile Worte machen auf Dauer nicht satt und retten auch keine Familien.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der Dank dafür, dass einige Beamtinnen und Beamte seit Anfang des Jahres nahezu kein Wochenende mehr zu Hause bei der Familie verbringen durften, wird

(Wolfgang Kubicki)

dann ziemlich hohl, wenn diese Familien daran zu zerbrechen drohen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nein, wir halten uns an die Vernunft: Mehr Sicherheit entsteht durch Abbau von Vollzugsdefiziten, und Vollzugsdefizite werden kleiner, wenn mehr gut ausgestattete Beamte vollziehen können. Deshalb wollen wir über 60 zusätzliche Angestellte für die Polizei jetzt und nicht erst in drei Jahren einstellen. Diese Angestellten lösen dann Polizisten im Verwaltungsdienst ab, damit diese Polizisten wieder Vollzugsdienst leisten können. Die Mittel für die Ausstattung werden durch uns entsprechend erhöht.

Außerdem muss die Attraktivität des Polizeidienstes an die Anforderungen des Berufs angeglichen werden. Wir brauchen endlich größere Schritte bei der zweigeteilten Laufbahn in der Polizei.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb fordern wir den Einstieg und fördern ihn mit 3 Millionen €.

Zu den Investitionen. Humankapital ist der entscheidende Faktor für unsere Zukunftsfähigkeit. Humankapital ist mobil. Es wandert dorthin, wo es die günstigsten Bedingungen findet. Frische Luft, Frau Ministerpräsidentin, reicht dazu nicht aus. Wir brauchen vor allen Dingen auch eine gute Infrastruktur. Wir begrüßen es daher sehr, dass das Wirtschaftsministerium mehr in das Verkehrssystem investieren will. Deshalb konzentrieren wir unsere Investitionssteigerungen im Bereich der Landwirtschaft.

Die neu eingeleitete Welthandelsrunde und auch die Erweiterung der EU werden in den nächsten Jahren für die Öffnung unserer protektionierten Agrarmärkte sorgen. Deshalb investieren wir jetzt, um darauf vorbereitet zu sein.

Nicht nur das Land investiert in die Infrastruktur, auch die Kommunen, aber die Landesregierung nimmt ihnen dringend benötigtes Kapital weg. Aber das Land sollte seine Finanzprobleme nicht auf dem Rücken der Kommunen aussitzen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deshalb fordern wir, die Entnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich ab sofort zu unterlassen und das bis jetzt entwendete Kapital verzinst zurückzuzahlen: plus 15 Millionen € für unsere Kommunen. Ich sage an dieser Stelle noch einmal, Lothar Hay: Wir müssen das Verhältnis von Land und Kommunen auf neue Beine stellen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir müssen bei einer ernsthaften Debatte über die Freigabe der Standards nicht nur an Kostensenkungen denken - dies kann es auch sein; wir reden doch immer von Effizienzsteigerungen -, sondern wir müssen vor allen Dingen auch wieder daran denken, den kommunalen Entscheidungsträgern, den ehrenamtlich Tätigen, wieder mehr Entscheidungsspielraum zu verschaffen, denn sonst bekommen wir keine Leute mehr für diese Bereiche.

(Beifall bei FDP und CDU)

Selbstverständlich können wir die Kostentragungslast bei den Kindertagesstätten anders als gegenwärtig regeln und damit zugleich beiden Seiten dienen, ohne dass es eine Abschmelzung der Standards in diesem Bereich geben muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind die wichtigsten Vorschläge, mit denen wir Schleswig-Holstein wieder auf einen zukunftsträchtigen Kurs bringen wollen. Wir finanzieren diese Vorschläge durch Kürzungen bei Haushaltsansätzen für Überflüssiges oder für derzeit nicht Dringliches, auch wenn das für die Betroffenen selbstverständlich schmerzhaft ist. Aber Haushaltsansätze alleine reichen nicht aus. Auch die Organisation der staatlichen Aufgabenerfüllung und der Umfang rechtlicher Regulierungen haben großen Einfluss auf die Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft. Hier geht es um zwei Dinge: Erstens die Effizienz staatlichen Handelns und zweitens die Effektivität staatlichen Handelns. Bei der Effektivität geht es darum, die richtigen Sachen zu machen, bei der Effizienz darum, die Sachen richtig zu machen.

In einem kleinen Land wie Schleswig-Holstein reicht eine zweistufige Verwaltung aus, um staatliche Aufgaben zweckmäßig zu erledigen.

(Beifall bei FDP und CDU)