Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Beifall bei FDP und CDU)

„Zweistufig“ heißt kommunale Ebene plus Landesebene. Wir fordern die konsequente Umsetzung dieses Konzepts und wollen damit im Umweltbereich beginnen. Die staatlichen Umweltämter werden aufgelöst und die Aufgaben, so weit möglich, den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen. Wir rechnen hier mit Effizienzsteigerungen von 25 % oder 5,3 Millionen €.

Aber, wie gesagt, Haushaltsanträge und Reorganisation der öffentlichen Verwaltung reichen nicht aus, um Schleswig-Holstein auf Kurs zu bringen. Wir müssen auch die Regelungen überprüfen und zusammenstreichen, die sich nicht in Euro und Cent im Haushalt niederschlagen, aber trotzdem die Freiheit und damit die Leistungskraft der Menschen einschränken. Auch Gulliver wurde nicht mit einer großen Kette, sondern vielen kleinen Fäden wirkungsvoll gefesselt. Deshalb müssen wir nicht nur die Bruchbude der Landesfinan

(Wolfgang Kubicki)

zen sanieren, sondern auch zügig große Mengen Regulierungsschrott auf der Müllhalde der Landesgeschichte entsorgen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Dies ist heute nicht das Thema, aber es ist genauso wichtig wie geordnete Landesfinanzen.

Die Lage ist schon schlimm genug, wir müssen sie nicht dadurch verschlimmern, dass wir jetzt hektisch die Fassade der Landesfinanzbruchbude dürftig übertünchen. Wir sollten den Augiasstall konsequent ausmisten, indem wir die Ursachen unserer Probleme aus der Welt schaffen. Die FDP schlägt dazu den Einstieg in das einzig zweckmäßige, wenn auch schmerzhafte Sanierungskonzept vor: weniger Geld ausgeben, dabei zu den Kernaufgaben der Landespolitik umschichten und Schulden abbauen.

Eigentlich müsste die Landesregierung doch wissen, wie es geht. Oder hat sie die Botschaft der von ihr beschäftigten PR-Agentur nicht verstanden? Es ist doch vom „Unternehmen Schleswig-Holstein“ die Rede, von dem wir ständig - jedenfalls virtuelle - Erfolgsbilanzen erhalten. Unternehmen stehen ebenso wie Länder und Regionen im Wettbewerb. Um diesen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, müssen wir uns darauf ausrichten, die Wünsche potenzieller Kunden zu befriedigen, nicht unsere eigenen. Diese Regierung muss von der alten sozialistischen Vorstellung Abschied nehmen, sie entscheide auf Dauer darüber, was unter welchen Bedingungen zu welchen Preisen produziert wird, und die Kunden, die Unternehmen, die Bürgerinnen und Bürger hätten dies in Ermangelung einer Alternative zu akzeptieren. Wir müssen uns als Land diesem Wettbewerb stellen, das heißt schneller, besser, kostengünstiger sein und mehr Perspektiven als andere Regionen bieten, oder wir werden gnadenlos zurückfallen, mit allen Folgen für unser Wirtschafts- und Sozialgefüge. Wenn wir denn Wellnessstandort sein wollen - ich war gerade in einem Wellnessland wie Österreich; ich will es einfach einmal mit dem vergleichen, was dort tatsächlich passiert, und dem, was hier angekündigt wird -, dann muss ein entsprechendes auf die Bedürfnisse der potenziellen Nachfrage zugeschnittenes Angebot vorgehalten werden, und zwar nicht nur von der Regierung die ist dafür gar nicht zuständig -, sondern vor allen Dingen von Unternehmen im Lande.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber es muss den Unternehmen im Lande die Möglichkeit eröffnet werden, sich genauso zu positionieren. Dann muss man auch verhindern, Herr Wirtschaftsminister - Sie wissen das; ich bin sehr dankbar für ein

auch für mich sehr informatives Gespräch, das wir geführt haben; auch ich kann, das muss ich wirklich sagen, noch dazulernen -, dass von drei Tagen Kurzurlaub ein gesamter Tag auf Schleswig-Holsteins Straßen im Stau verbracht wird, sonst kommen die Kunden einfach nicht.

Wenn es denn stimmt, dass wir Urlaubsland sein wollen, dann stellt sich die Frage, warum die Ausbildung im Bereich Tourismus und Tourismusmarketing nicht konzentriert und erweitert wird, zum Beispiel am Standort der Fachhochschule Heide. Dann muss hier in Zusammenarbeit mit den großen Touristikunternehmen, den Carriern und den Veranstaltern, ein Ausbildungszentrum mit mehr als einem oder eineinhalb Lehrstühlen geschaffen werden.

Wenn es denn stimmt, dass Schleswig-Holstein im Bereich des wachsenden Gesundheitsmarktes seine Position ausbauen kann, dann muss eine Konzentration der medizinischen Ausbildung, des medizinischen Angebots in Zusammenarbeit mit den Firmen der Medizintechnik erfolgen, wobei der Standort nicht unter regionalpolitischen, sondern unter kundenspezifischen Gesichtspunkten gewählt werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es denn stimmt, dass das Image eines Unternehmens, eines Landes auch davon geprägt wird, wie innovativ es sich zeigt, dann ist die Debatte oder besser gesagt die Nichtdebatte über die Frage, ob und wie wir Gen- und Stammzellenforschung in SchleswigHolstein generieren, atemberaubend kontraproduktiv. Wer seine Kompetenz- und Produktfeder, so wie es die gegenwärtige Landesregierung tut, ständig selbst in Frage stellt, darf sich nicht wundern, dass die Kundennachfrage stagniert oder zurückgeht.

Herr Präsident, wir werden, habe ich vernommen, im nächsten Jahr eine Landtagsreise nach China machen.

(Lothar Hay [SPD]: Nicht der ganze Landtag, um Gottes Willen!)

- Wir, der Landtag, durch seine herausragenden Repräsentanten in Form der Fraktionsvorsitzenden, des Präsidenten und weiterer weniger ausgesuchter Persönlichkeiten!

(Heiterkeit)

Ich will die Debatte über den Transrapid gar nicht führen. Aber unter den Gesichtspunkten von Marketing und Imagebildung ist es vergleichsweise komisch, dass wir möglicherweise in der Nähe von Schanghai in

(Wolfgang Kubicki)

den Transrapid einsteigen, der in Deutschland entwikkelt worden ist, und bei uns gibt es keinen.

(Holger Astrup [SPD]: Sie können auch ins Emsland fahren!)

Unter dem Gesichtspunkt der Imagebildung ist es extrem kontraproduktiv, dass uns gesagt werden kann: Ihr wart das einzige Bundesland, das gegen die Einführung einer solchen Strecke geklagt hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Man muss sich heute einmal mit den Unternehmen ADtranz und Siemens unterhalten. Die Chinesen sind gar nicht blöd. Die sagen jetzt: Wir bauen die Werke für die Produktion dieser Einrichtungen bei uns und übernehmen die weltweite Vermarktung - und die Siemens-Manager und -Ingenieure kommen in diese Werke gar nicht mehr rein.

Ich will damit nur Folgendes sagen. Da entwickelt sich im asiatischen Raum wieder etwas an uns vorbei für etwas, was hier erdacht und entwickelt worden ist und die Wertschöpfung daraus gibt es woanders. Es gab dafür schon viele glorreiche Beispiele. Ein Land wie Schleswig-Holstein, klein und schlau, das von seinem Image lebt, muss, wenn es Leute attrahieren will, aufpassen, dass es nicht das Image erhält, innovationsfeindlich zu sein.

(Beifall bei der FDP - Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Den Wissenschaftsstandort Schleswig-Holstein gibt es überwiegend nur noch in regierungsamtlichen Verlautbarungen und in nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Parlamentsdebatten. In Wirklichkeit - das belegt nicht nur die PISA-Studie sind wir bereits weit zurückgefallen. Dazu passt eine Meldung, die heute dpa auf den Markt gebracht hat, 09:06, Kiel:

„Die Professoren der Universität Kiel werben im Durchschnitt weniger Drittmittel von privaten und öffentlichen Einrichtungen ein als ihre Kollegen im Bundesgebiet insgesamt. Der Bundesdurchschnitt lag nach den jüngsten Angaben des Statistischen Landesamtes von Mittwoch 1999 bei 200.100 Mark... Die Kieler Uni kam je Professorenstelle auf 173.400 Mark. Am erfolgreichsten waren die Professoren der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen mit durchschnittlich 603.800 Mark.“

Man mag das beklagen. Aber das ist symptomatisch. Auch an dieser Stelle sage ich: Wer dazu beiträgt, dass herausragende Wissenschaftler mit weltweitem Ruf das Land verlassen und das als Ausweis einer erfolg

reichen Bildungspolitik betrachten, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden, Frau Ministerin. Wir müssen solche herausragenden Leute bei uns attrahieren. Sie müssen zu uns kommen und hier sein, damit wir auf diese Art und Weise neue Leute an Schleswig-Holstein binden können. Nur dann werden wir erfolgreich sein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn wir jetzt nicht alle Anstrengungen unternehmen, unser Land wirklich offensiv im internationalen Wettbewerb zu positionieren, werden wir auch im Verhältnis zu anderen Regionen Deutschlands und Europas erleben, dass deren Rücksichtnahme auf unsere Zögerlichkeit, auf unsere Zurückhaltung und auf unsere mangelnde Wahrnehmung von Chancen eher begrenzt sein wird. Es bedarf eines Umsteuerns in der Landespolitik. Es bedarf des Initiierens einer Aufbruchstimmung, der Vermittlung einer optimistischen Entwicklungsperspektive. Rot-Grün - dies haben die letzten Jahren zur Genüge bewiesen - ist dazu nicht in der Lage. Um in der Sprache der Wirtschaft zu bleiben: Frau Ministerpräsidentin, Sie betreiben eine falsche Modellpolitik.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich neue Gäste begrüßen: Neben den Damen und Herren des Blinden- und Sehbehindertenverbandes haben wir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer der Realschule Büchen und der Beruflichen Schule am Schützenpark in Kiel. - Herzlich willkommen Ihnen allen auf der Tribüne!

(Beifall)

Ich erteile jetzt dem Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Herbst letzten Jahres dachte ich noch, 2001 würde ein ruhiges und einfaches Jahr werden, ein Jahr der Konsolidierung, ein Jahr, in dem keine Wahl stattfindet und in dem in Ruhe und Kontinuität wichtige Reformvorhaben für dieses Land angepackt werden können, und die Sanierung des Landes einen Schritt vorankommt.

Nach diesem Jahr staune ich, dass einige meiner Vorredner so geredet haben, als könnte man die Haushaltsrede vom letzten Jahr einfach wiederholen. Insgesamt möchte ich vier neue Herausforderungen nennen,

(Karl-Martin Hentschel)

die dieses Jahr verändert haben und die diesen Haushalt massiv geprägt haben. Das erste dieser vier Ereignisse - von einigen ist es schon fast vergessen worden waren BSE und seine Folgen, das zweite ist New York - das ist uns noch ganz gegenwärtig -, das dritte sind die Wirtschaftsentwicklung und die Steuereinnahmen und das vierte - ganz aktuell - sind die Bildungsdiskussion und PISA. Diese vier Ereignisse haben den Landeshaushalt in einer Weise geprägt und verändert, die vor einem Jahr noch niemand geahnt hätte.

Ich beginne mit dem Stichwort BSE. BSE hat die Einstellung zur Landwirtschaft nachhaltig verändert. Ich weiß, dass es hier einige gibt, die immer noch glauben, dass das nur eine vorübergehende Krise gewesen sei. Aber ich sage Ihnen: Sie irren sich.

Die Landesregierung hat zum Glück wichtige Konsequenzen gezogen und ist nicht dieser Meinung. Das ist gut so. Dafür danken wir der Landwirtschaftsministerin.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Renate Gröpel [SPD] und Lars Harms [SSW])

Die Förderung für ökologische Landwirtschaft wurde fast verdoppelt, die Vermarktung wird besser gefördert, die einzelbetriebliche Förderung wird neu gestaltet. Das alles ist kein einfacher Prozess. Wenn in den nächsten Jahren die Modulation bei den EUSubventionen, die es endlich ermöglicht, von der produktbezogenen Förderung wegzukommen, schrittweise ausgeweitet wird, dann ist das eine große Chance. Aber ich weiß auch: Es bereit dem noch rot-blonden Staatssekretär Altmann auch heute schon zumindest virtuelle graue Haare, wenn er daran denkt, dass er angesichts der Knappheit der Mittel die Kofinanzierung hinbekommen muss.

Das zweite Stichwort, das diesen Haushalt prägt, ist New York. Die Ereignisse von New York konnten und durften auch an unserem ruhigen Land nicht spurlos vorübergehen. Sie mussten auch bei uns Konsequenzen haben, die von der Landesregierung für die Polizei, für die Justiz, für den Verfassungsschutz und für den Katastrophenschutz richtigerweise gezogen wurden und die in weiten Teilen einmütig von allen Fraktionen unterstützt werden.

Zugleich ist der Haushalt ein wichtiger Schritt, um die sowieso angespannte Situation der Polizei zumindest mittelfristig zu entspannen, kurzfristig zunächst einmal durch die Vergütung von Überstunden. Dass es gelungen ist, wichtige Ausrüstungsvorhaben endlich anzupacken, wie die Ausstattung mit neuen Dienstwagen, die Ausrüstung mit individuellen leichten Schutzwesten und bald auch mit modernen PCs, ist ebenfalls

erfreulich und wird von uns ausdrücklich unterstützt. Denn wir wollen eine gut ausgestattete, gut ausgebildete, motivierte und bürgerfreundliche Polizei. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Lebensqualität in diesem Land.

Dass die CDU hier eine Pirouette dreht und zu den von Minister Buß vorgeschlagenen neuen Stellen noch ein paar Millionen DM drauflegen will, betrachte ich eher mit einem gewissen Schmunzeln. Irgendwas musste die Opposition ja vorschlagen. Peinlich ist allerdings, wenn diese Mehrausgabe von 6 Millionen DM durch eine globale Minderausgabe im gleichen Haushalt von 5 Millionen DM gegenfinanziert wird.