Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

New York. Wir sehen dies in Lübeck. Herr Garg, dies macht eben den Unterschied aus. Ich bin stolz auf meine Heimat, und ich bin ein ganz bewusster Nordfriese. Ich bin stolz darauf, dass dieses Wattenmeer, dieses nordfriesische Gebiet geeignet ist, als Welterbe anerkannt zu werden. Ich finde, dafür brauche ich mich nicht zu schämen, Herr Dr. Garg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Diese Ängste sind verständlich. Aber machen wir uns nichts vor: Unser Hinterhof ist schon längst entdeckt, der gehört uns schon lange nicht mehr, wir können mit ihm schon lange nicht mehr machen, was wir wollen. In Wahrheit hat es ihn nie gegeben, denn es ist ein allgemeines Gebiet, das uns allen in dieser Nation gehört.

Wir müssen unser Welterbe bewahren, es weise und klug nutzen. Damit komme ich in der Tat zum wichtigsten, was die Konferenz auch gesagt hat: Kommunikation, Information und Teilhabe. Wir müssen weg von der stupiden und sturen Konfrontation. Gemeinsam müsse wir uns überlegen, was wir aus der neuen Situation, und zwar zum Nutzen der Menschen, machen können. Immer am Alten harren ist eine Sache, aber hier haben sich die Dinge grundlegend geändert. Die Nordfriesen sind in der Regel geschäftstüchtig genug, dass sie diese Situation erkennen und auszunutzen verstehen. Gehen Sie nach Nordfriesland! Sie werden sehen, wie stolz man dort bereits auf den Nationalpark ist. Selbst Pellworm vermarktet ihn zum Nutzen von Pellworm und der ganzen Region.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

In der Tat brauchen wir weiterhin die offene Diskussion, und zwar in allen Kreisen der Bevölkerung, nicht nur bei den wenigen, die dagegen sind.

Wir haben ein Entwicklungskonzept für die Westküste auf die Bahn gebracht. Hier gäbe es Möglichkeiten, alle Gedanken einzubringen und wirklich einmal etwas für die nachhaltige Entwicklung der Westküste zu tun, damit sie auch weiterhin wirtschaftlich gedeihen und ihre Defizite ausgleichen kann. Hier, meine Damen und Herren, liegt unsere Chance, nicht im bloßen Neinsagen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Dr. Christel Happach-Kasan.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich wiederhole mich ungern, aber Sie können sich vorstellen, dass ich mit diesem Bericht nicht zufrieden bin.

(Beifall des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Ich bin ganz froh, dass das Internet inzwischen Transparenz gewährt und man sich die Informationen dort besorgen kann und auf Ihre Informationspolitik nicht mehr angewiesen ist.

Herr Kollege von Hielmcrone, ich verstehe nicht ganz, dass Sie diesen Bericht so sehr verteidigt haben. Ihr Husum-Büchlein ist wirklich nicht so schlecht, als dass Sie einen solchen Bericht als Maßstab der Dinge nehmen müssten.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU)

Dieser Bericht der Landesregierung zur Trilateralen Wattenmeerkonferenz ist ungefähr so informativ wie die Aussage „Nachts ist es kälter als draußen“. Damit kann man nichts anfangen, deshalb haben wir in das Internet geguckt.

Sie stellen in diesem Bericht fest, welch großer Konsens zwischen den drei großen Wattenmeer-Anrainerstaaten entstanden sei. Ich kann dazu nur sagen: Einen großen Konsens zu erzielen, ist kein Problem, wenn man jedes Mal beschließt, die strittigen Punkte auf die nächste Konferenz zu verschieben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Strittige Punkte gibt es nämlich. Wenn diese aber immer wieder ausgeklammert werden, verkommt der Konsens zum Nonsens. Die Einrichtung der Trilateralen Wattenmeerkonferenz ist uns dafür zu schade.

Einer dieser strittigen Punkte ist seit Jahren die Stellnetzfischerei im dänischen Wattenmeer. Nach Äußerungen des WWF stirbt pro Stunde ein Schweinswal in einem Stellnetz. Das sind 20 tote Wale am Tag oder 7.500 im Jahr und das sind 7.500 zu viel.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Auf dem Papier - ich wiederhole: auf dem Papier -, Herr Minister, wird nun die Beifangrate reduziert. Aber wer soll die Verminderung denn eigentlich kontrollieren? Das heißt aber auch: Beim Thema Walschutz hat sich Schleswig-Holstein trotz der eigenen Vorleistung nicht durchgesetzt.

An diesem Beispiel wird aber noch etwas anderes sichtbar, nämlich dass die Dänen ihre wirtschaftlichen

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Interessen gegenüber den Forderungen der übrigen Wattenmeer-Anrainerstaaten verteidigen. Unsere Landesregierung dagegen ist stolz darauf, die wirtschaftlichen Interessen der Westküste preisgegeben zu haben. Genau aus diesem Grund verfolgen die Menschen an der Westküste den Prozess der trilateralen Kooperation weitgehend mit Misstrauen. Sie können sich auf die Wahrung ihrer Interessen durch die Landesregierung nicht verlassen. Genau deswegen mahnt Kollege Maurus immer wieder die Beteiligung der Bevölkerung vor Ort an, damit sie Vertrauen in diesen Prozess gewinnen kann.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ein weiterer Punkt meiner Kritik betrifft die Anmeldung des Wattenmeerschutzgebiets zum Welterbe bei der UNESCO. Die Beschlussfassung darüber ist verschoben worden. Sie verschweigen im Bericht den Teil des Protokolls der Wattenmeerkonferenz, in welchem ausdrücklich bestätigt wird, dass „Landschaft und kulturelles Erbe des Wattenmeeres“ von „herausragendem Wert“ sind. Seit der Konferenz in Stade besteht übrigens auch Einigkeit über den Erhalt gerade der kulturhistorischen Elemente des Wattenmeeres.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Demzufolge wird vom LANCEWAD-Bericht und vom Burbridge-Bericht gefordert, dass die Gebiete des Trilateralen Wattenmeerplans auch als Kulturerbe angemeldet werden sollen. Es ist darüber hinaus bekannt, dass die Niederländer nur einer gleichzeitigen Ausweisung des Gebietes als Natur- und Kulturerbe zustimmen wollen.

Über die Bedeutung des Kulturerbes Wattenmeer habe ich dem Ausschuss die Ausführung des Landesarchäologen Professor Dr. Reitzstein zur Kenntnis gegeben. Er hat gleichzeitig festgestellt, dass die zur Verfügung stehende Zeit von zwei Jahren gar nicht ausgereicht hat, die Reste vergangener Kulturlandschaften im nordfriesischen Wattenmeer zu erfassen. Auf der Konferenz von Esbjerg wurde die Anmeldung des Wattenmeeres als Particularly Sensitive Sea Area bei der IMO in London beschlossen. Die FDP-Fraktion ist damit durchaus einverstanden, aber wir meinen, die Bedenken müssen berücksichtigt werden. Herr Steinicke aus dem Bundesverkehrsministerium vertritt die Auffassung, dass die Ausweisung eines PSSAWattenmeeres durch die IMO in inneren Küstengewässern, also landseits des Küstenmeeres, nicht möglich ist. Wir wollen einfach die klare Aussage haben: Ist es möglich, ist es nicht möglich? Wie gehen wir weiterhin vor, damit wir unser Wattenmeer vor Schiffsunfällen auch tatsächlich schützen? Ich begrüße auch dies will ich hier sagen -, dass vorher auch das

grundsätzliche Einverständnis der Kreise Nordfriesland und Dithmarschen für ein PSSA eingeholt worden ist.

Zum Bereich nachhaltiger Tourismus - dieses Thema ist für die Westküste von ungeheurer Bedeutung - ist der Bericht gerade einmal fünf Zeilen lang. Er erschöpft sich in der Selbstverständlichkeit, dass die Anstrengungen unterstützt werden, „einen Aktionsplan für einen nachhaltigen und sanften Tourismus im Trilateralen Wattenmeer einzuführen“. Die Frage wäre aber gewesen, was die Trilaterale Wattenmeerkonferenz über ein pauschales „Wir finden euch toll“, von sich aus für die Stärkung und Weiterentwicklung eines nachhaltigen Tourismus an der Westküste beschlossen hat. Dazu sagt der Bericht nichts.

Insgesamt, Herr Minister, ist das ein selektiver Bericht. Insgesamt, Herr Minister, will ich auch das eine noch anfügen: Wenn wir die Wahrnehmung der Berichtspflicht durch Sie mit einer Zeugenaussage vor Gericht verglichen, dann erfüllte sie den Tatbestand der Falschaussage. Sie lassen - möglicherweise fahrlässig - Tatsachen aus und erzeugen damit einen falschen Eindruck von den realen Geschehnissen. Ich finde, das können wir als Parlament uns nicht weiter bieten lassen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich beantrage die Überweisung des Berichts an den Umweltausschuss. Ich möchte darum bitten, dass wir uns darauf einigen, mit der Befassung so lange warten, bis die deutsche Übersetzung der Esbjerg Wadden Sea Declaration vorliegt, damit wir auf der Grundlage der Originaldeklaration und nicht auf der Grundlage dieser fünf Seiten plus neun Zeilen Bericht diskutieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Irene Fröhlich das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war wohl auch eine PR-Nummer!)

Sie müssen nicht immer von sich auf andere schließen. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die mittlerweile bereits mehr als zwanzigjährige trilaterale Zusammenarbeit von Dänemark, den Niederlanden und der Bundesrepublik ist ganz ohne Zweifel eine Erfolgsstory - besonders, wenn man sich anschaut, mit welchen kleinen Schritten sie angefangen hat. Es ist eine Erfolgsstory, die weltweit einzigartig ist. Nirgendwo sonst in der Welt wird im

(Irene Fröhlich)

Naturschutz und bei der Sicherung eines einzigartigen Lebensraumes für Pflanzen, Tiere und Menschen so intensiv und kontinuierlich auf staatsübergreifender Ebene zusammengearbeitet. Ich finde, das darf man auch einmal würdigen, das muss man nicht immer nur schlecht reden. Sonst bekommt man nämlich die Kommunikation, die immer wieder gefordert wird, überhaupt nicht hin. Denn etwas, was immer nur als schlecht dargestellt wird, interessiert an der Westküste keinen Menschen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir re- den doch nur über den Bericht!)

Nicht allein die regelmäßigen Treffen der Umweltminister bei den trilateralen Regierungskonferenzen alle drei bis vier Jahre -, die natürlich besonders im Licht der Öffentlichkeit stehen, sind das eigentlich Entscheidende: Auf der Arbeitsebene gibt es intensive Kontakte und eine lebendige Zusammenarbeit. Zwischenzeitlich ist diese Zusammenarbeit durch die Regierungen noch um eine Zusammenarbeit der Regionen ergänzt worden. Das Wattenmeer mit seiner Umgebung zeigt sich hier also im wahrsten Sinne des Wortes als eine zusammenwachsende europäische Region. Auch die jüngste Trilaterale Wattenmeerkonferenz in Esbjerg im vergangenen Monat zeigt, wie wertvoll und gut die Zusammenarbeit der drei Wattenmeer-Anrainerstaaten ist. Wir als Land sind Dank unseres Umweltministers in einer aktiven Rolle, gemeinsam mit den anderen Küstenländern Niedersachsen, Hamburg und Bremen. Das möchte ich ausdrücklich betonen: Aber das ist nicht nur der Umweltminister; dazu gehört auch sein Haus, dem ebenfalls Dank gebührt.

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Und dem Fuhrpark!)

In meinen Augen stellen sich die Schiffssicherheit, die Fortführung des Beteiligungsverfahrens zum Welterbe und die Einrichtung eines Wattenmeerforums als die drei wichtigsten Themen der Konferenz dar. Das straft Sie, Herr Maurus, eben nicht immer die Wahrheit gesagt zu haben.

Erstens. Das Wattenmeerforum stellt eindeutig die Beteiligung der Bevölkerung an der Westküste klar. Wenn Sie, Herr Maurus, eben das Gegenteil behauptet haben, dann ist das - das will ich Ihnen ganz deutlich sagen - infam.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Lars Harms [SSW]: Das ist nicht wahr!)

Mit der lange erhobenen Forderung -

(Zurufe von der CDU)

- Hören Sie mir lieber einmal zu! Das würde Ihnen besser bekommen!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Haben Sie etwas Falsches gegessen?)

Mit dem Wattenmeerforum steht nun der lange erhobenen Forderung, die Bewohner an der Westküste des Wattenmeergebietes stärker in die trilaterale Kooperation einzubeziehen, endlich entsprochen. Aber Ihnen ist es immer noch nicht Recht.