Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

(Rainder Steenblock)

Schulsports bildet der außerunterrichtliche Bereich, der mit der endlich in Schwung gekommenen Ganztagsschuldebatte sicherlich eine neue Bedeutung gewinnt. Dadurch haben wir die Chance, im außerschulischen Bereich - gerade in Kooperation mit den Vereinen - neue Angebote für Schülerinnen und Schüler in diesem Freizeitbereich zu schaffen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der außerunterrichtliche Schulsport bildet die Brücke vom Sportunterricht zum Breitensport, der im Wesentlichen von den Vereinen repräsentiert wird. Hier gibt es in Schleswig-Holstein sehr gute Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen. Die Ministerin hat auf unsere Modelle hingewiesen. Ein wichtiger Partner ist der Vereinssport. Er bietet den Schülerinnen und Schülern nicht nur die Möglichkeit, eine große Palette wettkampfgebundener Sportarten zu realisieren, sondern auch freie Spiel- und Sportgelegenheiten kennen zu lernen und auszuüben. Darüber hinaus bietet er - das ist im Vereinssport ganz wichtig - stabile soziale Strukturen, Erfahrungsbereiche, in denen sich Kinder und Jugendliche in der Gruppe, aber auch individuell, wohl fühlen können. Deshalb sind wir alle aufgefordert, dies zu fördern. Deshalb bedanke ich mich auch bei der CDU-Fraktion, dass sie zum Schulsport diese Fragen gestellt und damit die Diskussion ermöglicht hat. Ich bedanke mich aber auch bei der Kultusministerin, die die Initiative ergriffen hat, das nächste Jahr zum Schulsportjahr hier in SchleswigHolstein zu machen. Ich glaube, das ganze Parlament ist aufgefordert, durch unsere aktiven Beiträge in diesem Jahr junge Menschen zu motivieren, Vorbild zu sein und

(Ein Handy klingelt)

- Entschuldigung -, ein Stück weiter die Initiative zu ergreifen.

(Heiterkeit und Beifall)

Es gibt keinen Grund zu tadeln, er hat ja nicht telefoniert!

(Heiterkeit)

Ich erteile jetzt das Wort für den SSW Frau Abgeordneter Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ein Novum.

Das Jahr 2002 hat die Bildungsministerin zum Jahr des Schulsports in Schleswig-Holstein erklärt. Sie hat sich dazu auch schon geäußert. Das heißt, im kommenden Jahr wird es ganz viele Veranstaltungen zum Thema Schulsport geben und - was noch viel wichtiger ist - es soll sehr viel Sport betrieben werden.

Nun kann man natürlich der Meinung sein, dass mit solchen besonderen Jahren nichts erreicht wird, dass sie eher wie Feiertage wirken, wo es doch auf die Arbeit im Alltag ankommt. Es mag sein, dass das die Erklärung dafür ist, dass sich die Große Anfrage der CDU-Fraktion zum Thema Sport in SchleswigHolstein weniger mit Projekten oder mit der Bewertung von Projekten befasst als mit dem Abfragen von Strukturen. Hinzu kommt, dass sich sechs von acht Fragenkomplexen mit dem Zusammenhang von Sport und Unterricht auseinander setzen. Es geht um Lehrpläne, um Unterrichtsausfall, um Sport in den verschiedenen Schularten, um Lehreraus- und -fortbildung und um die Förderung von sportlich hoch begabten Schülerinnen und Schülern. Das ist legitim, das kritisiere ich nicht, ich stelle es nur fest.

In den letzten beiden Abschnitten geht es dann um Kooperationen und um verschiedene Aspekte der Verbandsarbeit. Mit anderen Worten, aus der Sicht des SSW wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Problemstellung Sport in Schleswig-Holstein nicht so eng definiert worden wäre.

(Beifall des Abgeordneten Helmut Jacobs [SPD])

Das hatte nämlich zur Folge, dass das herausragende Projekt „Sport gegen Gewalt, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“ des Landessportverbandes in Zusammenarbeit mit der Landesregierung in der Großen Anfrage völlig unerwähnt geblieben ist. Darüber habe ich mich gewundert, weil das eine Initiative ist, die bundesweit Beachtung gefunden hat.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jutta Schümann [SPD])

Zu Recht wies der damalige Sportpräsident Hans Hansen in der Ausgabe von „Sport News“ im Dezember 2000 darauf hin, dass sich Schleswig-Holstein gern und selbstbewusst als ein weltoffenes und ausländerfreundliches Land darstellt, dass aber zunehmende Gewaltbereitschaft, rechtsextremistische Ausfälle und gezielte Aktionen gegen Ausländer den Norden der Republik nicht unberührt lassen. Seine Schlussfolgerung daraus lautete:

„Der Sport ist in der aktuellen Situation aufgerufen, seine Stärken und Möglichkeiten

(Anke Spoorendonk)

zum Erhalt der demokratischen Werte aktiv darzustellen und einzusetzen.“

Und er fügt hinzu:

„Die Experten sind sich in ihrem Votum einig: Gegen Ausländerfeindlichkeit und rechtsextremistische Gewalt hilft vor allem Vorbeugung. Diese Erkenntnis ist für den Sport nicht neu - und sie wird durch Handeln umgesetzt. Kinder und Jugendliche lernen in ihrer Sozialisation durch eigenes Erleben und durch ihre Vorbilder. Eigenes Erleben im Sport heißt, die Integration eines ausländischen Kindes als normalen Prozess wahrzunehmen, wenn es das erste Tor für die eigene Mannschaft schießt. Und Lernen über das Vorbild? - Untersuchungen belegen, dass prägende Autoritäten immer seltener in den Eltern oder Pädagogen gesehen werden, sondern deren Rolle zunehmend durch ehrenamtlich wirkende Übungsleiter und Betreuer eingenommen wird. Im Sport - langfristig angelegt - können Brücken des Vertrauens als wesentliche Bausteine sinnvoller Vorbeugung gebildet werden.“

Das war ein langes Zitat, aber ich denke, treffender kann nicht gesagt werden, was der Kern des Projektes Sport gegen Gewalt ist. Es würde zu weit führen, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Doch lassen Sie mich noch in Erinnerung rufen, dass dieses LSV-Projekt bereits seit 1994 existiert. Es sollte letztes Jahr auslaufen, wird aber nun als unbefristetes Programm weiterlaufen. Das bedeutet - es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen -, dass mittlerweile über 2.000 Jugendliche in mehr als 80 Gruppen - unter ihnen auch ganz viele Jugendliche aus Migrantenfamilien - betreut werden. In einer wissenschaftlichen Studie der Kieler Universität ist zudem nachgewiesen worden, dass das Projekt auch wirklich seine kritische Zielgruppe erreicht.

Das Bestechende an der Konzeption ist erstens die Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Institutionen, das heißt, mit den Schulen, den Kirchen, den Trägern der Jugendhilfe, den Gewerkschaften, der Polizei und den Kommunen. Zweitens werden dadurch die Kinder und Jugendlichen aktiviert, die nicht oder vielleicht noch nicht Teil des Systems, das heißt, Mitglied eines Sportverbandes oder Sportvereins sind. Neben der Präventionsarbeit wird dadurch also auch ein Stück Erziehung zur Demokratie geleistet. Ich finde, das ist bemerkenswert und muss erwähnt werden, wenn es in einer Großen Anfrage um Sport in Schleswig-Holstein geht.

(Beifall beim SSW)

Dieser Ansatz ist mir auch sehr wichtig - das ist heute schon gesagt worden - im Hinblick auf die Rahmenbedingungen für viele Kinder und Jugendliche. Die Antwort auf die Große Anfrage gibt dazu einige Anhaltspunkte. Die Kinder und Jugendlichen sitzen nämlich bis zu zehn Stunden täglich in der Schule, vor dem Fernseher oder vor dem PC. Die Folgen sind - auch das haben wir schon gehört - Haltungsfehler, Übergewicht, Koordinationsschwächen und - wie es heißt „eine deutliche Zunahme im Bereich Depression und Aggression“. Vor diesem Hintergrund ist das Projekt Sport gegen Gewalt ein voller Erfolg.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wie schon gesagt, befasst sich die Große Anfrage der CDU-Fraktion in erster Linie mit dem Thema Sport in der Schule. Das ist legitim, das begrüßen wir auch. Wir begrüßen aber auch, dass die Landesregierung ausdrücklich hervorhebt, dass weder der Vereinssport noch Sportarbeitsgemeinschaften den Sportunterricht der Schule ersetzen können. Der Sportunterricht wird in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Darin sind sich die Experten einig - nicht zuletzt auch, weil es erwiesen ist, dass Defizite in der Motorik der Kinder ihre Lernfähigkeit beeinträchtigen. Viele Lehrerinnen und Lehrer wissen ein Lied davon zu singen, dass die Kinder montags dazu neigen auszurasten, weil sie am Wochenende viel zu wenig Bewegung bekommen haben. Hinzu kommt, dass eine wachsende Anzahl von Kindern aus motorischen Gründen Lernschwächen aufweist. Das heißt, für die Aus- und Fortbildung von Sportlehrern müssen neue Schwerpunkte gesetzt werden.

Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich, wie die Situation des Sportunterrichts ist. Die Einzelheiten lasse ich jetzt weg, darauf können wir gegebenenfalls im Ausschuss eingehen. Wesentlich finde ich, dass sie auch einen Überblick darüber vermittelt, was in den letzten Jahren im Bereich Sport für behinderte Kinder und Jugendliche gemacht worden ist. Es war beeindruckend, das zu lesen.

Ich bleibe aber dabei, dass ich mir insgesamt eine andere Gewichtung der Fragestellung gewünscht hätte. Schade, dass das nicht dabei herausgekommen ist.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Helmut Plüschau.

Herr Präsident! Liebe Sportlerinnen- und Sportlerkollegen! Der Titel der Großen Anfrage der CDU zum Sport in Schleswig-Holstein hätte korrekt lauten müssen: Schulsport in Schleswig-Holstein. Nur neun von 43 Seiten berühren den Vereins-, Spitzen- und Breitensport in seiner großen Vielfältigkeit. Der immer bedeutender werdende kommerzielle Sport ist überhaupt keiner Frage wert. Wenn Sie sich einmal im Lande umschauen, welchen Boom er dort ausgelöst hat, werden Sie erstaunt sein.

(Unruhe)

Es scheint, als habe der Fragesteller nicht wahrgenommen, dass der Vereinssport in die Autonomie des LSV fällt. Sonst hätte man nicht die Landesregierung gefragt, die diese Fragen dankenswerterweise an den LSV weitergeleitet hat.

Ich danke übrigens auch dem Kollegen Steenblock dafür, dass er dem Kollegen Hildebrand ein wenig Nachhilfeunterricht in der Bedeutung des Breiten- und Spitzensports in Schleswig Holstein gegeben hat. Die größte Bürgerbewegung in diesem Lande mit fast 1 Million Mitgliedern hat eine umfassende Würdigung verdient.

(Beifall bei SPD und SSW)

Senioren, Integration, Behindertensport, Sport gegen Gewalt und Sport und Umwelt haben eine so große Bedeutung im LSV gewonnen, dass er es wirklich einmal verdient hätte, gewürdigt zu werden.

(Minister Klaus Müller: Das stimmt!)

Die am 3. Dezember stattgefundene Sportlerehrung sie hätten einmal dabei sein müssen, Herr Hildebrand, als der Sportminister und der Präsident die Spitzensportler geehrt haben, hat verdeutlicht, was wir für hervorragende Sportlerinnen und Sportler haben. Im Rudern und im Behindertensport stellen wir Weltmeister. Das haben Sie ausgeblendet, weil Sie weit vom Schuss sind. Natürlich stehen im Lande die traditionellen Sportarten im Vordergrund: Handball, Segeln, Reiten, Rudern, Rollsport. Dass wir im Wintersport keine Rolle spielen, versteht sich beim Bungsberg von selbst.

Kaum wahrgenommen wird, dass im Lande SchleswigHolstein die Golfsportvereine auf nationaler Ebene eine große Rolle spielen.

(Zurufe)

Wir stellen hier im Jugendbereich mehrere deutsche Meister. In Dänemark ist Golf sogar Schulsport.

Auf Seite 36 des Berichts wird nach der Talentförderung gefragt. Wohin zielt diese Frage? Denken Sie an die Kaderschmieden nach dem Muster des verblichenen Ostblocks, die zum Ruhme des Nationalstaates und seiner Leistungsfähigkeit herhalten mussten? „Wehret den Anfängen!“ kann ich nur sagen. Lasst es dort, wo es bisher gut organisiert ist: Beim LSV und den Sportverbänden! Unsere Sportverbände sind in ihrer Autonomie auf dem richtigen Wege.

Die Initiative zur Integration der Talente aus dem Schulsport hin zur Leistung geht oft deckungsgleich ineinander über. Die Übungsleiter in den Sportvereinen werden oft aus dem Schulsport gestellt beziehungsweise es sind Lehrer.

Ich möchte einmal aus meinem engeren Bereich berichten, dass zum Beispiel in meiner Heimatstadt der SC Rist Wedel - das wird in Kiel, Flensburg, Schleswig oder sonst wo kaum wahrgenommen - in der ersten Bundesliga des Damenbasketballs spielt und den Pokal gewonnen hat,

(Beifall)

dass die erste Herrenmannschaft in die erste Bundesliga hätte aufsteigen können, wenn das Geld und Sponsoren vorhanden gewesen wären. Hamburg rechnet den SC Rist Wedel übrigens zu seinem Bereich und würdigt ihn im „Hamburger Abendblatt“ und allen überregionalen Blättern.

(Zurufe: Unerhört!)

Es wird der Bedeutung des Sports aus diesem Bericht heraus nicht gerecht, wenn man bei der verkürzten Fragestellung bleibt. Daher rege ich an, die Leistungen des LSV, der Sportverbände und der Sport Treibenden in einem umfassenden Angebot auf den Weg zu bringen und fortzuschreiben, um zu dokumentieren, dass der Sport in Schleswig-Holstein eine hervorragende Rolle spielt. Packen wir es an! Wir sind dabei.