Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Am Beginn des Jahres 2001, vor also ziemlich genau 12 Monaten, stand die Erkenntnis, dass der Weg der Verselbstständigung noch nicht ausreicht. Die Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein ist nach wie vor zu teuer. Fast 40 % der Hochschulausgaben im Landeshaushalt entfallen auf die beiden Klinika. Wir haben das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Denn steigenden Ausgaben für Personal- und Sachkosten stehen stagnierende beziehungsweise rückläufige Einnahmen gegenüber - dies nicht nur aus dem Landeshaushalt, sondern vor allem deswegen, weil die Budgets der Krankenkassen auf niedrigem Niveau

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

gedeckelt sind und auch bleiben und weil die Umstellung der Kassenabrechnung auf die Fallpauschalen im nächsten Jahr bevorsteht - noch niemand weiß genau, was das für die Hochschulklinika wirklich bedeutet. Dadurch ist übrigens auch die Varianz in den Defizitaussagen zu erklären, die die Gutachter machen. Die Landeszuschüsse werden in den Jahren 2002 bis 2005 um insgesamt 19 Millionen DM weiter sinken. Dies ist auch ohne Alternative - das sage ich in aller Klarheit in Bezug auf den Landeshaushalt und in Bezug auf den hohen Anteil der Medizinkosten für die Hochschulen insgesamt.

Diese Lage - allein für das Jahr 2002 befürchten die Vorstände ein Defizit von 27 Millionen DM - ist nur mit gravierenden Veränderungen zu meistern. Eine der gravierendsten Veränderungen ist die Zusammenführung der beiden Universitätsklinika zum 1. Januar 2003 mit der Zielsetzung, ein Klinikum SchleswigHolstein auf den Weg zu bringen. Das ist ein wirklich schwieriges und ehrgeiziges Unterfangen. Es verlangt viel Veränderungsbereitschaft von allen Beteiligten. Es verlangt auch einen erheblichen Verzicht auf Regionalinteressen, die dieses Land - finde ich - manchmal mehr prägen, als ihm zuträglich ist - um das einmal in aller Deutlichkeit zu sagen.

Dies gilt im Übrigen auch für die Hochschulpolitik insgesamt.

In diesem Zusammenhang mache ich einmal eine Bemerkung zu dem, was gestern die Landesrektorenkonferenz beschlossen hat. Ich will mich jetzt nicht weiter zur Finanzsituation der Hochschulen einlassen, aber die sind immerhin diejenigen, die als einzige Institutionen im Landeshaushalt mit einer deutlichen Steigerung rechnen können - und dies zugesagt für vier Jahre. Ich finde, da wird ein wenig unterschätzt, was dies in Bezug auf die schwierige Lage des Landeshaushalts insgesamt bedeutet.

Das Zweite, was ich sagen will, ist Folgendes. Ich begrüße ja die Bereitschaft, dass mit uns zusammen eine unabhängige Kommission eingesetzt werden soll. Dass ich die Einsetzung einer Kommission zu Beginn dieses Jahres selbst geplant hatte, war übrigens den beiden Rektoren der beiden großen Universitäten schon bekannt. Aber wie groß die Bereitschaft ist, an eigene Strukturen heranzugehen, wird sich dabei ja zeigen. Schon die kleine Veränderung im Bereich Architektur und Bauwesen oder auch die Veränderungen, die in Flensburg geplant sind, sorgen bei den betroffenen Hochschulen leider für Aufstände und Klagen. Ich finde, das ist kein gutes Omen.

Die Vorstellung, die manche so hegen - um es in Bezug auf die Klinika einmal ganz deutlich zu sagen -, man brauche ja nur mal eben etwas Mut zu fassen und

das Medizinstudium in Lübeck erst einmal einzustellen, dann hätte man ja genügend Ressourcen - das kann man ja ganz leicht ausrechnen -, geht doch wohl an der Realität dieses Landes etwas vorbei. Ich weise solche Hauruckvorstellungen auch mit Nachdruck zurück.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Glocke der Präsidentin)

Frau Ministerin, ich möchte Sie an die Redezeit erinnern.

Mut und Bereitschaft zur Änderung sind allerdings gefragt. Ich werde die Hochschulen dabei auch beim Wort nehmen.

Wir fördern die Zusammenführung der Klinika in dem festen Willen, eine möglichst herausragende Forschung und Lehre zu gewährleisten und - dies ist für die Menschen weit über die Wissenschaft hinaus von Bedeutung - eine optimale Krankenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau auch in der Zukunft sicherzustellen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jost de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr, am 12. Januar 2001, hat die Ministerpräsidentin, Frau Simonis, auf einer Kabinettspressekonferenz erstmals das Vorhaben einer Fusion der beiden Universitätsklinika in Kiel und in Lübeck zu einem gemeinsamen Universitätsklinikum SchleswigHolstein vorgestellt. In der anschließenden Landtagsdebatte hatten wir als CDU bemängelt, dass zu dem Zeitpunkt noch gar nichts geklärt gewesen war - weder die Frage, wo der Verwaltungssitz sein sollte, noch die Frage, welche Teile wohin verlagert werden. Daran hat sich übrigens in der Zwischenzeit, Frau ErdsiekRave, nichts geändert.

Am vergangenen Dienstag hat es wieder eine Pressekonferenz gegeben, diesmal von Ihnen. Aber viel Neues haben wir dabei nicht erfahren.

Nach wie vor ist ungeklärt, wo der Verwaltungssitz dieser fusionierten Universitätsklinik SchleswigHolstein liegen soll. Das soll ein Aufsichtsrat ent

(Jost de Jager)

scheiden - so haben wir der Pressemitteilung entnommen -, aber diesen Aufsichtsrat gibt es noch gar nicht. Die Begründung dafür, dass dieser Aufsichtsrat, den es noch gar nicht gibt, entscheiden soll, wo der Verwaltungssitz sein soll, lautet - so sinngemäß die Ministerin -, dass die Frage des Verwaltungssitzes in den zurückliegenden Monaten eine Bedeutung angenommen habe, die dieser Frage gar nicht gerecht werde, und deshalb werde sie vertagt.

Aber glauben Sie denn wirklich, Frau Erdsiek-Rave, dass die Bedeutung dieser Frage abnimmt, nur weil man sie nicht beantwortet? Nein, das ist eher das Eingeständnis, dass Sie zwar den Mut hatten, eine Fusion anzustoßen, aber nicht den Mut haben und sich nicht zutrauen zu entscheiden, wo der Sitz dieser fusionierten Universitätsklinik sein soll.

Es ist nach wie vor nichts geklärt und wir glauben, dass das auch ein Zeichen für die hochschulpolitische Handlungsunfähigkeit dieser Landesregierung ist. Die hat sich auch darin dokumentiert, dass gestern die Hochschulrektorenkonferenz eine eigene unabhängige Kommission eingesetzt hat, die die Hochschulstrukturentwicklung in Schleswig-Holstein mit vorbereiten soll. Frau Erdsiek-Rave, ich kann verstehen, dass Sie sich darüber erregen, aber das kommt einer Entmündigung Ihres Hauses in diesen Fragen gleich.

Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir seinerzeit vorgeschlagen haben, dass man für die Hochschulstrukturentwicklung im Lande einen Landeswissenschaftsrat ins Leben rufen sollte, der dies dann auch begleiten und unabhängig Vorschläge machen könnte. Das ist von vielen kritisiert worden, unter anderem von der FDP, die gestern aber die Einsetzung der Expertenkommission der Hochschulrektorenkonferenz begrüßt hat. Wir glauben, dass sich diese beiden Gremien ziemlich ähnlich sind, und wir glauben, dass es richtig ist, wenn die Landesregierung diese Strukturentscheidung nicht treffen will oder nicht treffen kann, dass das dann ein unabhängiges Gremium machen soll.

(Beifall bei der CDU)

Man hat den Eindruck, dass Sie im Verlaufe dieses Jahres Angst vor Ihrer eigenen Courage bekommen haben, Frau Ministerin, und dass Ihnen erst im Verlauf des Verfahrens und des Vorhabens klar geworden ist, welche Enormität dahinter steckt, zwei solche Klinika zu vereinen. Ich glaube, dass Sie noch nicht einmal genau wissen, ob es dieser Fusion tatsächlich bedarf.

Wir haben bereits zu Beginn des Jahres gesagt, dass wir uns als CDU-Fraktion einer Zusammenlegung der Klinika dann nicht grundsätzlich widersetzen, wenn geklärt ist, dass eine solche Fusion für die Landesfi

nanzen und für die Wirtschaftlichkeit der beiden Einrichtungen die beste Lösung ist. Dieser Beweis ist noch nicht geführt worden.

Es gibt das Roland-Berger-Gutachten, das dem Landtag übrigens noch nicht zur Verfügung gestellt wurde, in dem offenbar ein Defizit von über 40 Millionen DM für die nächsten Jahre prognostiziert wird. Aber man muss dabei zur Kenntnis nehmen, dass ein weiter Teil dieses Fehlbetrages darauf zurückzuführen ist, dass politische Entscheidungen dazu geführt haben, dass auf der Einkommenseite weniger Geld zur Verfügung steht.

Dann ist ein solches Defizit in der Tat eine Art „self fulfilling prophecy“. Insofern ist es ja auch so, dass Roland Berger jetzt ein zweites Gutachten machen soll; mit dem ersten sind Sie nicht klar gekommen.

Ich möchte Ihnen vielleicht auch anhand des Haushalts 2002 noch einmal vor Augen führen, auf welch brüchigen Annahmen Ihre Entscheidungen eigentlich beruhen. Das Universitätsklinikum Kiel geht davon aus, dass es im kommenden Jahr, 2002, einen Jahresfehlbetrag von 10 Millionen € haben wird. Dieses Defizit ist ein überwiegend politisches Defizit, denn einer der ganz großen Brocken, 2,3 Millionen €, sind die Kürzungen des Landeszuschusses, 2 Millionen € gehen für die Kosten der Fusion drauf, 600.000 € gehen als GMSH-Abgabe drauf und der Restbetrag ist sozusagen für die Tarifsteigerungen, die nicht übernommen werden. Das heißt, wir haben es hier nicht mit einem kaufmännischen, betriebswirtschaftlichen Defizit zu tun, sondern sehr stark mit einem politisch geprägten.

Wir glauben, dass wir, bevor wir später auch als Parlament darüber entscheiden müssen, sehr viel mehr Klarheit über die Vorgaben und die Zielrichtung dieses Unterfangens haben müssen. Wir bleiben bei unserer Forderung, dass wir auch für die Frage der Fusion, die natürlich erhebliche Auswirkungen auch für die Frage der Standorte der beiden Fakultäten haben wird, sehr wohl den Masterplan, den Landeshochschulplan, haben müssen und nicht Einzelentscheidungen. Der Grund, weshalb so vieles von dem, was Sie in den letzten Monaten und Wochen vorgeschlagen haben, in die Kritik geraten ist, liegt nämlich mit darin, dass keiner weiß, wohin die Reise tatsächlich gehen soll. Das muss aber von Anfang an klar sein.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich aus gegebenem Anlass noch einmal darauf hinweisen, dass bilaterale Gespräche zwischen Abgeordneten und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

der Ministerien auch bilateral geführt werden. Und so verständlich Äußerungen von der Regierungsbank aus sind, sie sind nicht zulässig.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tagesordnung steht der Bericht der Klinika; deswegen möchte ich diesem Bericht zumindest so viel Ehre antun, drei Sätze zu ihm zu sagen. Danach will ich auf das eingehen, was hier bisher in die Diskussion eingebracht worden ist.

In der Tat ist positiv zu vermerken, dass der Bericht feststellt, dass beide Klinika einen positiven Abschluss getätigt haben - trotz einer Deckelung der Krankenkassenzuschüsse auf schwierigem Niveau und trotz Absenkung der Landeszuschüsse. Das haben wir lesen können.

Wer sich den Bericht genau durchliest, wird erkennen, dass viele der Dinge, die bei der Rechtsformveränderung angekündigt worden waren, auf einem sehr positiven Weg sind. Ich glaube, dass ein paar Elemente aus diesem Bericht zumindest wert sind, zur Kenntnis genommen zu werden, wenn auch die Frage, ob nun Kiel oder Lübeck Verwaltungssitz sein soll, die Gemüter sehr erregt. Dazu werde ich gleich auch noch etwas sagen.

Es ist eine positive Botschaft ist - das geht auch noch einmal deutlich aus dem Bericht des Kieler Universitätsklinikums hervor; aber das gilt auch für Lübeck -, dass deutlich gemacht wird, dass eine Anhebung der Mittel für die interdisziplinären Forschungsschwerpunkte innerhalb der Hochschulmedizin durch Umschichtungen erreicht werden soll. Das ist deswegen wichtig, um deutlich zu machen, dass wir eine Profilsetzung innerhalb der beiden Klinika auch im Forschungsbereich haben, die deutlich macht, welche Entwicklungschancen beide auch in Wissenschaft und Forschung haben.

Das kann man gar nicht deutlich genug unterstreichen, weil dann, wenn wir über die Frage reden - das ist meines Erachtens, Herr de Jager, die Frage, wohin die Reise geht -, es ohne Alternative ist, dass wir den Anteil der Hochschulmedizin im Bereich der Hochschulstruktur absenken. Das macht aber nur dann Sinn, wenn die Querverstrebungen, die Interdisziplinaritäten zwischen Medizin und anderen Bereichen der Wissenschaft nicht kaputtgemacht, sondern eher verstärkt und besser etabliert werden.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD] und Konrad Nabel [SPD])

Das sind qualitative Punkte, die es lohnt, ins Auge zu nehmen.

Ich will jetzt auf ein paar Punkte hinweisen. Natürlich ist es so, dass die Fusion auf den Weg gebracht werden muss. Die Hintergründe und auch die wirtschaftlichen Gründe, die hier eine Rolle spielen, sind von der Ministerin ja noch einmal deutlich aufgeführt worden. Dass diese Fusion ohne Alternative ist, wissen auch die beiden Klinika.

Es macht keinen Sinn, jetzt eine vorgezogene Beratung über einen Gesetzentwurf zu machen, der noch gar nicht auf dem Tisch liegt. Das wäre relativ albern. Aber ich will einmal deutlich sagen: Natürlich wird man kurzfristig noch nicht wirtschaftliche Effekte durch einen Fusionsprozess haben, die das abdecken, was an Fehlbedarf prognostiziert wird. Aber das macht doch zweierlei deutlich: Ohne Fusion hätten wir gar nicht die Chance, in anderen Bereichen zu Effekten zu kommen, die wir durch Aufgabenteilung, Aufgabenabsprachen, durch Konzentration und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dringend brauchen. Ohne Fusion wäre das alles nicht zu machen. Aber die Fusion allein reicht eben nicht aus und deswegen muss schon im Vorwege, bevor wir zu dieser Fusion kommen, mehr an Absprachen, an Konzentration, an Aufgabenteilung passieren.

Dazu sind beide Klinika bereit und ich finde, dass das ein gutes Zeichen ist und auch im Landtag gelobt werden darf, dass zwei so große Umsatzbringer, zwei so große und riesige und qualifizierte Einrichtungen bereit sind, diesen schwierigen Prozess zu gehen und auch etwas für dieses Land auf einem hohen Niveau zu leisten und dabei im Auge zu haben, dass die Finanzmittel des Landes begrenzt sind. Dass auch zu respektieren, ist nicht der Alltag im Umgang von Institutionen oder Zuwendungsnehmern mit dem Land.

Ich meine also, dass die Klinika hier einen sehr positiven, einen sehr konstruktiven Prozess abwickeln. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich lobend hervorheben.

Zur Standortfrage will ich gern zwei, drei Sätze sagen. Man wird eines deutlich machen müssen: Wenn wir den Anteil der Hochschulmedizin im Bereich der Hochschulen senken wollen und wenn wir - das haben wir immer gesagt und dabei muss es auch bleiben - die Mittel, die wir dort freischaufeln, den Hochschulen insgesamt zugute kommen lassen wollen - das ist ja einer der Grundgedanken -,

(Martin Kayenburg [CDU]: Was heißt „ins- gesamt“?)

dann heißt das in der Konsequenz natürlich auch, dass wir nicht aus dem Kiel-Lübeck-Dualismus heraus

(Jürgen Weber)