Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

(Dr. Heiner Garg)

Das Benzin muss ja teurer werden, damit die Leute ihr Auto öfter zu Hause stehen lassen.

(Lothar Hay [SPD]: Wie sind Sie denn heute morgen hier hergekommen?)

Damit nicht nur die böse rot-grüne Bundesregierung die Benzinpreise erhöht, wirtschaften Ihre Ölscheichs, wie Sie sie nennen, kräftig mit. Denen müssten Sie im Grunde - wie gesagt - richtig dankbar dafür sein.

Nun lassen Sie uns über den Lenkungseffekt reden, den Sie hier angesprochen haben. Mir ist bislang der Zusammenhang zwischen Ihrer so genannten Ökosteuer - was nichts anderes als eine Benzinpreiserhöhung ist - und der Rentenversicherung völlig verborgen geblieben.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Mir auch! - Günter Neugebauer [SPD]: Ach! - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich mit dem Thema beschäftigen, bevor Sie reden!)

Im Übrigen konnte mir bisher auch noch kein einziger grüner Bundestags- oder Landtagsabgeordneter diesen Bezug erklären.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie nicht zum Thema, be- vor Sie Bescheid wissen!)

- Lieber Herr Kollege Hentschel, in der Tat ist es nämlich so: Wenn Ihre so genannte Ökosteuer tatsächlich einen Lenkungseffekt hätte, würde weniger Sprit verbraucht werden,

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

was automatisch zu einem geringeren Gesamtaufkommen bei der Ökosteuer führte. Nun haben wir aber in der Rentenversicherung das Problem, dass aufgrund der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung der Bedarf ständig steigt. Nun erklären Sie hier vorn doch einmal, wie Sie einen steigenden Finanzierungsbedarf in der Rentenversicherung mit einem ständig abnehmenden Aufkommen in der Ökosteuer in Zukunft finanzieren wollen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es! - Leb- hafter Beifall bei F.D.P. und CDU - Anhal- tende Zurufe der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dazu habe ich bis heute von Ihnen noch keine einzige vernünftige Antwort bekommen. Also, machen Sie eine vernünftige Rentenreform, dann können Sie sich Ihre Benzinpreiserhöhung unter dem Pseudonym „Ökosteuer“ sparen.

(Zurufe und Unruhe - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich nie mit der Ökosteuer beschäftigt!)

Jetzt will ich Ihnen, lieber Herr Umweltminister und liebe Kolleginnen und Kollegen, einmal einen konstruktiven Vorschlag machen, wie Sie unter Beweis stellen können, dass Sie es mit der ökologischen Lenkung ernst meinen. Ich tanke seit zwei oder drei Wochen diesen so genannten schwefelarmen beziehungsweise schwefelfreien Kraftstoff.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Dieser soll auf zweierlei Art dazu beitragen, die Emissionen zu reduzieren. Erstens werden durch diesen Kraftstoff die Schwefelemissionen vermindert beziehungsweise ausgeschlossen und zweitens hat er wesentlich bessere Verbrennungseigenschaften. Warum, wenn Sie etwas jetzt und nicht erst in zehn Jahren für die Umwelt tun wollen, nehmen Sie nicht wenigstens diesen Kraftstoff - ähnlich wie wir es damals bei der Einführung des bleifreien Benzins getan haben - von der Ökosteuer aus?

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Damit hätten wir einen Kraftstoff, der nicht 12, sondern in Wahrheit sogar 14 Pfennig billiger wäre.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Denn auf die zweimal 6 Pfennig Ökosteuer, wie Sie sie nennen, kommt ja noch zweimal 1 Pfennig Mehrwertsteuer drauf. So ist der Sprit insgesamt durch diese Bundesregierung um 14 Pfennige teuer geworden.

(Zurufe und Unruhe)

Wenn Sie es also ernst meinen, möchte ich heute und hier von Ihnen hören, warum Sie diesen Weg nicht gehen. Natürlich wäre es uns am liebsten, Sie würden die ganze so genannte Ökosteuer wieder einkassieren. Aber Sie können zumindest doch ein klares Signal an die Menschen in diesem Lande senden, denen diese Problematik wirklich so auf den Nägeln brennt, dass wir uns damit beschäftigen müssen. Herr Kollege Neugebauer, das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass uns nichts anderes einfiele. Sie werden in den kommenden zwei Tagen schon noch sehen, was uns alles einfällt, um Sie zum Jagen zu tragen.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh! - Zuruf von der CDU: Ja!)

Ich erwarten also von Ihnen heute ein ganz klares Signal, ob Sie diesen Vorschlag grundsätzlich ablehnen oder ob Sie ihn als vernünftigen Diskussionsbei

(Dr. Heiner Garg)

trag annehmen, den Sie ja von uns erwarten. In diesem Sinne bedanke ich mich ganz herzlich.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Jetzt kommt der Pragmatiker!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, Herr Garg, dass Sie sich mit der Konstruktion der Ökosteuer nicht inhaltlich beschäftigt haben,

(Zuruf von der F.D.P.: Oh Mann!)

sonst wüssten Sie nämlich, dass der zurückgehende Benzinverbrauch bei den Einnahmen berücksichtigt und mit berechnet worden ist.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist völliger Unsinn! - Martin Kayenburg [CDU]: So ein Blödsinn! - Weitere Zurufe von CDU und F.D.P.)

Das, was Sie vorgetragen haben, ist nämlich genau Bestandteil des Konzeptes.

(Anhaltende Zurufe von CDU und F.D.P.)

Aber wenn man sich mit einem Thema nicht beschäftigt, kann man dazu auch nichts sagen, und wenn man es trotzdem tut, dann fällt man auf die Nase, Herr Garg!

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es bei Ihnen, Herr Hentschel!)

Nach der letzten Ökosteuerdebatte hatte ich die Hoffnung, dass die Opposition - nachdem wir reihenweise Politiker aus Ihren eigenen Reihen zitieren konnten, die unsere Auffassung bestätigen - genug davon hätte. Anerkennung, Sie sind mutig und versuchen es noch einmal. Deshalb kann ich Sie nicht davor bewahren, die wesentlichen Argumente noch einmal zu ertragen.

Die alte Bundesregierung hat die Steuerlast der Bevölkerung - auch die Mineralölsteuer - Jahr für Jahr angehoben.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Müssen!)

Die neue Bundesregierung senkt die Steuer- und Abgabenlast innerhalb von vier Jahren um 42,5 Milliarden DM, und zwar vor allem für Familien und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: 2005!)

- Herr Kubicki, hören Sie mal auf, ständig dazwischenzureden!

(Heiterkeit)

Die alte Bundesregierung hat keine steuerlichen Entlastungen für Kinder zustande gebracht. Die neue Bundesregierung hat das Kindergeld 1999 um 30 DM und im Jahre 2000 um 20 DM erhöht. Die alte Regierung hat die Rentenbeiträge unaufhörlich hochgetrieben. Die neue Regierung hat - durch die Ökosteuereinnahmen - die Rentenbeiträge zum ersten Mal gesenkt. Die alte Regierung hat mit ihrer Politik erreicht, daß die Arbeitslosigkeit Jahr für Jahr gestiegen ist. Die neue Regierung trägt durch die Senkung der Belastungen der unteren Einkommen dazu bei, dass die Arbeitslosigkeit sinkt. Das Schöne an dieser neuen Politik ist, dss sie zu einer deutlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger geführt hat.

Nehmen wir eine durchschnittliche Familie und kommen wir zu den Fakten! Einer Familie mit Eltern, zwei Kindern und einem Jahreseinkommen von 60.000 DM, das dem Durchschnitt entspricht, werden im Jahre 2000 im Vergleich zum letzten „Kohl-Jahr“ alles zusammengerechnet 2050 DM mehr im Geldbeutel verbleiben. Dabei ist die Ökosteuer für 25.000 km im Jahr eingerechnet.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Wie viel wä- re das denn ohne Ökosteuer?)

Man könnte fast glauben, daß die CDU/CSUOpposition wütend darüber ist, dass Rot-Grün gelungen ist, was sich die CDU/CSU/F.D.P.-Regierung nicht getraut hat, nämlich den Stillstand in dieser Republik zu durchbrechen und die notwendigen Reformen endlich anzupacken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Zu dieser Politik gehört auch, dass die Belastungen der Umwelt reduziert und die notwendigen international vereinbarten CO2-Reduzierungen erreicht werden, die unter anderem auch von Ihrer Regierung vor vier Jahren mit unterschrieben worden sind. Ich erinnere mich noch sehr gut an die zahlreichen Aussagen von führenden Unionspolitikern zur Ökosteuer in den Jahren 1995/96, also noch im sicheren Abstand zur Bundestagswahl. Damals priesen Sie mit Herrn Schäuble und auch Herrn Merz - an der Spitze die Ökosteuer als das marktwirtschaftliche Instrument der Umweltpolitik im Gegensatz zum bösen Ordnungsrecht.