Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/1492

Zur Begründung erteile ich dem Herrn Innenminister Klaus Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat sich bewährt, bei den wahlrechtlichen Vorschriften regelmäßig zu prüfen, ob aus Sicht der Praxis oder zur Verfahrensvereinfachung oder erleichterung Veränderungen angebracht sind. Die Erfahrungen der Wahlleiterinnen und Wahlleiter auf Gemeinde- und Kreisebene und die von ihnen gegebenen Hinweise und Anregungen bieten hierzu eine wertvolle Hilfe. Darüber hinaus ist im vergangenen Jahr das Bundeswahlgesetz in einer Reihe von Punkten geändert worden. Zur Wahrung einer größtmöglichen Rechtseinheitlichkeit wird die Übernahme der Veränderungen des Bundeswahlrechts in das Landeswahlrecht ebenfalls geprüft.

Seit der letzten Novellierung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes hat sich ein Änderungsbedarf ergeben, der durch den vorliegenden Gesetzentwurf zur Kommunalwahl 2003 umgesetzt werden soll. Die Änderungen werden auch von der kommunalen Seite unterstützt. Ich möchte kurz auf folgende wesentliche Änderungen eingehen.

Erstens. Die bisher übereinstimmend im Bundeswahlrecht und in den Landeswahlrechten bei der Wahlberechtigung verankerte Wartefrist von drei Monaten hinsichtlich der Wohnungsnahme im Wahlgebiet führte bei Kommunalwahlen beispielsweise dazu, dass jemand, der innerhalb dieses Zeitraumes von Kiel nach Kronshagen umzog, in Kiel nicht mehr und in Kronshagen noch nicht wählen durfte. Eine solche das Wahlrecht unglücklich einschränkende Folge wollen wir nun durch die Halbierung der Wartefrist abmildern. Die Frist orientiert sich künftig vorrangig an den wahlpraktischen Erfordernissen bezüglich der Aufstellung der Wählerverzeichnisse. Parallel dazu wird die bisher für die Wählbarkeit bestehende Mindestfrist von sechs Monaten hinsichtlich der Wohnungsnahme

(Minister Klaus Buß)

im Land auf drei Monate reduziert. Damit könnte auch den Parteien und Wählergruppen bei ihrer Bewerberaufstellung ein größerer Kreis von Kandidatinnen und Kandidaten zur Verfügung stehen.

Zweitens. Der gestiegenen Bedeutung der Briefwahl soll dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Durchführung des Briefwahlverfahrens ein um zwei Wochen verlängerter Zeitraum zur Verfügung steht.

Drittens. In Anpassung an das geänderte Bundeswahlrecht wird auf die mit einem hohen Aufwand für die Kommune verbundene öffentliche Auslegung der Wählerverzeichnisse verzichtet. Die Belange der Wahlberechtigten sollen durch die Möglichkeit gewahrt werden, bei Bedarf im Einzelfall Einsicht in das Wählerverzeichnis nehmen zu können.

Viertens. Schließlich wird künftig auf die repräsentative Wahlstatistik zu Kommunalwahlen verzichtet. Sie verursacht einen erheblichen Aufwand sowohl beim Land als auch auf kommunaler Ebene. Dagegen muss ihre Nutzung beziehungsweise ihre Aussagekraft wegen des regionalen Charakters eher als eingeschränkt angesehen werden. Es stehen regelmäßig aktuelle statistische Informationen über Europa-, Bundestagsund Landtagswahlen in Schleswig-Holstein zur Verfügung, die vornehmlich für Zwecke der Wahlforschung herangezogen werden dürfen.

Meine Damen und Herren, die vorgeschlagenen Änderungen werden dazu beitragen, zur Kommunalwahl im März nächsten Jahres ein modernes und allen Ansprüchen genügendes Wahlrecht zur Verfügung zu haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlie.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf besteht im Wesentlichen aus Erfahrungen, die bei den letzten Kommunalwahlen gesammelt wurden und in einigen Teilbereichen Vereinfachungen, Entbürokratisierungsmaßnahmen und Anpassungen an die Realität darstellen. Insofern signalisiere ich die für die CDU-Landtagsfraktion für die meisten vorgeschlagenen Änderungen vom Grundsatz her unsere Zustimmung, wobei wir die Anregungen der kommunalen Landesverbände im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu den Einzelvorschriften sicherlich diskutieren und gegebenenfalls berücksichtigen sollten.

Zum Teil sind die angestrebten Änderungen auch auf die Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten zurückzuführen, wenn es beispielsweise darum geht, auf das Amt des Wahlleiters frühzeitig zu verzichten, wenn es um eine Wiederwahl als Bürgermeister beziehungsweise Landrat geht.

Auch die Vorverlegung des Termins für die Aufstellung des Wählerverzeichnisses erscheint sinnvoll, da dadurch erhebliche Erleichterungen bei der Ausgabe von Wahlscheinen und Briefwahlunterlagen an Wahlberechtigte erreicht werden können.

Ebenfalls unsere Zustimmung findet die Vorverlegung des Zeitpunktes für die Aufstellung von Bewerberinnen und Bewerbern um kommunale Mandate. Dies ist aufgrund der Verlängerung der Wahlperiode ein folgerichtiger gedanklicher Ansatz, der es den Parteien und Wählergruppen ermöglicht, ihre Kandidatinnen und Kandidaten den Wählern rechtzeitig zu präsentieren. Diese Regelung ist auch aus Sicht der Wähler zu begrüßen, da sich dadurch die Möglichkeit einer frühzeitigen und intensiven Orientierung über die zu wählenden Personen ergibt. Darüber, ob die Frist so lang sein muss, können wir vielleicht noch einmal gemeinsam nachdenken.

Die Notwendigkeit einer Parallelberatung der Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes und der Änderung der Kommunalverfassung wird unter anderem auch bei der im Regierungsentwurf vorgeschlagenen Änderung des § 46 GKWG deutlich. Dort geht es darum, dass formal klargestellt werden soll, dass bei der Direktwahl Wahlvorschläge auch zurückzuweisen sind, wenn sie die kommunalverfassungsrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen. Wir denken schon, dass wir zumindest im weiteren Gesetzgebungsverfahren und vor einer endgültigen Festlegung und Regelung schauen müssen, wo wir im kommunalen Verfassungsrecht bei dieser Fragestellung landen. Ich denke, das wird im weiteren Verfahren aufeinander abzustimmen sein.

Auf die Zustimmung zu Regelungen, die eine Entbürokratisierung zur Folge haben, habe ich bereits hingewiesen. Dazu gehört sicherlich auch die vorgeschlagene Änderung des § 57 GKWG, die einen Wegfall der Wahlstatistik bei Kommunalwahlen vorsieht. Das ist aus unserer Sicht wirklich in Ordnung.

Als außerordentlich problematisch - das will ich doppelt und dreifach unterstreichen, weil das einen Hauptpunkt darstellt - betrachten wir allerdings die geplanten Änderungen der §§ 3 und 6 GKWG. Wir sollten in den Ausschussberatungen nochmals intensiv darüber diskutieren, ob die vorgeschlagenen Änderungen für die Voraussetzung des passiven und aktiven Wahl

(Klaus Schlie)

rechts nicht gerade zu einem Umzugstourismus provozieren.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister Buß, ich will nicht unterstellen, dass das die Absicht war. Wir sehen durchaus, dass es auch Probleme gibt. Aber vor allem in kleinen und Kleinstgemeinden könnte dies zu Manipulationen führen. Wir denken schon, dass man das noch einmal abwägen muss.

Wir verkennen nicht die Tatsache - ich habe dies bereits angedeutet -, dass es bei bestimmten Berufsgruppen, etwa - darauf hat mich mein Kollege Maurus hingewiesen - bei Berufsoldaten aufgrund dienstnotwendiger Umzüge wegen der jetzigen Fristen zu Problemen gekommen ist. Es gibt sicherlich auch andere Fälle, in denen das so ist. Allerdings halten wir in einer Abwägung dieser Faktoren die bisherigen Fristen für sachgerecht. Dies gilt sowohl für die Wähler als auch für die zu wählenden Bewerber um ein kommunales Mandat, also sowohl für das aktive als auch für das passive Wahlrecht.

Über die vorgeschlagenen Änderungen sollten wir in den Ausschussberatungen noch einmal intensiv diskutieren, weil gerade der letzte Punkt, so glauben wir jedenfalls, nicht dazu führen sollte, dass wir uns durch die Hintertür und vor allen Dingen dass wir in den Gemeinden Probleme schaffen. Das sollten wir noch miteinander beraten. Wir würden unsere Gesamtzustimmung zum Gesetzentwurf letztendlich hiervon abhängig machen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren von den nicht sozialdemokratischen Fraktionen! In meiner eigenen Fraktion werde ich den Vortrag bei einer der nächsten Fraktionssitzungen wiederholen.

(Heiterkeit und Beifall)

Auch für die Fraktion der Sozialdemokratie darf ich erklären, Herr Kollege Schlie, dass wir Zustimmung signalisieren können und damit einverstanden sind, dass wir den Gesetzentwurf der Landesregierung an den Innen- und Rechtsausschuss überweisen. Die von Ihnen angesprochenen problematischen Punkte werden wir dort wieder aufrufen und mit Ihnen gemeinsam beraten, auch was das Verhältnis zu dem Verfahren Kommunalverfassungsreform angeht, das Sie angesprochen haben.

Im Wesentlichen sind wir mit den Punkten, die vom Innenminister vorgeschlagen worden und hier vorgetragen worden sind, einverstanden. Das trifft auch und insbesondere für die ja - wie wir meinen - weitestgehende Regelung in diesem Paket zu, die die Verkürzung der Wohnfristen am Wahltag betrifft, sowohl für das aktive als auch für das passive Wahlrecht. Es mag zweifelhaft sein, ob das als notwendig erachtete Mindestmaß an Vertrautsein mit dem politischen, wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten und Bindungen zur Gemeinde in einer auf sechs Wochen verkürzten Frist zu erlangen ist. Aber wir wägen diesen Gesichtspunkt mit dem auch vom Minister eingebrachten Gesichtspunkt des Umzugsproblems ab, das heißt, Menschen in die Lage zu versetzen zu wählen, die bisher hier und da wegen Umzugs am Wahltag gar nicht wählen konnten. Wenn dieses Problem durch den Gesetzentwurf abgemildert werden kann, würden wir in diesem Punkt zustimmen.

Sinnvoll und auch ein Beitrag zur Erhöhung der Wahlbeteiligung könnte sein, dass man die Einreichungsfrist für Wahlvorschläge vorverlegt, um für das Briefwahlverfahren einen längeren Zeitraum zu bekommen. Das würde alle die reiselustigen Menschen in Schleswig-Holstein begünstigen, die von der Briefwahl regelmäßigen Gebrauch machen wollen.

Sinnvoll und vielleicht sogar ein Beitrag zur Funktionalreform ist der vorgeschlagene Wegfall des Beanstandungsrechts der Kommunalaufsichtsbehörde, wenn es darum geht, Entscheidungen der Wahlleitungen in den einzelnen Gemeinden und Kreisen, die die Feststellung einer Listennachfolgerin oder eines Listennachfolgers betreffen, wegfallen zu lassen. Das bedeutet auch für die Kommunalaufsicht des Landes etwas weniger Arbeit und Einflussnahme.

Schließlich zur Kommunalwahlstatistik! Bisher ist es so gehandhabt worden, dass all die im Wesentlichen auch von uns für unsinnig gehaltenen Statistiken meist in den Papierkörben landeten. Künftig wird es so sein das finden wir vernünftig -, dass unsinnige Statistiken gar nicht erst erhoben werden.

Zu den Verfahrensvereinfachungen will ich im Einzelnen nicht mehr vortragen; sie sind vom Innenminister eingebracht worden.

Wir sind der Auffassung, dass man dem Gesetzentwurf im Ergebnis insgesamt zustimmen kann. Wir werden die Problempunkte im Ausschuss beraten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Landesregierung hat uns einen Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt, der - wie sie verkündet - das Wahlrecht einfacher und praxisgerechter gestalten soll. Der Entwurf sieht unter anderem vor, die Fristen zur Wählbarkeit und zur Wahlberechtigung beim Zuzug in eine Kommune sowohl beim aktiven als auch beim passiven Wahlrecht zu halbieren. Was hieran einfacher ist, kann ich nicht erkennen, und ob es praxisgerechter ist, bezweifle ich.

Es wird immer behauptet - ich teile diese Auffassung -, dass gerade Kommunalwahlen Persönlichkeitswahlen sind. Das heißt, vielfach kennen die Wählerinnen und Wähler ihre Kandidaten oder können sich ein Bild von ihnen machen. Jetzt sollen Zuzüglern sechs Wochen ausreichen, sich zum Beispiel neben dem Stress des Umzugs oder der Einrichtung der neuen Wohnung auch mit den politischen, wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten am neuen Wohnsitz vertraut zu machen und zusätzlich die Kandidatin oder den Kandidaten zu ermitteln, den frau oder man am geeignetsten findet, die Probleme vor Ort am besten zu lösen. Ich glaube, das ist ein bisschen viel verlangt.

Ebenso ist es mit dem passiven Wahlrecht. Wenn es nach dem Willen der Landesregierung geht, reichen künftig drei Monate Wohnen am neuen Wohnsitz aus, um sich dort wählen zu lassen. Gerade eine Gemeindevertreterin oder ein Gemeindevertreter sollte doch die entsprechenden Ortskenntnisse haben und mit den vielfältigen Gegebenheiten in ihrer oder seiner Gemeinde vertraut sein. Ich bezweifle, ob wir den Anforderungen, die wir alle an Gemeinde- oder Stadtvertreter und natürlich auch an Kreistagsabgeordnete stellen, mit diesen Änderungen des Gemeinde- und Kreiswahlrechts gerecht werden.

(Beifall bei der FDP)

Herr Schlie, Sie haben gerade vom Umzugstourismus gesprochen. Wir bei uns im Kreis Pinneberg hatten so einen Fall. Das war in den 80er-Jahren. Da haben sich in der Stadt Barmstedt sämtliche Mitglieder der DKP des Kreises Pinneberg gesammelt und immerhin dazu beigetragen, dass die DKP seinerzeit ein zweistelliges Wahlergebnis bei einer Kommunalwahl erreicht hatte. Dies wird möglicherweise auch durch eine Fristhalbierung möglich gemacht.

Ich habe bisher keine Klagen von Bürgerinnen und Bürgern gehört, die sich aufgrund eines Wohnortwechsels beschwert haben, nicht wählen zu dürfen oder nicht gewählt werden zu können. Welche Motive hinter den beabsichtigten Änderungen stehen, bleibt mir unerklärlich, zumal auch aus der Begründung kein

zwingender Handlungsbedarf hervorgeht. Dabei wird niemand gehindert, sich in seiner Gemeinde zur Gestaltung seines Wohnumfelds zu engagieren. Interessierte Bürgerinnen und Bürger haben auch jetzt schon die Möglichkeit, sich nach Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Beispiel als bürgerliche Ausschussmitglieder aktiv in die Gemeindepolitik einzubringen. Eines hoffe ich wenigstens nicht, dass nämlich mit der Fristverkürzung - der Innenminister hat das eben sogar angeführt - dem möglichen Mangel an Kandidatinnen oder Kandidaten entgegengewirkt werden soll.

Als weiteren Punkt möchte ich die öffentliche Auslegung des Wählerverzeichnisses ansprechen. Ich halte die geltende Regelung genau wie der Innenminister in seiner Begründung zum Gesetzentwurf, die Wählerverzeichnisse im Zeitraum vom 20. bis zum 16. Tag vor der Wahl auszulegen, für das Verfahren zur Sicherung der Transparenz und Bürgerfreundlichkeit von Wahlverfahren. Es wird zwar festgestellt, dass das Bundeswahlrecht eine andere Praxis vorschreibt, wir sind aber nicht gezwungen, uns dieser anzupassen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Nach der neuen Regelung müssen vor dem Recht auf Einsichtnahme erst Tatsachen glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Verzeichnisses ergibt. Das wird aber in der Regel schwierig sein, wenn das Wählerverzeichnis vorher nicht eingesehen werden kann.