Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, das muss man auch begreifen: Die Ministerin erklärte am vergangenen Freitag, Globalbudgets unterlägen risikoreichen Haushaltsrestriktionen. Ich gebe Ihnen Recht, Frau Ministerin, dies ist in der Tat so: Wenn man am Kabinettstisch keine Durchsetzungskraft hat, besteht ein hohes Risiko.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Vereinbarung soll Inhalte, Umfang und Tätigkeiten der Durchführung der Selbstverwaltung regeln. Alle drei vorliegenden juristischen Gutachten kommen zu dem selben Ergebnis. Dies muss man wirklich beachten. Dies ist ein rechtswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung. Das Planen und Handeln der Selbstverwaltung wird in unzulässiger Weise eingeschränkt. Und, verehrte Frau Kollegin Kruse, dies ist Ihre Definition von Eigenverantwortung, so wie Sie sie zu Anfang sehr deutlich gemacht haben. Darauf lassen wir uns nicht ein.

Der Kollege Steenblock hat mir am Freitag vergangener Woche in einer Presseerklärung den Vorwurf gemacht, Totalopposition zu betreiben. Ja, Herr Kollege Steenblock, wir betreiben an dieser Stelle Totalopposition. Damit das ganz klar ist: Für dieses neue Kammergesetz lässt sich die CDU nicht in die Mitverantwortung nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Als Krönung erklärt die mit ihrem Gesetzentwurf in der eigenen Fraktion gescheiterte Ministerin am vergangenen Freitag, die Unterstützung bei der Anwerbung von EU-Geldern sei ein sichtbares Zeichen für den gemeinsamen Willen zur konstruktiven Zusammenarbeit mit der Kammer. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: die Unterstützung bei der Anwerbung von EU-Geldern! Die Ministerin verfährt nach dem Fielmann-Prinzip: Mein Papi hat keinen Euro dazu bezahlt, fühlt sich großartig, weil sie bei der Anwerbung von EU-Geldern behilflich ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Ministerin, die ihre Pflichtaufgabe als Beleg für eine konstruktive Zusammenarbeit wertet, ist am Ende. Frau Ministerpräsidentin, sie ist am Ende, und zwar nicht nur finanziell!

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben monatelang über den inzwischen im Reißwolf gelandeten Regierungsentwurf beraten. Für den umfassenden Änderungsentwurf der Regierungsfraktionen hatten wir zwei Tage Zeit. Für dieses Verfahren

(Peter Jensen-Nissen)

gibt es eine mathematische Gleichung - das lassen Sie mich auch deutlich sagen -: SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Arroganz der Macht mal zwei. Das ist das übliche Verfahren hier im hohen Hause. Wenn Sie uns Vorwürfe machen, wir hätten zu spät einen Gesetzentwurf vorgelegt, dann lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen. Sie tragen die Regierungsverantwortung, Sie wollten ändern und Sie haben in diesem Verfahren schlichtweg versagt.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Wodarz - darauf einzugehen sei mir gestattet - beklagt, dass die CDU auf inhaltliche Vorschläge zum Regierungsentwurf verzichtet hat. Welchen Regierungsentwurf meinen Sie denn, Herr Kollege? Meinen Sie den Entwurf, den Sie in den Reißwolf geschickt haben? Oder welchen meinen Sie? Das ist eine interessante Frage. Die dürfen Sie einmal beantworten.

Wir erleben zurzeit den dritten Akt eines Trauerspiels: Einer der leistungsfähigsten Landwirtschaftskammern werden erneut die Flügel gestutzt, wird möglicherweise der Hals umgedreht. Die CDU wird sich daran nicht beteiligen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen liegt der Kollege Steenblock mit seiner Aussage richtig.

Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Wir koppeln die Zuweisung des Landes an die Umlage und geben der Kammer Zeit bis zum Jahre 2008, sich inhaltlich und personell auf die zukünftigen Aufgaben einzurichten. Dies ist eine ehrliche, zukunftsgerichtete Perspektive.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Die Finanzierung der Kammer ist unser Hauptanliegen. Das andere regelt die Kammer in ihrer Selbstverwaltung der berufständischen Vertretung. In diesem Sinne sollten wir unseren Antrag begreifen. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Dann können wir über andere Dinge gemeinsam reden.

(Beifall bei CDU und FDP)

In der Loge begrüße ich jetzt Herrn Präsidenten Hermann Früchtenicht mit Mitgliedern seines Vorstandes und den Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer.

(Beifall im ganzen Haus)

Jetzt erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. HappachKasan das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben in der Beratung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Landwirtschaftskammergesetzes ihre Regierung im Regen stehen lassen und das ist gut so. Der Gesetzentwurf wurde in wesentlichen Punkten auf den Kopf gestellt. Ich bin mir nicht ganz sicher, Kollege Jensen-Nissen, ob man sagen darf: Der Gesetzentwurf wurde schlampig formuliert. Ich glaube, nein. Es war die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, die Kammer zu zerschlagen. Das waren keine schlampigen Formulierungen.

(Beifall bei FDP und CDU - Peter Jensen- Nissen [CDU]: Das verschlimmert es ja noch!)

- Das ist so, und ich finde, man sollte der Sache auch ins Auge sehen.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Ja!)

Aber damit ist die Landesregierung zum Glück gescheitert. Ich muss den Koalitionsfraktionen Anerkennung aussprechen, dass sie dieses gesehen und es verhindert haben.

Aber ich will auch meine Position begründen.

Erstens. Die Kammer sollte finanziell ausgehöhlt werden, und zwar über das in den Haushaltsberatungen schon erfolgte Maß hinaus. Bei drastisch zurückgefahrener Förderung durch das Land sollte die Kammer gleichwohl die vollen Pensionslasten übernehmen. Dies wäre erkennbar rechtswidrig gewesen. Die Regierung hat damit bewusst eine Klage gegen das Gesetz riskiert. Es wäre im Übrigen nicht das erste Gesetz gewesen, das erfolgreich angefochten worden wäre. Wir wollen an die „Wiesen“-Steuer und an das Abfallabgabengesetz erinnern. Der Wissenschaftliche Dienst des Landtages hat dazu ausgeführt: Das Land Schleswig-Holstein hat fast 50 Jahre der Landwirtschaftskammer 50 % der Pensionen für die Beamtinnen und Beamten aus dem Selbstverwaltungsbereich erstattet. Es hat durch jahrzehntelanges kontinuierliches staatliches Handeln einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der für das Land verfassungsrechtliche Bindung erzeugt hat. - Es ließe sich Weiteres dazu zitieren.

Zweitens. Die Zusammensetzung der Hauptversammlung, des höchsten Organs der Kammer, sollte empfindlich gestört werden. Diesem Ziel diente die Abschaffung der Friedenswahl, der Wahlbezirke und das gewichtete Stimmrecht. Durch den Erhalt der Friedenswahl und der Wahlbezirke wird sichergestellt, dass in der Kammerhauptversammlung alle landwirtschaftlichen Berufsgruppen und Delegierten aus allen

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Kreisen vertreten sind. Gleichzeitig werden pro Jahr etwa 500.000 € gespart. Auch das ist in Ordnung.

Drittens. Falls das nicht reichte, sollte Streit in die Kammer getragen werden. Diesem Ziel diente die Änderung der Bemessungsgrundlage der Umlage. Wenn die einen deutlich mehr Umlage bezahlen müssen und die anderen deutlich weniger, gibt es Unruhe, gibt es Streit. Nun bleibt es bei der jetzigen Bemessungsgrundlage der Umlage nach dem Einheitswert. Da auf Bundesebene bereits 2004 eine Neuberechnung der Einheitswerte erfolgen wird, ist eine Änderung der Bemessungsgrundlage zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll.

Alle drei von mir in unseren Änderungsanträgen beschriebenen Punkte sind von den Koalitionsfraktionen aufgenommen und geändert worden. Dies musste so sein, um eine Demontage der Kammer, wie sie von der Landesregierung geplant wurde, zu verhindern.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dass es im Landwirtschaftsministerium Mitarbeiter gibt, die die Kammer als lästige Konkurrenz empfinden, ist bekannt. Dass sich die Ministerin vor deren Karren hat spannen lassen, enttäuscht all die, die ihr Lernbereitschaft und Lernfähigkeit zugetraut haben.

(Beifall bei der FDP)

Das bedeutet gleichzeitig einen enormen Vertrauensverlust, von dem ich fürchte, dass Sie, Frau Ministerin, ihn in Ihrer Amtszeit nicht wieder aufarbeiten können.

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Aber das Vertrauen der Landwirtschaft ist Ihnen, Frau Ministerin, vermutlich auch nichts wert. So jedenfalls ist Ihr Vorgehen bei der Novellierung des Kammergesetzes bei gleichzeitiger drastischer Kürzung des Titelansatzes zu bewerten. Sie haben Unruhe gestiftet, für die Landesregierung einen drastischen Vertrauensverlust bewirkt und den ehrenamtlich arbeitenden Vorstand der Landwirtschaftskammer aufs Äußerste belastet. Immerhin war Rainder Steenblock so fair, die Arbeit von Kammerpräsident Früchtenicht anzuerkennen.

Ihr Ziel der Demontage der Kammer wollen Sie, Frau Ministerin, jetzt anderen in die Schuhe schieben: Bauernverband und CDU. Das ist eine bodenlose Frechheit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Frechheit siegt nicht immer, Frau Ministerin.

Auf dem Schleswig-Holstein-Abend in Berlin sprach erstmalig entgegen der Tradition dieses inzwischen vom Bauernverband gemeinsam mit der schleswigholsteinischen Ernährungswirtschaft ausgerichteten Abends nicht die zuständige Ministerin das Grußwort für die Landesregierung, sondern die Ministerpräsidentin.

(Ministerin Ingrid Franzen: Nur um zu loben! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das ist jetzt auch eine Chefsache! Wie bei PISA!)

- Ich glaube, Sie haben es nicht ganz verstanden. Das war ein Misstrauensvotum der Ministerpräsidentin gegen ihre eigene Ministerin. Sie kapieren überhaupt nichts.

(Beifall bei FDP und CDU - Zurufe von der SPD)

- Frau Kollegin Kähler, was interessiert Sie an Landwirtschaft? - Gar nichts! Nur, dass Sie sparen können! Also: Was soll das?

(Beifall bei der FDP)

Heute soll die dritte Änderung des Landwirtschaftskammergesetzes in drei Legislaturperioden erfolgen. Ich möchte herausstellen: Es gibt keinen echten Bedarf für diese Änderung. Das geltende Kammergesetz wäre praktikabel, wenn denn Rot-Grün die darin festgeschriebene Finanzierung auch gewährleisten würde. Nur in einem einzigen Jahr hat sich Rot-Grün an die Finanzierungsvorgabe des eigenen Gesetzes gehalten, in allen anderen Jahren wurde durch das Haushaltsgesetz diese Regelung des Landwirtschaftskammergesetzes außer Kraft gesetzt. Die faktische Bedeutungslosigkeit der Vorgaben des Landwirtschaftskammergesetzes ist beschämend.

Alle Landwirtschaftsminister haben mehrfach erklärt, die Kammer stärken zu wollen. Sie alle haben jedoch im Gegenteil alles getan, um sie zu schwächen.

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])