Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Ausländerfeindlichkeit und Extremismus sind in der Lebenswirklichkeit der jungen Generation nur ein Teilproblem und das muss in so einer Debatte genannt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Aber vielleicht - darauf freuen sich ja die Mitglieder aller Fraktionen - ergreift zu diesem Thema auch einmal die Kinder- und Jugendbeauftragte der Landesregierung das Wort.

(Beifall bei der CDU)

Die jungen Menschen werden sich noch stärker mit unserem Staat identifizieren, wenn wir uns mit ihren wirklichen Problemen befassen. Sie haben Zukunftsängste und verlangen von uns zum Beispiel besser ausgestattete Schulen, damit sie später eine Perspektive in ihrem beruflichen Fortkommen haben. Das sind die wirklichen Probleme der jungen Generation. Darüber müssen wir diskutieren. Was Sie vorgelegt haben, leistet aus unserer Sicht keinen Beitrag zu einer sachgerechten Diskussion über die Situation der jungen Generation.

(Beifall bei der CDU)

Die junge Generation ist nicht ausländerfeindlich und sie ist auch nicht links- oder rechtsextrem, sondern es ist eine ganz normale junge Generation.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Jürgen Weber [SPD]: Alles ist schön!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Herdejürgen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Torsten Geerdts, es ist offenbar nicht auf den ersten Blick erkennbar, welcher Zusammenhang zwischen den Angeboten, die Sie hier aufgeführt haben, oder beispielsweise einem Beachwork-Projekt, einem Unternehmensplanspiel und dem Thema des Berichts „Prävention von Rechtsextremismus bei Kindern und Jugendlichen“ besteht. Lieber Kollege, ich habe das Gefühl, dass Sie den Bericht gar nicht gelesen haben, denn offenbar ist Ihnen die Intention der Primärprävention entgangen. Das finde ich sehr schade. Es wäre schön, wenn Sie sich nicht nur in irgendwelchen Appellen an die Kinder- und Jugendbeauftragte wendeten, sich im Landtag zu Wort zu melden, sondern wenn auch Sie sich, wie es die Kinder- und Jugendbeauftragte macht, von Zeit zu Zeit mit Kindern und Jugendlichen unterhielten. Das wäre sehr hilfreich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Der Bericht stellt diesen Zusammenhang, den ich angesprochen habe, her und richtet das Augenmerk auf einen sehr nachvollziehbaren Ansatz von vorbeugenden Maßnahmen. Die jugendpolitische Zielsetzung präventiver Ansätze kann sich nicht auf die Bekämpfung des Phänomens Rechtsextremismus in scheinbar besonders gefährdeten Gruppen beschränken. Es geht vielmehr darum, sich mit den Ursachen von Gewalt, mit den Ursachen für die Attraktivität, die rechte Gruppierungen für Jugendliche haben, auseinander zu setzen. Es geht darum, die Präventivmaßnahmen zu Beginn dieser Ursachenkette zu verstärken und zu etablieren.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Herr Wadephul, natürlich sind gewaltbereite Jugendliche ein Problem, nicht nur im rechtsextremen Spektrum, und natürlich heißt Prävention gegen rechte Gewalt auch Prävention gegen Gewaltbereitschaft überhaupt. Das ist die Natur des primärpräventiven Ansatzes. Das hat Frau Fröhlich gestern schon angesprochen. Herr Wadephul, es reicht nicht, Forderungen zu formulieren, die die Wertevermittlung innerhalb der Familie in den Mittelpunkt rücken, ohne Ansätze zu bieten, wie dies wirkungsvoll umzusetzen ist. Die Bereitstellung von Geldern reicht da nicht.

(Klaus Schlie [CDU]: Bildungspolitik, Fami- lienpolitik, da haben wir genug!)

Wenn Sie das glauben, kennen Sie die Realität in vielen Familien nicht. Gerade im Umgang mit Kindern kommen wir mit pathetischer Polemik nicht weiter.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von Zeit zu Zeit lösen Berichte über jugendliche Gewalttaten immer wieder hektische Reaktionen aus. Das Augenmerk von Angeboten, von Aktionen richtet sich auf Jugendliche, denen bereits ein gewisses Gefährdungspotenzial zuzuordnen ist oder die dem gewaltbereiten rechtsextremen Spektrum eindeutig zugewiesen werden können.

Sicherlich ist es wichtig, Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt zu setzen. Es ist wichtig, Solidarität zu bekunden mit unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, mit den Opfern rechter Gewalt. Öffentlichkeitswirksame Aktionen geben unserer demokratischen Haltung einen festen Ort und setzen Zeichen, auch gegenüber dem Ausland, wo die Entwicklungen in Deutschland sehr genau beobachtet werden. Und gerade Jugendliche haben sich in Schleswig-Holstein

(Birgit Herdejürgen)

mit Aktionen hervorgetan. Ich erinnere an die Aktion „Schüler gegen rechte Gewalt“ vor ziemlich genau einem Jahr.

Der wirkungsvolle Kampf gegen den Rechtsextremismus findet zu einem nicht unerheblichen Teil jedoch im Stillen statt, sicherlich auch in der Familie. Der im Bericht hervorgehobene primärpräventive Ansatz beschreibt dies sehr deutlich. Es ist unumgänglich wenn vielleicht auch weniger öffentlichkeitswirksam -, neben punktuellen Aktionen ein breites Maßnahmenbündel vorzuhalten, das sich an alle Kinder und Jugendliche wendet, das eine kontinuierliche Kinder- und Jugendarbeit garantiert. Neben den im Bericht genannten Projekten spielen die zahlreichen Angebote von Vereinen, von Verbänden, von vielen Akteuren im Lande eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wenn wir uns auf die Suche nach den Ursachen rechtsextremer Gesinnung begeben. Das Deutsche Jugendinstitut als, wie ich denke, anerkannte Kapazität im Bereich der Jugendforschung hat sich - auch das ist gestern schon angesprochen worden - mit diesem Thema beschäftigt. Ergebnisse aktueller Untersuchungen werden im vorliegenden Bericht zitiert und unterstützen den Ansatz des Ministeriums.

Die sozioökonomischen Lebensumstände geben keinen eindeutigen Anhaltspunkt für Gefährdungspotenziale. Wo können die Maßnahmen also ansetzen? Die emotionalen Wurzeln von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt sind nur schwer greifbar. Das Ziel - dies kommt in den Untersuchungen eindeutig zum Ausdruck - muss in jedem Fall sein, grundsätzlich alle Kinder und Jugendlichen zu stärken und zu festigen „Lebenskompetenzförderung“ ist das Stichwort im Bericht. Hinter Ausländerfeindlichkeit versteckt sich häufig allgemeine Menschenscheu und Menschenfeindlichkeit; dies ist eine zentrale Aussage der angesprochenen Untersuchung. Das Fremde wird zur Bedrohung. Auch die Bedeutung von Cliquen ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Sie werden als Orte der Solidarität, der sozialen Heimat und damit der Sicherheit empfunden. Eine Reihe von Angeboten tragen diesem Umstand Rechnung. Sie wenden sich an eine Altersgruppe, die auf der Suche nach Freundeskreisen ist, und bieten Orientierung.

Schnellschüsse sind in der Kinder- und Jugendarbeit immer fehl am Platze. Daher sollten wir gerade mit diesem Thema, das zu Schnellschüssen verleiten mag, sehr sensibel umgehen. Wir bauen auf eine breit angelegte Präventionsarbeit, die frühzeitig ansetzt und die allen Kindern die Chance bietet, sich zu selbstbewussten Persönlichkeiten zu entwickeln, die im Frem

den keine Bedrohung sehen, sondern die Chance zur Bereicherung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir, bevor ich mich dem eigentlichen Bericht zuwende, drei Vorbemerkungen. Erstens, Frau Ministerin Lütkes, ich habe Ihre Ausführungen zum NPD-Verbotsverfahren wirklich dankbar zur Kenntnis genommen. Sie hätten das ja auch bleiben lassen können; ich fand es mutig und richtig. Das entsprach genau meinem rechtsstaatlichen Empfinden. Herzlichen Dank!

Zweitens, als der Kollege Plüschau eben die Abziehbilder verteilt hat, habe ich für mich gedacht: Am liebsten würde ich all die Leute, über die wir heute reden, für ein Jahr auf die Skipiste schicken. Dann wären sie an der frischen Luft, kämen nicht auf dumme Gedanken und würden in internationalen Wettbewerben Menschen aus anderen Ländern kennen lernen.

Drittens, lieber Kollege Geerdts, bei allem Verständnis für die Kabbeleien mit der Kinder- und Jugendbeauftragten: Ich glaube, für die Qualität des Berichts dabei habe ich über die Qualität noch gar nichts gesagt - zeichnet die Kollegin Redmann nun wirklich nicht verantwortlich.

(Widerspruch bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Aber für die Arbeit, die dahinter steckt! Oder für die nicht getane Arbeit!)

Die Qualität des Berichtes kommt dadurch zustande, dass wieder ein Abfragen sämtlicher Präventionsmaßnahmen seitens der Antragsteller stattfand. Das führt dann zu einer Darstellung der verschiedensten Präventionsebenen, der nochmaligen Aufdröselung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und zu der dann obligatorischen Auflistung von 93 Angeboten der Prävention bei Kindern und Jugendlichen nach Ressortzuständigkeiten. So weit mag das ja auch gut sein; eine solche Erfassung mag möglicherweise auch ganz wichtig und notwendig sein. Doch ehrlich gesagt vermisse ich, welche Handlungsoption die Regierung aus dieser Bestandsaufnahme eigentlich ableitet.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es schade, dass vieles, was in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zum The

(Dr. Heiner Garg)

ma „Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Schleswig-Holstein" bereits ausgeführt worden ist, nicht im jetzt vorgelegten Bericht eingearbeitet wurde. Auch daran zeigt sich wieder, dass ein solcher Vernetzungsgedanke, obwohl er immer wieder verbal vorgetragen wird, immer noch fehlt.

Warum werden in dem jetzt vorgelegten Bericht ausschließlich Schwerpunkte im Bereich der Primärprävention aufgelistet? Wäre es nicht notwendig gewesen, die Angebote aller drei Präventionsebenen gedanklich miteinander zu verzahnen? Was ich bislang vermisse, sind konkrete Aufschlüsse darüber, zu welchen Erfolgen die bisherigen Angebote geführt haben. Ich will Ihnen ein Beispiel geben, um ganz konkret klar zu machen, was ich damit meine: Es gibt im Kreis Pinneberg ein spezielles Aussteigerprogramm, das von den Jugendpflegern der Gemeinden, den Jugendzentren, den Schulen, den Amtsgerichten Elmshorn und Pinneberg, dem Kreisjugendring, der Jugendgerichtshilfe, den Sozialen Diensten, der Polizei, dem Verfassungsschutz, der Kreisjugendpflege und dem Kreisjugendschutz getragen wird. Das Aussteigerprogramm wird darüber hinaus durch die Einrichtung eines speziellen Beratungstelefons unterstützt, sodass sogar rund um die Uhr Ansprechpartner für aussteigewillige Jugendliche aus der rechten Szene zur Verfügung stehen. Bei diesem Projekt stehen die verschiedenen Präventionsebenen nicht statisch nebeneinander, sondern gehen fließend ineinander über. Um so spannender ist für mich deshalb die Frage, welche Erfahrungen in diesem Programm gesammelt werden konnten und wie sich die dort bereits vorgenommene Verzahnung der verschiedenen Präventionsebenen in der Praxis bewährt hat. Eine Antwort auf solche Fragen würde ich mir in der Zukunft von solchen Berichten wünschen.

(Beifall bei der FDP)

Möglicherweise können wir dazu ja in der Ausschussberatung kommen. Die Frage lautet nur - und diese Frage müssen sich die Antragsteller einfach gefallen lassen -, ob wir uns in Zukunft alle nach wie vor damit zufrieden geben, eine Liste von irgendwelchen Maßnahmen abzufordern, die das Ministerium dann selbstverständlich vorzulegen hat. Das ist gar keine Frage. Die Frage ist vielmehr, was wir eigentlich damit anfangen, dass wir wissen, dass es 93 Maßnahmen gibt.

(Beifall bei der FDP)

Viel interessanter wäre für mich, dass man, wenn man sich auf eine einzige Maßnahme wie zum Beispiel die im Kreis Pinneberg beschränkt, fragt, was dabei herausgekommen ist und ob sich das auf andere Kreise oder kreisfreie Städte übertragen lässt. Ich erinnere beispielsweise an die Aktion auf dem Kieler Ostufer „Sport gegen Gewalt“, die der ehemalige SPD

Landtagsabgeordnete Herrmann ins Leben gerufen hat. So sollten wir uns in Zukunft über Präventionsprojekte unterhalten und sollten uns nicht fragen, wer 93, 100 oder 120 angeboten hat!

(Beifall bei der FDP und vereinzelter Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bewerte ich es als ein gutes Zeichen für die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Landesregierung des Themas Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bei Jugendlichen annimmt, dass sie in dieser kurzen Zeit von November bis Januar von der Weihnachtsund Winterpause ganz zu schweigen - eine so umfangreiche Zusammenstellung von konkreten Präventionsangeboten vorlegen kann.

(Beifall bei der SPD)

Es geht dabei um konkrete Projekte und konkrete Angebote, Herr Garg. Insofern sind wir, denke ich, nicht so weit auseinander. An dieser Stelle begreife ich das Wissen, das uns die Landesregierung so kurzfristig geben kann, als ein gutes Omen dafür, dass der Gedanke der Vernetzung nicht so fern liegt. Weil diese Informationen so präsent sind, liegt doch die Antwort auf die Frage, was wir mit diesen Informationen machen, eigentlich recht nahe. Man muss an das Thema mit einer normalen Lebenseinstellung herangehen. Das bedeutet doch: Dinge, die man präsent hat, kann man auch einigermaßen normal „controllen“.

Wir haben unterschiedlichste Angebote für Multiplikatoren, Beratungsangebote, sportliche und pädagogische Angebote, Freizeitangebote, Demokratieangebote, Projekte gegen Gewalt in der Schule und gegen sexuelle Gewalt, Sucht- und Gesundheitsprävention, Projekte aus dem Jugendministerium, aus dem Innenministerium, aus dem Verkehrsministerium und vieles andere mehr. Ich finde es hervorragend, wie wir in Schleswig-Holstein den Ansatz von Prävention oder „Lebenskompetenzerziehung“ real mit Leben erfüllen, und zwar durch alle thematischen Bereiche hindurch, die das Leben und Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen berühren.

Leider fand ich Ihre Rede, Herr Geerdts, ganz im Vergleich zu dem, was Herr Wadephul gestern angeboten hat, eine Nullrede. Bei der gestrigen Debatte des Themas haben Sie wohl nicht zugehört, denn sonst wüssten Sie, dass es für Kinder einen bestimmten Punkt

(Irene Fröhlich)