die Sie damit schaffen wollen. Es ist der Versuch, zwischen allen Seiten zu vermitteln, es allen Recht zu machen und Selbstverständlichkeiten zu betonen.
Das Ganze ist ein bisschen verpackt in betriebswirtschaftliches Neudeutsch. Ich fürchte, lieber Kollege Geerdts: Wenn das am Ende dieser politischen Diskussion auf Bundesebene herauskommt, haben wir in der Tat verloren, haben wir es verspielt, die Strukturen der Arbeitsvermittlung für die nächsten Jahrzehnte zukunftsfest zu machen.
Weil zum Beispiel der Vorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, sehr deutlich vom organisierten Versagen gesprochen hat, bitte ich darum, dass alle, unabhängig
davon, in welchen Fraktionen oder politischen Gruppierungen sie sich gerade befinden, die ein echtes Interesse an der Zukunftsfähigkeit der Arbeitsvermittlung haben, einmal über ihren Schatten springen und darüber nachdenken, wie wir ein zukunftsfähiges System auf die Beine stellen. Da geht es nicht um Ideologie, sondern um die Koordinierung eines hoffentlich in Zukunft wieder zukunftsfähigen Arbeitsmarktes.
(Lebhafter Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede war deutlich besser als der Antrag! - Lars Harms [SSW]: Aber noch nicht gut genug!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuellen Vorfälle um die Bundesanstalt für Arbeit belegen deutlich, dass die Bundesanstalt für Arbeit mit ihren Aufgabenfeldern gründlich reformiert werden muss. Aber ich will auch deutlich sagen - das hat der Kollege Garg auch schon angesprochen -: Es kann nicht angehen, dass wir pauschal alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit für Fehler heranziehen, die sie nicht zu verantworten haben.
Diejenigen allerdings, die gemogelt und gemauschelt haben, müssen für ihr Tun gerade stehen. Diejenigen, die es versäumt haben, Missstände anzupacken beziehungsweise Missstände, die ihnen bekannt waren, abzustellen, müssen auch Verantwortung übernehmen.
Das Kerngeschäft der Bundesanstalt für Arbeit, die Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit beziehungsweise die Qualifizierung von Arbeitslosen beziehungsweise von durch Arbeitslosigkeit bedrohten für Arbeit im allgemeinen Arbeitsmarkt muss viel stärker wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Vorschläge, wie sie im Antrag der Fraktion der FDP aufgegriffen werden, sind allerdings vorschnell und ungeeignet. Lieber Heiner Garg, gerade die Punkte, die du in deinem Antrag unter Bereich 2 zusammengeführt hast, erinnern in ihrer Qualität an eine Silvesterrakete: Erst zischt’s, dann knallt’s, dann leuchtet’s kurz und hell und danach ist es genauso duster wie vorher.
Die Vorschläge der FDP-Fraktion führen lediglich zu einer Zerschlagung der Bundesanstalt für Arbeit. Es ist
aber notwendig, dass die Arbeitsvermittlung, das heißt die Bundesanstalt für Arbeit, wieder neu Vertrauen gewinnen muss. Dazu gehört es eindeutig und klar festzuhalten: Die jetzt aufgedeckte Praxis kann sich nur über viele Jahre hinweg entwickelt haben. Wegschauen, wegdiskutieren bis hin zu einem behördeninternen Klima, in dem Mitarbeiter den Eindruck gewonnen haben, falsche Handlungsweisen wie Fehler bei Vermittlungsbuchungen seien gewollt! Diese eklatanten Fehlverhalten müssen abgeschaltet werden. Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch über personelle Konsequenzen geredet werden.
Was ist zu tun? - Zumindest nicht der Schnellschuss, den der Kollege Garg vorschlägt. Lieber Heiner Garg, las doch einmal die Kirche im Dorf und vermeide doch einmal den Fehler, der uns in der Politik als ständige Versuchung anhaftet, nämlich Fehler nicht schlicht als Fehler zu bezeichnen, sondern einen draufzusetzen und tags darauf Patentrezepte aus des Knaben Wunderhorn zu zaubern.
- Wir haben dann immer gleich Patentrezepte. Genau das ist es, was die Glaubwürdigkeit von Politik infrage stellt. Die ist nämlich so durchschaubar.
Keine Frage, die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit muss ordentlich gemacht werden. Schleswig-Holstein wir wollen daran mitwirken - soll dabei an der Spitze der Bewegung sein. Das ist die Antwort von Heiner Garg. Na prima, dann wollen wir mal von Ihnen beziehungsweise von der FDP hören, wie denn die Landeskasse zum Beispiel die vielen Hundert Stellen bei den Finanzämtern herausarbeiten soll oder wie der kommunale Finanzausgleich ausgedehnt werden soll; denn die Verwaltungskosten werden zum größten Teil auf die Kommunen umgelegt. Wenn die Arbeitsvermittlung privatisiert werden soll - worüber man durchaus reden kann -, sollte auch klargestellt werden, wie die Kosten von den Arbeitgebern mit aufgebracht werden können.
Mit Folgendem haben nicht nur private Arbeitsvermittler Probleme. Es gibt nämlich Sperrzeiten. Diese Sperrzeiten greifen zum Beispiel direkt in die Lebensqualität von Menschen ein. Ist es nicht eine hoheitliche Aufgabe, wenn man Menschen an den Rand ihres Existenzminimums bringt? Wie sollen das Private machen? Wer soll das kontrollieren? - Fragen über Fragen, die sich dem Kollegen Garg natürlich nicht stellen; er hat gleich das Patentrezept in der Tasche und sagt, es müsse so laufen.
Herr Kollege Baasch, ist Ihnen bekannt, dass über den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, an dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer beteiligen, ungefähr 70 % der Kosten der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden?
Ja. Aber wenn es um private Arbeitsvermittler geht, dann ist doch die Frage, ob Betriebe auch für private Arbeitsvermittler automatisch zur Finanzierung der Kosten herangezogen werden sollten. Darüber können wir doch einmal nachdenken.
Außerdem ist die Frage, wer größere Vorteile hat. Zahlt jemand mehr, weil er besser qualifizierte Arbeitnehmer oder schneller Arbeitnehmer bekommt? Nach welchem System können private Arbeitsvermittler in diesem Bereich kontrolliert werden, nach ihren Vorlieben, nach den zufälligen Fahrtrouten, bei denen sie an Betrieben vorbeikommen?
Es ist doch die Frage, wie genau und wie passgenau es laufen soll. Ich glaube, wir haben da bisher bessere Argumente und haben bessere Wege eingeschlagen, was die Neustrukturierung der Arbeitsvermittlung angeht.
- Schauen Sie doch einmal in das Job-Aqtiv-Gesetz hinein. Darin ist zum Beispiel die Zusammenarbeit in Qualifizierung und Weiterbildung geregelt. Natürlich sind auch private Arbeitsvermittler zugelassen. Selbstverständlich werden wir im Rahmen der Reform der Arbeitsverwaltung auch darüber nachdenken müssen, wie so etwas noch verstärkt werden kann.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Fragen Sie einmal die Ministerin, ob sie der Meinung ist, dass die BA das Job-Aqtiv-Gesetz umsetzt!)
Es geht, wie gesagt, darum, ob die privaten Arbeitsvermittler, was zum Beispiel Sperrzeiten anbelangt, nicht auch mit hoheitlichen Aufgaben betraut werden.
Ein anderer Bereich, über den auch nachzudenken ist, sind die angeblich und - wie ich finde - zu Recht so
genannten schwierigen Fälle. Wer bearbeitet die schwierigen Fälle, bei denen es lange dauert, bis ein Vermittlungsergebnis vorliegt?
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird heute schon von pri- vaten Agenturen gemacht!)
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Kreis Plön wird das von einer privaten Agentur gemacht!)
- Das ist richtig. Deswegen zahlt der Kreis Plön aus der Kreiskasse extra dazu. Wir können dieses System, Kollege Hentschel, natürlich ausdehnen. Ich möchte einmal sehen, wie die Kommunen das Geld dafür über die Sozialhilfe zur Verfügung stellen. Wahrscheinlich hat man es ja auch in den Kommunen, in denen die Grünen etwas zu sagen haben.
Die Bundesregierung ist in weiten Bereichen vorbildlich und bereits Schritte weiter. Es seien Stichworte wie „Fördern und Fordern“ oder auch „Mozart“ - ein Begriff, der für die konstruktive Zusammenführung von Arbeits - und Sozialhilfe im Rahmen von Modellvorhaben steht - genannt. Mozart heißt: Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe. Dieses Modellvorhaben wird in einigen Arbeitsamtbezirken in Schleswig-Holstein erprobt und verspricht interessante Ergebnisse. Erwähnt sei auch das Job-Aqtiv-Gesetz, über das wir bereits an anderer Stelle hier im Haus diskutiert haben.
In diesem Zusammenhang sei zum Thema Job-Aqtiv erneut angemerkt: Die Verstärkung der Vermittlungsbemühungen sind Kernteil des Job-Aqtiv-Gesetz. Mit dem Job-Aqtiv-Gesetz folgt die Bundesregierung Empfehlungen des Bündnisses für Arbeit. Im neuen Job-Aqtiv-Gesetz ist bereits die Zusammenarbeit mit privaten Vermittlern und Weiterbildungsträgern erweitert worden. Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation ist sicherlich zu prüfen, wie es hierbei zu einer noch engeren Kooperation einerseits und mehr Wettbewerb andererseits kommen kann. Ein echtes Benchmarking der verschiedenen regionalen Arbeitsämter mit größerer Flexibilität und Verantwortung für Entscheidungen vor Ort muss installiert werden. Ob wir dann die verschiedenen Organisationsebenen von unten, vom Arbeitsamtbezirk über die Landesarbeitsämter bis hin zur Bundesanstalt in Nürnberg noch
brauchen, möchte ich auch infrage stellen. Vielleicht reicht in Zukunft eine zweistufige Arbeitsverwaltung. Bei rund 90.000 Beschäftigten bei der Bundesanstalt für Arbeit, darunter nur gut 8.000 Arbeitsvermittler, muss sicherlich genau über die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte der Bundesanstalt für Arbeit nachgedacht werden.
Dass Nebeneinander unterschiedlicher Sozialversicherungssysteme bei Arbeitslosigkeit verursacht auch für die Zukunft Reibungsverluste. Es besteht eindeutig ein Reformbedarf.
Der Anteil der Arbeitslosen an allen Leistungsempfängern der Bundesanstalt für Arbeit, die Arbeitslosenhilfe erhalten, beträgt in Westdeutschland 44,4 % und in den neuen Bundesländern 48,2 %. Die Kommunen wären von Leistungseinschnitten bei der Arbeitslosenhilfe stark betroffen, weil dieser Personenkreis nahezu unmittelbar auf die Sozialhilfe zurückgreifen müsste. Deshalb muss man sich bei der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe aufeinander zubewegen. Aber es muss ein Weg gefunden werden, der nicht dazu führt, dass Arbeitlosenhilfeempfänger und ihre Familien automatisch mit Kürzungen in eine Armutsspirale getrieben werden