Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

Die SPD-Fraktion, meine Damen und Herren, akzeptiert dieses Vorgehen natürlich. Wir hätten es auch dann akzeptiert, wenn uns der Minderheitenschutz im UAG nicht ohnehin dazu veranlassen würde. Wir haben wie die parlamentarische Minderheit ein hohes Interesse an der zügigen und vorbehaltlosen Aufklärung der Vorgänge, zumal wir überzeugt sind, dass nur rückhaltlose Offenheit in diesen und in anderen Fragen das erforderliche Vertrauen in die Politik insgesamt wieder herstellen kann. Auch wenn es immer nur einige wenige Personen sind, jeder einzelne Fall fällt auf die Gesamtheit der Politik, der Politiker zurück und darüber sollten wir uns alle in diesem hohen Hause im Klaren sein.

Herr Kayenburg hat für die Opposition gesagt, dass sie rechtzeitig einen neuen Antrag einreichen werde. Wir bitten darum, diesen Antrag dann auch im Vorschlags

(Holger Astrup)

text entsprechend rechtzeitig zu bekommen, damit wir unsererseits damit umgehen können.

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Um das Jahr 2000 herum haben wir alle uns in diesem hohen Haus und anderswo über die damalige Affäre der CDU unterhalten, die ja bis heute nicht endgültig geklärt ist. Wir haben damals von der CDU gefordert, rückhaltlos aufzuklären. Und das, was damals galt, gilt logischerweise auch jetzt. Keine Partei wird aus den aktuellen Affären einen langfristigen Vorteil für sich erhoffen können. Die Politik insgesamt wird verlieren. Wir müssen alle Kraft daransetzen, dass sich die Menschen nicht grundsätzlich von der Politik abwenden und bei den anstehenden Wahlen mit Wahlenthaltung reagieren.

Wir, meine Damen und Herren, werden unseren Teil dazu beitragen und freuen uns, dass es gelungen ist, ein geordnetes Verfahren zu finden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwar keinen vorbereiteten Redetext, aber ich bin trotzdem vorbereitet.

(Zuruf von der CDU: Das haben wir auch erwartet!)

Ich möchte für meine Fraktion einige Positionen klarstellen, damit in der Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht.

Zunächst einmal, Herr Kollege Kayenburg, haben Sie mit dem Zitieren einer Reihe von Presseveröffentlichungen deutlich gemacht, mit welcher Dringlichkeit der Schleswig-Holsteinische Landtag sich eigentlich mit der Materie beschäftigen muss. Damit korrespondiert nicht die Rücknahme Ihres Antrages ohne gleichzeitige Vorlage einer Neuformulierung am heutigen Tage; denn Sie bringen das Parlament in die Situation, dass wir uns vor Ende April mit diesem Thema nicht beschäftigen können. Das versuchen Sie bitte einmal der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit zu erklären!

(Beifall bei der FDP)

Das Zweite - und das geht an beide Fraktionen -: Ich will nicht glauben - und das klang in Ihrer Rede an -, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten dieses hohen Hauses kein Interesse an einer Aufklärung ha

ben. Ich will nicht glauben, dass wir uns in dieser Frage auf das ursprüngliche Spiel begeben: Opposition klärt auf, regierungstragende Fraktionen wehren ab. Denn meine persönliche Vermutung und die meiner Fraktion ist, dass sich hier einige Personen ihrer Funktion und Stellung innerhalb des Regierungsapparats bedient haben, um sich zu bedienen. Es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, das aufzuklären und dabei gleichzeitig die Frage zu stellen, wie es dazu kommen konnte. Aber wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als hätten wir es hier mit Teilen einer regierungsamtlichen Politik zu tun, denn das - da gebe ich dem Kollegen Astrup Recht - schadet im Zweifel der gesamten politischen Klasse.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW)

Ich hätte mir gewünscht - und ich war mir sicher, dass dies möglich wäre -, die nächsten beiden Tage unserer Beratungen hier im hohen Hause zu nutzen, um vielleicht für Freitag zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen, der sich mit der Aufarbeitung dieser Affären beschäftigt.

Kollege Astrup, bei allem Respekt vor wem auch immer, der sich mit dem Untersuchungsausschussgesetz beschäftigt hat: Dass der Schleswig-Holsteinische Landtag in der Lage ist, durch einstimmigen Beschluss oder jedenfalls durch Mehrheitsbeschluss einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und mit einem Auftrag zu versehen, und zwar zu jeder Zeit, ohne dass er auf irgendeine Frist Rücksicht nehmen muss, liegt so offenkundig auf der Hand, dass ich darüber nicht mehr sprechen will. Selbstverständlich sind wir in der Lage, sogar ad hoc gemeinsam einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Frist ist eine Frist zugunsten einer Minderheit, die ihre Minderheitenrechte wahrnimmt. Aber wenn wir uns einig sind, brauchen wir keine Reduzierung auf die Minderheitenrechte. Selbstverständlich könnten wir am Freitag einen gemeinsamen Beschluss fassen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit der Möglichkeit, uns noch vor Ostern darauf zu verständigen, wie wir das abarbeiten können.

(Martin Kayenburg [CDU]: Da schneiden Sie Rechte der Betroffenen ab!)

- Herr Kollege Kayenburg, welcher Betroffene kann Einfluss darauf nehmen, dass Sie den Antrag auf einen Untersuchungsausschuss einreichen? Hören wir, bevor wir einen solchen Beschluss fassen, jemanden an? Hören Sie jetzt jemanden an? Hören Sie Herrn Pröhl oder Herrn Lohmann an? Das ist doch völliger Unsinn.

Genauso wie der Deutsche Bundestag ad hoc entsprechende Untersuchungsausschussbeschlüsse fassen kann, können wir das auch. Entscheidend ist nur, dass

(Wolfgang Kubicki)

wir, wenn wir von der Mehrheit in eine bestimmte Richtung gelenkt worden sind, das aufgrund von Minderheitenrechten abwenden können. Wenn wir uns aber einig sind - und das unterstelle ich auch bei der Sozialdemokratie -, bedarf es dieser Rekurrierung auf die entsprechenden Fristen nicht. Dass wir das versäumt haben, ist etwas, was die Bürgerinnen und Bürger nicht verstehen und was sie uns insgesamt als politische Klasse anhängen werden, nicht nur Einzelnen.

Dass wir uns erst am 29. April mit einem Einsetzungsbeschluss befassen können, Herr Kollege Kayenburg, ist wirklich ein Ding, das ich auch nach zehn oder zwölf Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit nicht verstehen kann. Das werden Sie mir erklären müssen.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hatte sich darauf eingestellt, heute inhaltlich zu debattieren. Ich möchte auch gleich vorneweg sagen, dass ich es für richtig befunden hätte. Wir hätten heute dieses Thema gerne besprochen. Ich glaube, die CDU hat die ganze Sache schlicht und ergreifend vergeigt. Sie hat keine Aktuelle Stunde angemeldet, sie hat die Antragsfrist, die gegeben war und über die man das Untersuchungsthema hätte erweitern können, nicht genutzt. Nun haben wir die Situation, dass wir heute im Zusammenhang mit einem zurückgezogenen Antrag debattieren. Die zentrale politische Debatte, die geführt werden muss und nicht erst Ende April geführt werden kann, haben wir heute aber nicht. Das finde ich schade, denn das Signal, das von diesem Parlament ausgehen muss, ist, dass wir eine Situation im Lande haben, über die wir alle nicht glücklich sind. Wir wollen alle - das sage ich für meine Fraktion sehr deutlich - eine möglichst schnelle Aufklärung. Wir wollen nicht bis zur Bundestagswahl nur noch Schlagzeilen produzieren, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigen, sondern wir stehen in der Verantwortung, Sachthemen von PISA bis zu anderen schwierigen Problemen im Lande miteinander zu diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen die Entscheidung in der Sache, dass e i n Untersuchungsausschuss eingesetzt werden soll.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kayenburg, Sie haben es vergeigt. Machen Sie es nicht noch schlimmer durch unqualifizierte Zwischenrufe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen also, dass es einen Untersuchungsausschuss geben wird. Wir stimmen auch der Sondersitzung zu. Das ist völlig in Ordnung.

Ich will hier noch einmal deutlich sagen, dass wir in der Behandlung trennen müssen zwischen den Aufgaben, die die Staatsanwaltschaft erfüllen muss und erfüllen wird, und den Aufgaben des Parlaments. Das ist ganz zentral, und bis wir Ende April miteinander in die Hufe kommen, wird die Staatsanwaltschaft nach meiner Einschätzung hoffentlich einen Teil der Dinge bearbeitet und aufgeklärt haben, auf jeden Fall in die richtigen Wege geleitet haben.

Wenn wir miteinander diskutieren, werden wir sehen müssen, dass die Öffentlichkeit - auch das möchte ich noch einmal sagen, weil mir das wichtig ist - überhaupt versteht, worum es geht. Wir werden unabhängig davon eine sehr gründliche, an der Sache orientierte Aufklärung betreiben. Für meine Fraktion möchte ich hier auch sagen, dass wir der Ministerpräsidentin zutrauen, dass sie gemeinsam mit uns das Interesse hat, jetzt wieder eine Situation herzustellen, in der Sachthemen wieder im Vordergrund stehen. Das geht nur, wenn im Untersuchungsausschuss so zugearbeitet wird, dass wir dort dann die Unterlagen haben.

Ein Letztes, Herr Kubicki, was ich gestern bei Ihrer Pressemitteilung nicht verstanden habe. Sie sind jetzt böse auf die CDU und sagen, um die zu ärgern, würden Sie hier nun Details über Herrn Pröhl berichten. Den Zusammenhang habe ich nicht verstanden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Den versteht hier keiner!)

Ich bin aber auch froh

(Zuruf von der FDP: Lesen!)

- ich kann lesen -, dass Sie dies heute so nicht getan haben, sondern sachorientiert geredet haben. Ich denke, wir können die Debatte, wenn der SSW noch gesprochen hat, beenden und die Verfahren einleiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Landtagssitzung machte der SSW deutlich, dass mit diesem politischen Schwert eines Untersuchungsausschusses immer sehr sorgfältig und verantwortungsvoll umgegangen werden muss, damit dieses Schwert nicht stumpf wird. Wir machten weiterhin deutlich, dass es bei der so genannten Computeraffäre richtig gewesen wäre, erst einmal im Finanzausschuss und in der Haushaltsprüfgruppe die Sache aufzuarbeiten.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, war vor vier Wochen. Seitdem ist vieles passiert, vieles, was es richtig erscheinen lässt, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Die Stichworte dazu sind schon genannt worden. Für uns steht daher weiterhin im Mittelpunkt die Frage, inwiefern durch eine Verquickung von privaten und öffentlichen Interessen dem Land Schaden zugefügt worden ist. Alles andere, liebe Kolleginnen und Kollegen, was mit Kriminalität, Betrug, Korruption und so weiter zu tun hat, wird von der Staatsanwaltschaft untersucht werden und wird auch zu Gerichtsverhandlungen führen müssen.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich, dass die CDU, wie heute schon von dem Oppositionsführer gesagt wurde, einen erweiterten, neuen Antrag stellen wird. Dass dies formal gesehen der richtige Weg ist, hat der Kollege Astrup vorhin schon gesagt. Es gibt also aus unserer Sicht gar keinen anderen Weg als den, jetzt einen neuen Antrag zu stellen.

Ich möchte aber auch noch einmal sagen, wenn wir als Parlament die Absicht ernst nehmen, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, dann müssen wir auch unsere eigene Arbeitsweise ernst nehmen. Wenn nicht die Wirkung, sondern die Aufklärung im Mittelpunkt steht, dann geht es nicht anders als so, wie wir es hoffentlich mit ganz großer Mehrheit beschließen werden. Wir müssen uns auch immer wieder vor Augen führen, dass die Zeit nicht stillstehen wird, dass hoffentlich vieles von dem, was heute noch im Raum steht, von der Staatsanwaltschaft weiter analysiert und auch weiter verfolgt wird. Das heißt, letztlich wird es auch für den Untersuchungsausschuss einen klareren Auftrag geben. Das sollten wir begrüßen, dass alle aufklären wollen, dass alle vom Land Schaden abwehren wollen, dass alle die Verantwortung fühlen, diese Aufklärung für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie zu leisten. Ich denke, daran gibt es keinen Zweifel und das sollte heute die Konklusion dieser Geschäftsordnungsdebatte sein.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und CDU)

Damit ist der Tagesordnungspunkt 12 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/1667