Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

muss ich sagen, dass Sie sehr bescheiden sind. Aber das gilt insgesamt für Ihre Persönlichkeit. Insofern sind Sie da nur konsequent.

(Holger Astrup [SPD]: So ein Unsinn!)

Der Start des elektronischen Grundbuches erfolgte erst im Dezember vergangenen Jahres an einem Amtsgericht. Hier sind noch erhebliche Entlastungspotenziale erschließbar. Gleichzeitig lässt sich die Bearbeitungsdauer nachhaltig verringern.

Übrigens wird bei Modernisierungsmaßnahmen - das geht nicht nur von Amtsgericht aus - das Fehlen eines einheitlichen Projektmanagements durch das Justizministerium beklagt. Es wäre gut, wenn das in Ihrem Haus verändert würde, Frau Ministerin. Dann würden sich Amtsgerichte nicht Belastungen ausgesetzt sehen, denen sie teilweise nicht gewachsen sind und denen sie teilweise angesichts der Personalausstattung nicht gewachsen sein können.

Die lange Wartezeit der geprüften Rechtskandidaten auf einen Referendarplatz in Schleswig-Holstein hat immer wieder für Unruhe gesorgt. Es macht keinen Sinn, Studierende zum Freischuss anzutreiben, um sie anschließend in eine lange Warteschleife einzureihen. Zwar hat sich die Wartezeit verringert; sie liegt aber immer noch bei fast zehn Monaten. In sechs Bundes

ländern gibt es überhaupt keine Wartezeit, in drei weiteren ist sie deutlich geringer als in SchleswigHolstein. Von der deutlichen Absenkung der Referendarbezüge erhofft sich die Landesregierung nun eine Abnahme des Zustroms aus anderen Bundesländern. Wie lange dieser Vergraulungseffekt anhält, wenn weitere Bundesländer dazu übergehen, die Einstellung nicht mehr im Dienstverhältnis als Beamte, sondern im Verhältnis als Praktikanten durchzuführen, bleibt abzuwarten. Möglicherweise haben wir dann wieder die gleiche Situation wie zu Beginn. Auf jeden Fall müssen wir diese Situation im Auge behalten und im Fachausschuss weiterhin diskutieren.

Frau Ministerin, als Sie Ihr Amt als Justizministerin in Schleswig-Holstein antraten, haben Sie im Justizvollzug wahrhaft deprimierende Verhältnisse vorgefunden: marode Vollzugseinrichtungen mit einem gewaltigen Investitionsstau, in denen den Anforderungen des Strafvollzugsgesetzes in vielfältiger Hinsicht nicht Rechnung getragen wurde, eine unzureichende Personalausstattung, kurzum Bedingungen, unter denen ein moderner Strafvollzug in keiner Weise verwirklicht werden konnte. Natürlich - das räume ich ein - konnten in dem bisher kurzen Amtszeitraum nicht alle Versäumnisse Ihrer Amtsvorgänger aufgearbeitet werden. Wir haben es daher ausdrücklich begrüßt, dass sie relativ kurzfristig ein Investitionsprogramm für unsere Justizvollzugsanstalten aufgelegt haben, um die gröbsten Mängel, wenn auch nicht alle, zu beseitigen. Mehrere Maßnahmen wurden seitdem begonnen und müssen zügig vollendet werden.

Umso alarmierender ist es, wenn es in der Antwort der Landesregierung heißt:

„Zeitliche Verschiebungen einzelner Baumaßnahmen des Investitionsprogramms in das jeweilige folgende Planjahr dienen in erster Linie der Haushaltsentlastung.“

Ich habe bereits im vergangenen Jahr kritisiert, dass von Ihren 111-Millionen-DM-Investitionsprogramm zum damaligen Zeitpunkt mehr als 50 % weder im Haushalt veranschlagt noch in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten waren. Eine Durchsicht des Haushalts 2002 zeigt, dass über 5 Millionen € Ihres Ursprungsprogramms weder veranschlagt noch entsprechende Verpflichtungsermächtigungen vorhanden sind. Daher scheint auch diese Landesregierung zumindest eine zeitgerechte Verwirklichung Ihres Investitionsprogramms schon längst nicht mehr anzustreben. Ich kann das nur bedauern.

Besonders dramatisch hat sich die Situation im Justizvollzug dargestellt. Die erste SPD-Landesregierung hatte die katastrophale Fehlentscheidung getroffen, die Pläne für den Bau einer hochmodernen neuen Ju

(Thorsten Geißler)

gendanstalt einfach auf den Müll zu werfen. Hierunter hatten zahlreiche jugendliche Gefangene zu leiden, die in den Folgejahren unter den völlig unbefriedigenden Bedingungen der Anstalt Neumünster ihre Jugendstrafe verbüßen mussten und müssen. In Zeiten knapper Haushaltsmittel wäre es allemal sinnvoll gewesen, eine zentrale Jugendanstalt zu bauen, die über ein breites Spektrum an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten verfügt hätte. Nun haben wir durch das Planungswirrwarr Ihrer Vorgänger gleich mehrere Einrichtungen: Schleswig mit geschlossenem und offenem Vollzug, die Außenstellen Flensburg und Neumünster. Die Schleswiger Einrichtungen sind modern und gut ausgestattet. In Neumünster ist ein Neubau dringend erforderlich. Flensburg war ein Prestige- und Vorzeigeobjekt eines Ihrer Vorgänger. Allerdings war die Einrichtung zu keinem Zeitpunkt voll belegt. Es mangelte schlicht an dafür geeigneten jugendlichen Gefangenen. Die Einrichtung wird gleichzeitig mit Erwachsenen belegt,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Deswegen der An- trag der CDU heute!)

sodass das Trennungsgebot missachtet wird. Ob die dafür anfallenden beträchtlichen Mittel nicht an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnten, ist dringend prüfungsbedürftig.

Es gibt auch andere Planungsfehler. Es gab zuzeiten der CDU einmal eine sozialtherapeutische Anstalt in Lübeck. Die Nachfolgeregierung hat nichts Besseres zu tun gehabt, als sie zu schließen. Jetzt muss sie nach Bundesrecht wieder eingerichtet werden. Das ist allemal teurer, als es gewesen wäre, sie von vornherein aufrecht zu erhalten.

Wir haben heute über die negativen Veränderungen bei der Zusammensetzung unserer Gefangenenschaft und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, debattiert. Immerhin haben Ihre Vorgänger den Forderungen meiner Fraktion auf eine Verbesserung der äußeren Sicherungsmaßnahmen in unseren Justizvollzugsanstalten Rechnung getragen, sodass sich die Zahl der Ausbrüche im Jahr 2000 auf null eingependelt hat. Wir hoffen, dass es so bleibt.

Dennoch gibt es weiterhin Sicherheitsdefizite. Die Kontrollen von Besucherinnen und Besucher der Gefangenen sind unverändert völlig unzureichend. Eine Überwachung des Besuchs ist unter den bestehenden Bedingungen kaum möglich. Hierauf haben wir immer wieder hingewiesen. Aber geschehen ist überhaupt nichts. So kann es auch niemanden verwundern, dass Drogen in unseren JVAs zum Alltag gehören.

Ein erheblicher Anteil der Gefangenen ist drogenabhängig. Das verbessert ihre Sozialprognose nicht.

Zwar haben Sie Ihr unsinniges Spritzenaustauschprogramm glücklicherweise nicht verwirklicht. Aber an einer entschlossenen Bekämpfung der Drogenproblematik mangelt es leider völlig. Dazu zählen nicht nur, wenn auch selbstverständlich, Suchtberatung und Therapie. Entscheidend ist es, die Verfügbarkeit von Drogen zu beseitigen. Informieren Sie sich beispielsweise einmal in der JVA Rostock-Waldeck, welche Kontrollen dort mit welchem Erfolg durchgeführt werden. Dann hätten wir auch in Schleswig-Holstein eine weniger dramatische Drogensituation in unseren Haftanstalten, als es jetzt der Fall ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten im Übrigen im Interesse der inneren Sicherheit, dass Vollzugslockerungen nur nach sorgfältigster Prüfung gewährt werden. Zwar ist der Prozentsatz der Nichtrückkehrfälle von Beurlaubten gering. Aber immerhin kam es im Berichtszeitraum zu 30 leichteren sowie vier schweren Straftaten von entwichenen Gefangenen. 20 entkommene Gefangene konnten noch nicht wieder festgenommen werden.

Wir erwarten im Übrigen auch, dass Ausführungen, die nach dem Strafvollzugsgesetz ausdrücklich vorgesehen sind, so gestaltet werden, dass ein Entweichen oder eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen sind. Meine Damen und Herren, die Ostseetherme beispielsweise ist als Ausflugsziel völlig ungeeignet.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Ich hoffe, dass sich Vorkommnisse, wie wir sie festzustellen hatten, in unserem Bundesland nicht wiederholen.

(Beifall bei der CDU)

Beunruhigend ist weiterhin die hohe Arbeitslosigkeit im Vollzug. Für mehr als 1.600 Gefangene gibt es lediglich 644 Arbeitsplätze und wenige Ausbildungsplätze. Für eine erfolgreiche Resozialisierung und berufliche Qualifizierung ist aber eine sinnvolle Beschäftigung in der Regel unverzichtbar. Wir erwarten daher von der Landesregierung erhebliche Anstrengungen, um die Beschäftigungssituation zu verbessern.

Das gilt auch für das Problem des Analphabetismus. Jeder elfte Häftling ist Analphabet. Wir freuen uns, dass Sie die bisher lächerlich geringen Mittel immerhin ein wenig erhöht haben, um dieses Problem zu entschärfen.

Schwersten Belastungen ist das Personal im allgemeinen Justizvollzugsdienst seit Jahren ausgesetzt. Die Personalausstattung ist unbefriedigend. Nicht zuletzt deshalb sind wohl die entsprechenden Tabellen in der

(Thorsten Geißler)

Antwort der Landesregierung auch besonders klein gedruckt. Immerhin hat die Landesregierung im vergangenen Haushaltsjahr einigen Forderungen der Opposition nach Stellenzahlerhöhung Rechnung getragen, nachdem entsprechende Anträge zuvor stets abgelehnt worden waren. Noch immer aber ist die Stellenschlüsselerhöhung nicht befriedigend. Hier sind deshalb weitere Akzente erforderlich.

Meine Damen und Herren, zum Schluss einige Probleme in Kürze, die ich nur stichwortartig erwähnen kann. Wir sind besorgt über den starken Anstieg der Belastung der Bewährungshilfe, bedingt durch einen Anstieg der Probanten von 3.500 im Jahr 1994 auf heute 4.500. Wir sind besorgt über den ausweislich der uns übermittelten Zahlen geringeren Frauenanteil an R1-Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften - das sollte Sie besonders interessieren, Frau Frauenministerin - und über die Kürzung der Fortbildungsmittel an den Gerichten um 25 %.

Wir können heute nicht alle Probleme abhandeln. Das wird der Ausschussberatung vorbehalten sein, die wir sorgfältig durchführen werden. Heute aber können wir bereits feststellen: Handlungsbedarf besteht für Sie, Frau Justizministerin, in zahlreichen Feldern, um die aufgezeigten Probleme zu lösen, zumindest aber zu entschärfen. Dabei werden wir Sie kritisch begleiten.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Geißler hat hier in hoher Geschwindigkeit uns allen mitgeteilt, dass das Glas halb leer ist. Ich werde Ihnen mitteilen, dass es halb voll ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das wird Sie nicht besonders wundern, aber so ist nun einmal die Arbeitsteilung hier in diesem Hause und ich werde mich daran halten.

Wir stimmen sicherlich darin überein, dass eine funktionstüchtige und effiziente Justiz eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürgern in den Rechtsstaat ist. Auch wenn man die Arbeit der Justiz nicht vollständig in Zahlen und Tabellen abbilden kann, sondern vor allem nach ihrer Qualität fragen muss, nämlich: „Ist die Justiz gerecht?“ - das wäre ja schließlich ihre Hauptaufgabe -, bieten die von der Justizministerin vorgelegten Daten wichtige Indi

katoren für die Qualität der Justiz in SchleswigHolstein.

Von besonderem Interesse sind dabei die Verfahrenszahlen und vor allem die Verfahrensdauern. Eine bürgerfreundliche Justiz muss Verfahren in angemessenen Zeiten erledigen. Niemand ist gern in einem Rechtsstreit. Jeder strebt nach Rechtssicherheit und diese muss der Staat bei Wahrung der materiellen Qualität der Entscheidungen garantieren können. Dass dies in Zeiten leerer Kassen eine besondere Herausforderung darstellt, weiß hier jeder. Insofern wäre der Ruf nach mehr Personal weder eine besonders kreative Lösung der Probleme der Justiz noch eine wirklich hilfreiche. Es gilt nach wie vor beides: Modernisierungspotenziale auszuschöpfen und die Justiz im Vergleich zu anderen Ressorts nicht zu vernachlässigen. Klaus-Peter Puls hat in diesem Zusammenhang auch schon darauf hingewiesen.

Wie sehen nun die Verfahrenszahlen und -dauern aus? Auffällig ist, dass weder die Entwicklung der Zahlen noch die Dauer der Verfahren eine eindeutige Tendenz aufweisen. Bei den meisten Gerichten ist das Verhältnis zwischen Zugängen und Erledigungen ausgeglichen. Lediglich beim Finanzgericht und bei den Sozialgerichten gab es zwischenzeitlich eine größere Diskrepanz zwischen beiden Werten, die aber mittlerweile wieder angeglichen werden konnte. Ich finde das erfreulich.

Während die Verfahrensdauern bei den Verwaltungsgerichten in den letzten fünf Jahren deutlich gestiegen sind - eine Entwicklung, die allerdings im Bundesdurchschnitt liegt -, konnten die durchschnittlichen Verfahrenszeiten bei den meisten anderen Gerichten verbessert werden. Aus meiner Sicht ist das Glas halb voll.

Diese Entwicklung zeigt, dass die Anstrengungen des Justizministeriums zur Modernisierung der Verfahrensabläufe, die auf den Seiten 29 folgende in der Großen Anfrage dargestellt sind, schrittweise mindestens Erfolge zeitigen. Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen zur Geschäftsentlastung steht sicher die Ausstattung mit einer zeitgemäßen EDV. Diese ist unbedingt notwendig für eine moderne, effiziente Justiz, sie stellt aber gleichzeitig natürlich auch eine große Herausforderung an das Land dar.

Erfreulich ist aus meiner Sicht daher, dass die Staatsanwaltschaft bereits über eine Vollausstattung verfügt und auch die ordentliche Gerichtsbarkeit mit dem Amtsgericht Geesthacht als letztem Gericht diese in diesem Jahr erreichen wird. In einzelnen Bereichen der Fachgerichtsbarkeit besteht noch Handlungsbedarf. Allerdings hat das Ministerium auch hier noch für

(Irene Fröhlich)

dieses Jahr eine Vollausstattung angekündigt. Wir hoffen sehr, dass das dann auch gelingt.

Verschiedene spezielle Justizanwendungen wie MEGA, MESTA oder EUREKA-Fach sind im Einsatz und haben da, wo sie aus der Anpassungsphase heraus sind, nicht nur zur Beschleunigung der Arbeitsweise und zu einer entsprechenden Entlastung geführt, sondern auch zu einem vereinheitlichten und verbesserten Erscheinungsbild der nach außen gehenden Schriftstücke. So hat es der Landesrechnungshof beispielsweise für MEGA festgestellt. Der Landesrechnungshof ist ja auch für Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU, eine unbestreitbare Autorität.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich freue mich also, dass wir hier einmal ein Lob bekommen.

Die Landesregierung fördert darüber hinaus auch außergerichtliche Verfahren zur Streitbeilegung. Insbesondere beim Täter-Opfer-Ausgleich ist SchleswigHolstein bundesweit ein Vorreiter. Der Täter-OpferAusgleich ist nicht nur eine Alternative zu Freiheitsstrafen im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität und damit eine Entlastung des Justizvollzugs, sondern er trägt auch dem Interesse des Opfers an Wiedergutmachung des erlittenen Schadens Rechnung und führt dem Täter die Folgen seines Handelns vor Augen. Solche Ansätze bewirken sicherlich mehr bei Straffälligen als der gewöhnliche Strafvollzug.