Aber Sie von der Regierung und Sie von Rot-Grün sollten nicht mit einer Überbetonung dieses Themas von den eigentlichen Landesaufgaben und der eigentlichen Verantwortung ablenken. Frau Ministerpräsidentin, auch wenn ich Ihr Engagement für internationale Hilfsorganisationen für Frauen und Kinder schätze, drängt sich mir, wenn ich auf Seite 15 des vorgelegten Berichts lese: „Die Ministerpräsidentin wirkt mit an der Verbesserung des Weltgesundheitswesens.“, spontan die Frage auf: Wäre es nicht wirkungsvoller, wenn Sie alle Ihre Kräfte zunächst mit Priorität auf die Gesundung unseres Landeshaushaltes lenken würden?
Dann könnten wir vielleicht eines Tages die vielfältigen entwicklungspolitischen Initiativen sinnvoller und weniger nach dem Gießkannen- und dem Klientelprinzip unterstützen.
Wissend um die schwierige Gratwanderung zwischen Verantwortung und Wünschen und dem, was machbar ist, sage ich ganz deutlich: Wenn wir mit unserem Landeshaushalt in Schleswig-Holstein kein Geld für
unsere Pflichtaufgaben haben - ich denke an zusätzliche Stellen bei der Polizei und in den Schulen -, dann müssen wir überlegen, wie das wenige Geld eingesetzt werden kann und was wir uns als Kür noch leisten können. Ich denke, darüber sollten wir im Ausschuss intensiv miteinander debattieren und ringen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Todsen-Reese, ich gehe gleich noch auf Ihren Redebeitrag ein. Lassen Sie mich zunächst der Landesregierung für den vorliegenden Bericht zur Entwicklungszusammenarbeit und interkulturellen Verständigung danken. Der Bericht bietet einen guten und detaillierten Überblick über die zahlreichen Initiativen im Land Schleswig-Holstein. Da ich Landtagsabgeordnete und nicht Bundestagsabgeordnete bin, werde ich mich auch darauf beziehen.
Herr Minister Müller hat dies in seinem Vortrag landesweit deutlich dargestellt. Frau Todsen-Reese, es steht außer Frage, dass die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit und interkulturelle Verständigung an Bedeutung gewinnen werden und müssen.
Die Rahmenumstände sind maßgeblich durch eine fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung geprägt. In diesem Prozess gibt es derzeit wenige Gewinner und sehr viele Verlierer. Ich denke, wir sind gut beraten, die wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung politisch intensiver zu begleiten und zu steuern als bisher.
- Frau Todsen-Reese, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört und bitte auch Sie darum. Dies sollte regional und vor allem rechtzeitig geschehen. Entwicklungspolitische und interkulturelle Aktivitäten sind Bausteine einer verantwortungsbewussten Politik. Verantwortungsbewusste Politik ist immer auch zukunftsgerichtete Politik. Die derzeitigen Verlierer der Globalisierung sind die Entwicklungsländer, da auf deren Rükken der Wohlstand der „reichen Länder“ ausgebaut wird. Die Folgen: Über drei Milliarden Menschen, also mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, leben
heute von weniger als 2 US $ am Tag. Viele Länder sind nicht zuletzt wegen ihrer extrem ungleichen Einkommensverteilung noch weit von politischer Stabilität und Demokratie entfernt. Die Früchte der Globalisierung gerechter zu verteilen, ist sicherlich ein Gebot von Moral und Menschlichkeit. Wir sind in allen Bereichen aufgefordert, politisch zu reagieren. Frau Todsen-Reese, ich habe sehr bedauert, was Sie eben gesagt haben. Das heißt national, regional und auch lokal.
Der Bericht stellt deutlich und eindrucksvoll dar, dass sich die Landesregierung dieser Verantwortung bewusst ist. In eigener Initiative und durch Kooperation und Unterstützung von Vereinen und Verbänden leistet sie ihren Beitrag, wie es eben vom Umweltminister dargestellt wurde. Ich erwähne noch einmal die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes, in der die Eine-WeltPolitik ein Bestandteil sein wird, und zwar integriert in die Bildung für nachhaltige Entwicklung, die die Umweltbildung mit globalem und interkulturellem Lernen verbindet. Ich zitiere aus dem Bericht:
„Gemäß der Agenda 21 ist Bildung eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Fähigkeit der Menschen, sich mit den Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinander zu setzen.“
Gerade in Zeiten, in denen Umwelt- und Entwicklungsfragen nicht die größte öffentliche Aufmerksamkeit genießen, dürfen wir als Landespolitiker in unseren Bemühungen nicht nachlassen.
Die SPD-Fraktion hat durchgesetzt, dass durch BingoLotto nicht nur Umweltprojekte, sondern auch Entwicklungsprojekte gefördert werden können.
Ebenso haben wir uns für die eindeutigere Abstimmung in den Bereichen Agenda 21 und Entwicklung in der zuständigen Richtlinie ausgesprochen. Kampagnen wie „Fair kauft sich besser“, Aktionen wie „faire Schultüten“ oder auch Partnerschaften mit Schulen in Entwicklungsländern sind nur einige Beispiele von Initiativen in unserem Land, die große Unterstützung verdienen.
Dank gilt den vielen ehrenamtlich Tätigen, den Verbänden und Vereinen und den Schulen, die nicht müde werden, dieses Thema voranzubringen. Sie engagieren sich mit viel Einsatz und Kreativität. Ich stelle zum Schluss fest: Die Landesnachhaltigkeitsstrategie ist mit ihren auch hier erwähnten Schwerpunkten Querschnittsaufgabe. Sonst macht sie keinen Sinn. Ich betone das ausdrücklich. Sie betrifft alle Ministerien und ist nicht, wie manches Mal irrtümlich angenommen, lediglich nur in der Verantwortung des Umweltministeriums anzusiedeln. Es darf sich jeder angesprochen fühlen, der dies möchte. Die SPD-Fraktion wird diese Prozesse konstruktiv und kritisch begleiten. Wir beantragen die Überweisung des Berichtes an den Umweltund den Bildungsausschuss, wobei die Federführung beim Umweltausschuss liegen sollte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Entwicklungszusammenarbeit hat für die FDP einen festen Platz im Aufgabenkanon der Bundespolitik. Walter Scheel, der erste deutsche Minister für Entwicklungszusammenarbeit, definierte als Ziel seines Ministeriums: Es gilt die gemeinsame Zukunft aller Menschen zu sichern. - Dem fühlen wir uns als Liberale weiterhin verpflichtet.
Zuständig für diese Aufgabe ist die Bundesregierung. 2001 hat Deutschland 0,27 % des Bruttoinlandprodukts für diese Aufgabe ausgegeben. 1990 waren es 0,4 %. Kollegin Todsen-Reese hat es gesagt. Zum Vergleich: Dänemark hat 1,1 % aufgewendet. Die erkennbar bestehenden Defizite im Handeln der Bundesregierung kann Schleswig-Holstein nicht auffangen. Der Bericht stellt das Wirken der Landesregierung dar. Die Darstellung ist notwendigerweise unvollständig, da Informationen zur Förderung von Projekten durch das BingoLotto fehlen. Dadurch entsteht ein falsches Bild, denn fast zwei Drittel der Mittel, die in Schleswig-Holstein unter der Überschrift Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werden, stammen aus den Erträgen von BingoLotto. Frau Redmann hat dies angesprochen. Insgesamt bestätigt der Bericht aber den Eindruck, dass die Landesregierung eher die ureigensten Aufgaben des Landes vernachlässigt, als
Frau Kollegin Redmann, ich bedauere es ein wenig, dass Sie den Bericht nicht mit ein bisschen mehr Kritikfähigkeit gelesen haben. Darin gibt es einiges, was auch aus sozialdemokratischer Sicht kritikwürdig wäre.
„Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, das Verständnis, das Bewusstsein in den industrialisierten Ländern Europas, in Deutschland und in Schleswig-Holstein zu verändern.“
Also Bewusstseinsbildung, statt die Zukunft der Menschen in der einen Welt zu sichern. Das ist für uns keine Entwicklungspolitik. Wenn es um die Wasserwirtschaft in Schleswig-Holstein geht, beschwört Rainder Steenblock das globale Denken. Bei der Entwicklungszusammenarbeit, unter der die Bundesregierung die Armutsminderung und die Bekämpfung von Aids versteht, will der Umweltminister des Landes Bewusstseinsbildung in Schleswig-Holstein betreiben. Verkehrte Welt, kann ich dazu nur sagen.
- Warum wohl? Frau Kollegin Fröhlich, das will ich Ihnen gern erklären. Man muss sich nur einmal die Förderung angucken: Im Jahr 2000 wurden zwölf Inlandsprojekte mit einem Volumen von 311.000 DM gefördert und acht Auslandsprojekte in Höhe von 89.000 DM. Im gleichen Zeitraum wurden aus den Erträgen von BingoLotto weitere 400.000 DM unter der Überschrift Entwicklungszusammenarbeit für Projekte in Schleswig-Holstein bewilligt und 265.000 DM für Projekte in den Entwicklungsländern.
- Ich weiß nicht, warum Sie hier klatschen. Zu den Inlandsprojekten gehören Eine-Welt-Läden, ein Agenda-Café, betrieben von der Heinrich-BöllStiftung, die Verteilerinneninitiative für fair gehandelte Bananen oder aufwendige Zeitungen, die niemand liest. Diese Projekte tragen eine grüne Handschrift und ohne Staatskohle läuft in diesem Sektor nichts. Das ist der Grund für die eigenwillige grüne
Definition von Entwicklungszusammenarbeit. Ich habe es in diesem Hause schon einmal gesagt: Es gehört nichts weiter dazu als grüne Klientelpolitik. Ich sage Ihnen deutlich: Das ist Etikettenschwindel. Niemand im Land versteht unter Entwicklungszusammenarbeit die Umsetzung der lokalen Agenda 21 in Husum oder Lübeck. Das fällt eher unter die Rubrik „eine Hand wäscht die andere“. In 2001 hat sich diese Tendenz verstärkt. In 2000 wurden unter der Federführung der Ministerpräsidentin 75 % der Mittel für Inlandsprojekte aufgewendet. 2001 waren es unter der Federführung des Umweltministers über 85 %. Es wird deutlich: Je schlechter die Wahlaussichten der Grünen, umso mehr muss die Klientel durch entsprechende Projektförderung bei der Stange gehalten werden.
Sie müssen sich ruhig einmal Wahrheiten anhören, das gehört zum Geschäft. Dieser rot-grüne Etikettenschwindel ist deshalb schlimm und ein Beitrag zur Politikverdrossenheit, weil die Gefahr besteht, dass die echten Initiativen im Land, die sich wirklich für die Entwicklungszusammenarbeit einsetzen und das Ziel verfolgen, die Zukunft aller Menschen zu sichern, mit diesen Projekten der Pseudozusammenarbeit in einen Topf geworfen werden.