Protokoll der Sitzung vom 19.06.2002

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/1914

Zur Begründung erteile ich der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Moser, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 8. Dezember 1995 haben wir hier im Landtag, von allen Fraktionen breit getragen, das Gesetz über die Errichtung öffentlich-rechtlicher psychiatrischer Fachkliniken verabschiedet. Dieses Gesetz hatte eine eigenverantwortliche Führung der Fachkliniken nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zum Ziel. Der Grund war, dass sich schon damals ein immer schwieriger werdendes gesundheits- und sozialpolitisches Umfeld abzeichnete, sodass ein größerer Gestaltungsspielraum für die Fachkliniken geschaffen werden musste.

Diese Entscheidung war richtig; sie hat sich bewährt. Die Auffassung, dass dies so ist, wird von vielen, wenn nicht von allen, geteilt, von den Fachkliniken selbst, von den Gremien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem Landesrechnungshof und selbstverständlich auch von der Landesregierung.

Mit dem heute vorliegenden Entwurf eines Gesetzes bereiten wir einen weiteren Schritt vor, um den Fachkliniken Heiligenhafen und Neustadt durch eine Fusion eine gesunde wirtschaftliche Basis zu erhalten. Denn die seit 1995 weiter getriebene Entwicklung der vollund teilstationären psychiatrischen Versorgung, insbesondere die Dezentralisierung der Psychiatrie, der weitere Aufbau von Tageskliniken, aber auch die Verkürzung von Verweildauern und nicht zuletzt der Aufbau noch ausstehender dezentraler Einrichtungen in Kiel und Lübeck erfordern in der Region Ostholstein die Bündelung der Kräfte. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit beider Standorte, Heiligenhafen und Neustadt, dauerhaft zu sichern, aber eben auch durch Synergieeffekte Kosten zu senken.

Am Vorbereitungsprozess für die angestrebte Fusion wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihre Personalräte, die Gewerkschaften und die Organe der Fachkliniken in sehr großem Umfang beteiligt. Innerhalb der beiden Fachkliniken erfolgt eine breite Anbindung der Mitarbeiterschaft über eine Steuerungsgruppe und mehrere Arbeitsgruppen. Aus der Mitarbeiterschaft selbst entstand auch der Vorschlag, die

fusionierten Anstalten in „psychiatrium GRUPPE“ umzubenennen und den Sitz der psychiatrium GRUPPE in Neustadt anzusiedeln.

Selbstverständlich sieht der Gesetzentwurf Übergangsregelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und natürlich auch für die Organe der bisher eigenständigen Fachkliniken sowie für deren Personalvertretungen vor.

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände sieht hinsichtlich des Gesetzentwurfs keinen Änderungsbedarf und hat auch keine Ergänzungswünsche vorgetragen. Die Gewerkschaft ver.di begrüßt es, dass in Ostholstein sowohl der Standort Neustadt als auch der Standort Heiligenhafen erhalten bleibt und die Besitzstände der Beschäftigten tariflich gesichert werden. Sie weist natürlich - das muss sie tun - darauf hin, dass es für die Mitarbeiterschaft doch einen Einschnitt bedeutet, aus zwei bisher eigenständigen Einrichtungen eine zu machen, weil die Identität davon berührt ist. Ich bin aber sicher, dass durch eine erfolgreiche Fusion eine neue Identität entstehen wird.

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass nach dem Fachklinikgesetz von 1995 auch dieses Gesetz eine weitere Etappe hin zu einer späteren GmbHRechtsform sein muss. Über eine solche Rechtsform denken wir im Moment bei der angestrebten Fusion der Fachklinik Schleswig mit dem Martin-LutherKrankenhaus, das schon eine GmbH ist, nach. Wenn uns dies gelingt, können wir aus den dort gemachten Erfahrungen weitere Schlüsse ziehen.

Meine Damen und Herren, auch wenn im Moment nicht viele anwesend sind, würde ich es sehr begrüßen, wenn auch dieser weitere Schritt zur wirtschaftlichen Absicherung der Fachkliniken Heiligenhafen und Neustadt von einer breiten Mehrheit des Landtages mitgetragen würde. Dies würde helfen, den Prozess sozial verträglich zu gestalten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat für die Region Neustadt, aber auch darüber hinaus vielleicht ein wenig mehr Tragweite, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die trockene Materie, die eigentlich nur eine Rechtsveränderung darstellt - im Kernpunkt geht es um die Grunderwerbssteuer von 250.000 € -,

(Werner Kalinka)

verdient es doch, mit einigen weiteren Aspekten in den Ausschussberatungen begleitet zu werden.

Von allergrößter Wichtigkeit scheint, dass die Arbeitsplätze in Neustadt tatsächlich gesichert werden. Die Übernahme von arbeitsvertraglichen Regelungen sagt ja noch nichts darüber aus, wie hoch die Zahl der Mitarbeiter dort auf Dauer sein wird. Denn hinter all dem verbirgt sich unter anderem auch die Frage, wie viele Bettenplätze möglicherweise nach Lübeck abgegeben werden müssen. Wenn Betten abgegeben werden müssen, wird dies möglicherweise zu Arbeitsplatzdiskussionen führen. Neustadt hat aber für die gesamte Region eine ganz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung.

Frau Ministerin Moser, damit geht auch die Frage der Beteiligung der Mitarbeiter, der Personalräte, einher. Sie haben hier betont, dies sei in sehr transparenter Weise geschehen. Wir werden uns dazu noch sachkundig machen und uns informieren, ob das wirklich in dieser Transparenz geschehen ist. Bislang verfügen wir über etwas andere Informationen. Aber ich will keine unnötige Schärfe in die Diskussion bringen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sehr transparenter Art und Weise beteiligt werden. Ein Abbau oder eine Schmälerung des Standortes Neustadt kommt für die CDU nicht in Frage.

(Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Soweit es Verlagerungen geben müsste, wäre es eine politische Aufgabe, über eine Kompensation nachzudenken. Dies hat auch im Mittelpunkt der weiteren Diskussion zu stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Herr Kollege Neugebauer, bleiben Sie doch beim Thema Pröhl und beim Thema Finanzen! Jetzt sollten Sie wirklich einen Augenblick ruhig sein.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und Beifall der Abgeordneten Herlich Marie Todsen- Reese [CDU])

Die Regierungsseite hat in der Vorlage geschrieben, man wolle die Wettbewerbsfähigkeit beider Standorte erhalten. Sie haben das später vertieft. Mir wäre es aber eigentlich lieber, Sie wollten nicht die Wettbewerbsfähigkeit beider Standorte, sondern beide Standorte erhalten. Eine dementsprechende Aussage wäre vielleicht noch deutlicher gewesen. Es heißt zudem, eine Fülle organisatorischer Veränderungen sei erforderlich, und es wird von einem mittelfristig deutlich geringeren Verwaltungsaufwand gesprochen. Meine Damen und Herren, wir werden in den Aus

schussberatungen nachfragen, wie man sich diesen Prozess konkret vorstellt und was sich dahinter verbirgt. Denn der Gesetzentwurf ist das eine und die Frage, wie das nachher gemacht werden soll, ist das andere. Hier muss also begleitend nachgefragt werden.

Insgesamt - das wissen wir - steht die psychiatrische Versorgung Schleswig-Holsteins in der politischen Diskussion. Neben den Universitätsklinika Kiel und Lübeck spielt natürlich auch die psychiatrium GRUPPE eine Rolle. Von daher ist zu fragen, welche Marktanteile wie verteilt werden. Auch diese möglicherweise dahinter stehende Diskussion hat uns zu interessieren, meine Damen und Herren.

Es geht darum, eine wohnortnahe Versorgung zu haben, aber auch darum, die Chancen und das Potenzial der Kliniken weiter zu nutzen, die sich auf einem hohen fachlichen Niveau bewegen. Ich denke, dass die Sicherung des Leistungsniveaus der Kliniken ein ganz wichtiger Punkt für die Zukunft ist. Wohnortnähe ist ein Kriterium, aber wahrlich nicht das einzige.

Deswegen werden wir auch die Frage der Kostenstrukturen, die damit einhergehen, zu diskutieren haben. Sie, Frau Ministerin Moser, haben in Ihrer Pressemitteilung vom 4. Juni 2002 erklärt - ich zitiere -:

„An beiden Standorten muss auch trotz aller Schwierigkeiten, die vor uns liegen, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel weiter investiert werden, um die Krankenhäuser und Heime auf einem zeitgemäßen Standard zu halten und auf einen solchen Stand zu bringen.“

Meine Damen und Herren, wenn ich mir die Finanzlage des Landes und die Bewegungslosigkeit des Ministers anschaue, dann müssen wir uns noch viel mehr Fragen stellen, was diese Einschränkung „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ bedeutet.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Heinold, gönnen Sie sich Ihren wohlverdienten geistigen Feierabend.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das setzt voraus, dass sie geistig gearbeitet hat!)

Die Frage, was dieses finanziell bedeutet, wird uns in den Ausschussberatungen weiterhin beschäftigen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das müsste doch selbst die CDU wis- sen!)

Am 6. Dezember 1995 hat die Ministerin hier vor dem Landtag erklärt - sie hat auf diese Beratung Bezug

(Werner Kalinka)

genommen -: Die Landesregierung war und ist sich ihrer politischen Verantwortung für die psychiatrische Versorgung in Schleswig-Holstein bewusst.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich kann das unterstreichen. Dies hat generelle Bedeutung, aber auch für jeden Standort. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf in den Ausschussberatungen in dem von mir genannten Sinne mit den entsprechenden Beratungsgegenständen inhaltlich begleiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete TenorAlschausky.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Frage mal, ob die CDU mehr Geld in- vestieren würde!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Unter dem schönen neuen Kürzel „FKING“ liegt uns heute der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Fachkliniken vor. Ich möchte fast vorschlagen, hier noch ein „L“ einzufügen. Das macht dann mehr Sinn.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Fragt sich nur, wo das „L“ hin soll!)

Mit der Fusion der Kliniken Heiligenhafen und Neustadt werden die Angebote der psychiatrischen Versorgung der Menschen in Schleswig-Holstein im fachklinischen Bereich neu geordnet. Der SchleswigHolsteinische Landtag hat in den vergangenen Jahren die Psychiatriepolitik weiterentwickelt und vorangebracht. Der Psychiatrieplan 2000 hat die Perspektiven für eine zukunftsweisende und tragfähige Entwicklung der psychiatrischen Versorgung im gesamten Land eröffnet. Der Fachplan Gerontopsychiatrie, die Novellierung des Gesetzes für psychisch Kranke, das Maßregelvollzugsgesetz, das wir erst vor kurzem angepasst haben, und nicht zuletzt das neue Betreuungsrecht waren und sind wichtige Bausteine.

Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Entwicklung der psychiatrischen Versorgung kommt den Arbeitskreisen „Gemeindenahe Psychiatrie“ zu. Durch diesen freiwilligen Zusammenschluss der in einer Region beteiligten Einrichtungen und Verbände der öffentlichen und freiwilligen Wohlfahrtspflege übernehmen diese gemeinsame Verantwortung für die Ausgestaltung der Hilfen für psychisch Kranke und ihre Angehörigen.

Wir Sozialdemokraten setzen auf die Angebote der dezentralen psychiatrischen Versorgung, die es ermöglichen, den Betroffenen möglichst viele Kontakte zu ihrem sozialen Umfeld zu erhalten.

(Beifall bei SPD und SSW)

Neben diesen Angeboten sind aber auch weiterhin besondere stationäre Versorgungsplätze erforderlich. Diesen Bereich des Gesamtkonzepts der psychiatrischen Versorgung decken neben regionalen, stationären und teilstationären Plätzen die Fachkliniken ab. Mit ihren speziellen Angeboten, sei es durch das Einbringen einer besonderen fachlichen Kompetenz, sei es aber auch durch die Bereitstellung von Plätzen für den Maßregelvollzug, haben die Fachkliniken in Rahmen der psychiatrischen Gesamtversorgung im Lande ihren Platz, haben eine Zukunft.

Durch den Zusammenschluss der bisherigen Fachkliniken Neustadt und Heiligenhafen entsteht die psychiatrium GRUPPE. Durch diese Zusammenlegung entsteht die Möglichkeit, die Krankenhausversorgung und die Pflege- und Behindertenangebote aus einer Hand optimal auszugestalten.